05-Gegnerbetrachtung: VfL-Liebe, egal, was andere sagen

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal erzählt mir Antonia Menge von ihrer Liebe zum VfL Wolfsburg.

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AntoniaHallo Antonia, danke, dass du dir die Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Du beschreibst dich auf Twitter als „professionelle Werksclub-Feministin“. Wie bist du zum VfL Wolfsburg geworden und warum gehört Feminismus (auch) in den Fußball?

Die Antwort darauf, wie ich zum VfL gekommen bin, ist leider jedes Mal gleich langweilig: Ich wohne hier halt. Mein Vater hat den VfL immer verfolgt, ich als Kind sporadisch, und dann irgendwann richtig. Es ist schwer, dran vorbeizukommen – vor allem in der Meister-Saison 2008/09! Und Feminismus gehört so lange in den Fußball, bis ich wegen Stau zu spät ins Stadion kommen kann und nicht von wildfremden Männern hören muss: „Na, hat das Schminken zu lange gedauert?“

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Du gehörst aktuell zum Stab der Bundesliga-Fan-Experten, die für Spiegel Online vor jedem Spieltag eine Prognose über ihr Team abgeben. Wird das dein Einstieg als Sportjournalistin – oder bleibt der VfL ein reines Hobby für dich?

Ich habe schon seit 2015 immer mal wieder kleine Nebenjobs im Sportjournalismus, die mir wirklich riesig Spaß machen und für die ich sehr dankbar bin. Allerdings studiere ich Psychologie und das ist mein Berufswunsch. Ich könnte mir nicht vorstellen, mich hauptberuflich mit dem VfL zu beschäftigen. Die hängen mir schon als Hobby ab und zu zum Hals raus. ;)

Das Stadion in Wolfsburg bei der letzten Begegnung mit Mainz 05. (Foto: Rheinhessen on Tour)

Das Stadion in Wolfsburg bei der letzten Begegnung mit Mainz 05. (Foto: Rheinhessen on Tour)

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Für mein Empfinden gibt’s aktuell in der Bundesliga zwei Arten von Vereinen, über die gern gelästert wird: Solche, die andere Fans als langweilig empfinden und solche, die andere Fans als Plastikclubs empfinden. Mainz gehört in der Wahrnehmung oft zu den ersten, Wolfsburg zu den zweiten. Interessiert es dich persönlich, wie dein Verein von anderen wahrgenommen wird? Und wie siehst du die Diskussion um Werksclubs und Mäzene?

Überhaupt nicht. Vor ein paar Jahren hatte ich noch das Bedürfnis diese Diskussionen zu führen. Ja, ich bin wirklich Fan. Nein, nicht nur wenn sie erfolgreich sind. Nein, wir könnten nicht mit dem Geld von VW einfach mal Ronaldo kaufen. Wolfsburg wird immer Volkswagen sein und der VfL somit auch. Ich kenne kaum eine Stadt, bei der das Verhältnis von Arbeitgeber, Stadt und Verein so eng ist. Aber ich reagiere auf diese Vorwürfe nicht mehr. Es bringt nichts etwas zu erklären, was niemand verstehen will. Jeder, der hier war – ob Fan, Spieler oder Manager –, weiß das. Das reicht mir. Es interessiert mich nicht, wer meinen Verein als ätzend, langweilig oder als den Zerstörer des Fußballs empfindet. Ich finde die drei mitgliedsstärksten Vereine Deutschlands nämlich auch nicht so geil. Beschwere ich mich ja trotzdem nicht drüber.

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In der vergangenen Saison sah es lange nicht gut aus für den VfL. Am Ende ging der Verein mit Bruno Labbadia als drittem Trainer in die Relegation und konnte gegen Kiel die Klasse halten. Was haben die Verantwortlichen deiner Meinung nach aus dieser Saison gelernt und wie beurteilst du deren aktuelle Zusammensetzung?

Die zweite Relegation in Folge und eine Saison, die es irgendwie geschafft hat NOCH schlimmer zu sein als die 2016/17, hat den Verantwortlichen vor allem Demut gelehrt. Bisher sieht es ja ganz gut aus und trotzdem wurde das offizielle Ziel (gesichertes Mittelfeld) noch nicht nach oben korrigiert. Das wäre früher anders gewesen. Mit Bruno Labbadia, Jörg Schmadtke, Marcel Schäfer und dem aktuellen Kader zeigt der VfL endlich die Werte, für die er schon seit Jahren zu stehen versucht: Arbeit, Fußball, Leidenschaft.

Das Motto des VfL: Arbeit, Fußball, Leidenschaft. (Foto: VfL Wolfsburg)

Das Motto des VfL: Arbeit, Fußball, Leidenschaft. (Foto: VfL Wolfsburg)

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Zwischen Bruno Labbadia und den Wolfsburger Fans war das zunächst nicht unbedingt eine Liebesbeziehung. Woran lag das aus deiner Sicht, wie ist es aktuell – und welche Meinung hast du selbst zu eurem Trainer?

Bruno Labbadia kam als dritter Trainer der Saison zum VfL, nachdem Martin Schmidt das Handtuch warf, was aber kaum ein Fan wollte. Dann musste man sich also wieder an einen neuen Trainer gewöhnen, bei dem alles an der Verpflichtung nach „Plan Y“ klang. Und dieser neue Trainer konnte erstmal (Überraschung) auch aus der Trümmertruppe keine Glanzleistungen bringen. So wenig ich diese Schmähgesänge gutheißen möchte: Man muss die ganze Situation betrachten. Ich bin froh, dass Labbadia das richtig einzuordnen wusste und es jetzt besser läuft. Das kann man ihm nur hoch anrechnen! Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch nicht vollends überzeugt bin. Ich mag die Spielweise, die er spielen lässt, finde es aber vor allem in der Rückrunde auffällig, dass es ihm bisher nicht gelang, im Spiel Fehler zu korrigieren. Und sein Faible für William – naja…

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Nach dem Auswärtssieg gegen Hertha BSC stand Wolfsburg am Ende des 20. Spieltags mit 31 Punkten auf Rang sechs. Das ist insofern bemerkenswert, als in der kompletten Vorsaison 30 Punkte gesammelt wurden. Hättest du mit einer so viel ruhigeren Saison gerechnet? Wer hat daran die größten Anteile?

Das ist wirklich Wahnsinn und der Beweis, WIE schlecht wir in der letzten Saison waren. Wir stehen übrigens auch schon bei neun Siegen – letzte Saison waren es nach 34 Spieltagen nur sechs. Ich habe damit überhaupt nicht gerechnet, dem „Umbruch“, bei dem sowohl der Trainer als auch gefühlt der ganze Kader blieb, hatte ich nicht zu viel zugetraut. Ich habe nicht nur Bruno Labbadia, sondern vor allem Jörg Schmadtke und die Qualität seiner Transfers (Jerome Roussillon, Daniel Ginczek, Wout Weghorst) unterschätzt. Ich kann nicht sagen, wer die größten Anteile an der bisher wirklich guten Saison hat, es sieht von außen wie eine gelungene Kombination von allem aus.

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Die vergangene Woche war dann für Fans der Wölfe eher nervig. Erst das Aus im DFB-Pokal gegen RB Leipzig und dann ein Unentschieden gegen Freiburg. In der Bundesligapartie war’s am Ende sogar knapp, trotz mehrfacher Führung. Wie erklärst du dir die Schwankungen?

So eine Veränderung von Grund auf klappt halt nicht in einem Sommer. Vor allem die Spieler, die schon seit 2 Jahren bei uns spielen, sieht man manchmal in alte Muster verfallen und die ziehen dann natürlich auch die anderen runter. Das Aus im DFB-Pokal war bisher vermutlich das ärgerlichste Spiel der Saison, weil die Leistung grottenschlecht und der Wille wenig bis gar nicht zu erkennen war. Das war gegen Freiburg dann wieder anders – immer wieder den Ausgleich zu kassieren, ist zwar ätzend, aber diese Spiele hätten wir letzte Saison auf jeden Fall verloren. So lange diese Schwankungen nicht überhand gewinnen, kann man sie verzeihen.

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Wie beurteilst du euren aktuellen Kader? Welche Spieler würdest du hervorheben und auf welcher Position habt ihr vielleicht Nachholbedarf?

Auch wenn ich nicht glaube, dass dieser Kader für ein Erreichen des Europapokals reicht, halte ich doch ziemlich viel von ihm. Wir dürften so nichts mit dem Abstieg zu tun haben – und das ist wirklich das Wichtigste. Von den Neuzugängen bin ich vor allem von Jerome Roussillon begeistert – einer der besten Linksverteidiger dieser Bundesliga-Saison, und das für fünf Millionen! Aber auch die Spieler, die mit uns zweimal 16. geworden sind, sind teilweise kaum wieder zu erkennen. Vor allem Yannick Gerhardt und Admir Mehmedi wissen zu überzeugen. Wir brauchen allerdings definitiv einen neuen Rechtsverteidiger – gefühlt war William diese Saison mit Brooks an 90% der Gegentore Schuld und er hat mit Paul Verhaegh und Sebastian Jung einfach nicht genug Konkurrenz um seinen Startelfplatz.

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Bruno Labbadia ist nicht unbedingt als ein Trainer bekannt, der junge Talente fördert. Was traust du im mit dem VfL Wolfsburg zu und glaubst du, er ist ein Coach, der auf Dauer die Geschicke des Vereins mitlenken kann? Wie sichtbar ist seine Handschrift aktuell?

Ich habe schon das Gefühl, dass Labbadia versucht, junge Talente einzubinden. Gian-Luca Itter, Felix Uduokhai und John Yeboa sind auf ihre Einsätze gekommen – und das nicht nur durch eine Einwechslung in der 89. Minute. Vor allem herauszuheben ist hier aber natürlich Elvis Rexhbecaj, der schon 15 Mal gespielt hat diese Saison. Ob Labbadia derjenige sein wird, der auch im Verein Dinge verändert, weiß ich nicht. Er wird auf jeden Fall die Chance dazu bekommen – auch in einer längeren sieglosen Serie wurde er von den Verantwortlichen nicht in Frage gestellt.

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Mit Yunus Malli hat Wolfsburg einen ehemaligen 05er im Kader, der in Mainz mehr oder weniger Stammspieler war, in Wolfsburg aber meist die Bank warmhält. Wieso kommt er unter Labbadia nicht zum Einsatz?

Das Problem mit Yunus Malli ist leider seine fehlende Konstanz. Anfangs hat er einfach nicht ins System gepasst, das hatte gar nicht unbedingt etwas mit ihm zutun, aber die Chancen, die er bekommt, nutzt er leider selten. Mal ein gutes Spiel reicht dann leider auch nicht, um die schwachen Leistungen auszugleichen. Diese Probleme hatte er ja aber bei uns bei jedem Trainer, außer in der Phase mit Martin Schmidt.

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Welche Lehren wird Bruno Labbadia aus den beiden durchwachsenen letzten Spielen ziehen? Auf was für eine Taktik sollte sich Sandro Schwarz mit seiner Mannschaft einstellen und was für ein Ergebnis erwartest du im Heimspiel?

Dass es mal wieder Zeit für einen Sieg wäre! Die Tore sind gegen Freiburg gefallen, jetzt muss nur die Defensive stabiler stehen. Ich schätze, dass darauf der Fokus liegen wird, und das Spiel daher etwas zäh sein könnte. Ich bin aber für meine Verhältnisse vorsichtig optimistisch und sage: 2:1.

KOMPAKT
Der VfL Wolfsburg ist der beste Club der Welt, weil … wir nicht so tun, als wären wir Etwas, was wir gar nicht sind.
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist … dass es sich, egal wie schlecht das Spiel auch sein mag, immer wie zuhause anfühlt.
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig … Josuha Guilavogui.
Wer Wolfsburg besucht, sollte unbedingt … unvoreingenommen an die Sache rangehen. ;)
Besonders lecker essen Gästefans … im Eat With Heart!

Vielen Dank für das Gespräch!

Barreiro nach der Unterschrift seines Profivertrages im November 2018. (Foto: Mainz 05)

Barreiro nach der Unterschrift seines Profivertrages im November 2018. (Foto: Mainz 05)

LETZTE WORTE
Mit Leandro Barreiro hat nach Jonathan Burkardt und Ahmet Gürleyen in dieser Saison bereits der dritte Spieler aus dem Nachwuchsleistungszentrum des FSV Mainz 05 sein Debüt bei den Profis gefeiert. Die mit der Wahl von Vereinsvorsitzendem Stefan Hofmann erneuerte Ausrichtung des Vereins, stark auf die Kicker aus dem eigenen NLZ zu setzen, wird konsequent vorangetrieben.

Für den Youngster war es zwar ein undankbarer Auftakt, seine Leistung und der Einsatz stimmten aber. Rouven Schröder kommentierte Barreiros Einsatz im Anschluss folgendermaßen: „Das ist für alle ein Riesending. Einen aus dem Jahrgang 2000 in der Bundesliga einzusetzen, wünscht man sich einfach. Und der Trainer stellt ihn ja nicht umsonst auf. Man sieht’s im Training, wie Leandro das umsetzt. Das ist alles sehr positiv.“

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