Kleiner Mann, große Fragen: Organspendeausweis

Mein Neffe Jakob ist jetzt acht Jahre alt. Er ist ein kleiner Junge mit einem großen Herzen, in dem er viele Fragen über die Welt bewegt. Bei seinem letzten Besuch in Mainz wollte er von mir wissen, was genau Depressionen sind, warum sich manche Menschen deshalb umbringen und wie man ihnen helfen kann, damit sie nicht mehr so traurig sind. Wir, die Erwachsenen in seinem Leben, versuchen, ihm all die großen Frage so gut wie möglich zu beantworten – allen voran seine Eltern. Oft wünschen wir uns dabei, dass die vielen Räume in seinem kleinen Kinderkopf mit ein bisschen mehr Unsinn gefüllt wären. Aber es ist sein großes Herz, das solche Themen aufnimmt und sie an den Kopf weitergibt, damit sie dort verarbeitet werden.

Kürzlich hatte er wieder eine dieser großen Fragen an seine Mama: „Bin ich Organspender?“ Das Thema hat ihn seither nicht mehr losgelassen – ebenso wenig wie der eindringliche Wunsch, wir, die Erwachsenen, sollen den Menschen da draußen von seiner großen Bitte erzählen: Dass bald viel mehr Leute einen solchen Ausweis unterschreiben, um damit Leben zu retten.

Kleiner Ausweis, große Wirkung (Foto: BZgA)

Kleiner Ausweis, große Wirkung (Foto: BZgA)

GASTBEITRAG

Sind Sie es?

Wie reagiert man bloß „richtig“ wenn der achtjährige Sohn einen abends um neun an sein Bett ruft, um einem erst verständlich zu machen, dass er nicht einschlafen kann. Und dann fragt, ob er eigentlich Organspender ist? Mir stockte zunächst der Atem. Ich glaubte, mit einer knappen Antwort könnte ich mich diesem Thema zur Schlafenszeit eventuell entziehen. „Nein, wieso denn? Du bist doch noch ein Kind, und es dauert noch viele Jahre, bis du sterben wirst. Da ist man doch kein Organspender.“

„Mama, bist du Organspender?“ Von nun an war klar, das hier könnte etwas länger dauern. „Ja, Jakob, ich habe einen Organspendeausweis.“ Sie können sich nun ausmalen, wie die Sache weiterging. Ich musste zunächst erklären, was dies für ein Ausweis ist und woher man ihn bekommt. Des Weiteren machte ich meinem Sohn klar, dass ich zwar noch lange nicht vor hätte zu sterben, aber es im Leben nun einmal vorkäme, dass Menschen früher sterben als erwartet. An dieser Stelle mussten leider ein paar beispielhafte Personen herhalten, um den Verdacht, dass ich unerwartet sterben könnte, abzuwenden.

Jakob wollte nun natürlich wissen, wer außer mir auch einen Organspendeausweis besitzt. Leider konnte ich ihm nur eine weitere Person aus meinem näheren Bekanntenkreis nennen. Erschreckend, oder? – Zumindest für mich in diesem Moment. Ich referiere seit zehn Minuten darüber, wie wichtig es ist, Menschen zu helfen, ihre Leben zu retten – und kenne außer mir nur eine Person??? Verständlich, dass dies für Jakob auch nicht nachvollziehbar war: „Mama, ich möchte auch einmal einen Organspendeausweis haben.“

„Klar, wenn du groß bist, kannst du so einen ausfüllen.“ „Nein Mama, ich meine, wenn mir mal was passiert. Also als Kind, und ich nicht mehr weiter lebe. Dann möchte ich, dass ihr anderen helft, weil ihr meine Organe denen gebt.“ Schluck! Ein feiner Zug eines Achtjährigen, doch für mich als Mama die Horrorvorstellung schlechthin. „Ach Jakob, das ist wirklich sehr nett von dir, aber ich denke nicht, dass du plötzlich sterben wirst.“

„Mama, warum sind denn so wenige Menschen Organspender, wenn das doch so gut ist, Menschen das Leben zu retten?“ „Naja, es ist oft schwierig, solch eine Entscheidung zu treffen. Und in Deutschland muss man eben als Erwachsener einen Ausweis ausfüllen, der klar macht, dass Organe nach dem Tod an Kranke weitergegeben werden dürfen.“ Jakob, der nun richtig im Thema ist, fragt, ob dies in allen Ländern der Welt so ist.

Ich erkläre ihm, dass ich nur weiß, dass in der Schweiz jeder automatisch Organspender ist. Es sei denn, er gibt an, es nicht sein zu wollen. Diese Regelung gefällt Jakob – vor allem deswegen, weil damit viel mehr Menschen gerettet werden können. „Mama! Wie schaffe ich es, dass wenigstens alle Leute hier in Höchst einen Organspendeausweis ausfüllen?“ Das sind an diesem Abend seine letzten Worte, bevor ich ihm verspreche, mit ihm an dem Thema dran zu bleiben.

Nina Fröhlich

Informationen zum Thema:
klick!

+++ Vielleicht nimmt jemand diesen Text zum Anlass, um sein schon lange gehegtes Vorhaben umzusetzen, und sich einen Organspendeausweis zu besorgen. Dann freue ich mich über einen Kommentar oder eine Mail (flaschenpost@wortpiratin.de) mit einem kleinen Gruß an Jakob – oder einem Foto des neuen Ausweises, um ihm zu zeigen: Auch ein Achtjähriger kann helfen, die Welt zu verbessern. Danke! +++

3 thoughts on “Kleiner Mann, große Fragen: Organspendeausweis

  1. Lieber Jakob,

    du hast Recht, jeder Mensch sollte einen Organspendeausweis haben, damit vielen Menschen geholfen werden kann. Ich habe viele Jahre in den USA gelebt und als ich nach Deutschland zurückgekommen bin, habe ich mir auch einen Organspendeausweis ausstellen lassen. Meine Tochter hat auch einen und ihr Freund auch. Wir hoffen, dass wir eines Tages anderen Menschen damit helfen können. Ich bin schon 62 Jahre alt und hoffe, dass ich noch lange lebe. Aber es ist besser, wenn wir vorsorgen.

    Ich freue mich, dass du dir Gedanken über die wichtigen Dinge im Leben machst.
    Bleib gesund.

    Liebe Grüße
    Hildegard

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