Abschiedskummer: Fare thee well, Kasper Hjulmand

Nun ist offiziell, was die Spatzen seit Tagen von den Dächern pfiffen: Hjulmand muss in Mainz gehen. (Foto: Screenshot)

Nun ist offiziell, was die Spatzen seit Tagen von den Dächern pfiffen: Hjulmand muss in Mainz gehen. (Foto: Screenshot)

Lieber Kasper Hjulmand,

als ich mich letzte Nacht schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt habe, in der unruhigen Erwartung dessen, ob und wie mein Verein sich am Dienstag endlich äußern würde, da waren Ihre schlaflosen Nächte vermutlich fürs Erste bereits vorbei. Seit etwa halb zehn ist nun auch offiziell bekannt, was bereits seit Tagen gemutmaßt wurde: Mainz 05 hat Sie beurlaubt und Ihnen das am Montag mitgeteilt. Es entbehrt nicht einer gewissen Komik, das ausgerechnet Ihnen zu sagen, aber die Sache liegt mir schwer im Magen. Ich habe mich in den vergangenen Tagen emotional und inhaltlich daran abgearbeitet, ohne meinen Frieden damit schließen zu können: Ich hätte mir sehr gewünscht, Sie hätten mehr Zeit bekommen.

Nun kann man sich natürlich trefflich darüber streiten, wie viel Zeit ein Fußballverein seinem Trainer im Abstiegskampf klugerweise geben darf, und natürlich – da bin ich Fan aus ganzem Herzen – geht es letztlich eben immer nur um den Verein. Andererseits steht jeder Verein, steht gerade Mainz 05 doch auch ganz stark für bestimmte Werte, und gemessen an den Werten, die ich mit meinem Herzensverein assoziiere, fühlt es sich irgendwie schal an, was da gerade passiert ist; und wie. Damit meine ich vor allem die tagelange Hängepartie seit dem Spiel am Freitag, eine Phase, in der Sie aus meiner Sicht medial mehr oder weniger zum viel zitierten Abschuss freigegeben waren. Eine Erfahrung, die ich Ihnen gerne erspart hätte.

Ich meine damit aber auch die Tatsache, dass – ganz untypisch für meine Mainzer – dann die Information über die bevorstehende Entlassung offenbar schon vorzeitig an einzelne Vertreter der Medien durchgesickert ist, das offizielle Schweigen aber auch daraufhin nicht gebrochen wurde und schließlich der Umstand, dass nun weitere Interna nach außen dringen darüber, wie Sie und Christian Heidel miteinander funktionierten oder auch nicht – allesamt Themen, die in der Vergangenheit bei Mainz 05 glücklicherweise nie welche waren, und darauf durften wir als Fans zu recht stolz sein. Wo sonst etwa wäre es wohl denkbar gewesen, den Abgang Ihres Vorgängers Thomas Tuchel ein halbes Jahr lang nicht durchsickern zu lassen? Eben.

Nun gehören auch Sie nur noch zur Geschichte dieses Vereins, nicht mehr zur Zukunft von Mainz 05 – anders als Tuchel aber unfreiwillig. Und ich frage mich, ob ich zu sentimental bin für dieses Fußballgeschäft, wenn mir das ehrlichen, tief empfundenen Kummer bereitet. Verstehen Sie mich nicht falsch. An meiner Liebe zu diesem Verein wird sich nichts ändern, das ist ja (wie) Familie, man sucht sich das nicht aus und mich hat es mit Mainz 05 doch glücklich getroffen. Und natürlich gilt meine Aufmerksamkeit nun dem Abstiegskampf, gilt meine Unterstützung dem neuen Trainerteam um Martin Schmidt, gilt jetzt und für alle Zeiten: #nurderFSV.

Einen Haken hat die Sache aber dennoch, dem ich gefühlt auf die Spur komme, wenn ich meinem unbestechlichen Gerechtigkeitsempfinden folge. Wenn der Verein sich im Sommer ganz gezielt für Sie (und damals hieß das ja auch: gegen Schmidt) entschieden hat, wäre es nur fair gewesen, Ihnen mehr Vertrauen zu schenken, mehr Zeit zu geben. So, wie es die 05-Trainer in den letzten Jahren gewohnt waren – da gilt mir auch nicht der Hinweis, die seien größtenteils Eigengewächse gewesen. Das darf nicht das Zünglein an der Vertrauenswaage sein, wenn ich mir zuvor doch meinen Wunschkandidaten zum Verein geholt habe. Doch der Verdacht lässt sich eben nicht abschütteln, wäre Martin Schmidt schon im Sommer Trainer geworden, er hätte eine Krise wie die aktuelle vermutlich im Amt überlebt.

Dazu kommen die gefühlten unzähligen Faktoren, die unsere Situation in dieser Saison so schwierig und unkalkulierbar machten, auf die Sie persönlich keinen Einfluss hatten – wie Verletzungen, ein für den internationalen Wettbewerb noch völlig unvollständiger Kader im Sommer und Spieler, die für andere Wettbewerbe abgestellt werden mussten und deshalb in der Vorbereitung auf die Rückrunde fehlten. Unfair war für mein Empfinden außerdem der Umgang, den einige Pressevertreter mit Ihnen pflegten, und die Vorstellung, wie diese sich nun selbst belobigend auf die Schulter klopfen werden, ist mindestens unangenehm.

Was aber bleibt, bevor das momentane Unbehagen abgeschüttelt wird und die volle Konzentration wieder der Zukunft des Vereins gilt? Ein Moment, um inne zu halten, und DANKE zu sagen, aus tiefstem Herzen. Danke, dass Sie Mainz 05 im Sommer in einer verdammt schwierigen Situation übernommen haben. Danke für Ihr Vertrauen in meinen Verein, die Lust auf dieses gemeinsame Projekt, die geleistete Abend mit der Mannschaft. Danke für Ihre ruhige Herangehensweise, die sachkundigen Analysen und den Mut, in die übergroßen Fußstapfen Ihrer Vorgänger zu treten. Nach dem glorreichen 05-Sieg über Dortmund in der Hinrunde sind Sie zur Fantribüne gekommen, um sich dankbar vor uns zu verbeugen. Diese Verbeugung und die Dankbarkeit gebe ich nun an Sie zurück – und damit bin ich ganz sicher nicht alleine.

Alles Gute für die Zukunft!

Herzlichst Ihre,
Mara Braun

10 thoughts on “Abschiedskummer: Fare thee well, Kasper Hjulmand

    • Hi Mara , dein Artikel spricht mir aus der Seele…es geht mir emotional nicht anders uns ich bedaure die Freistellung sehr,wie wohl viele andere auch

  1. Vielen Dank für den schönen Beitrag, dem nichts hinzuzufügen ist. Ich empfinde das ganz genau so.

  2. Danke Mara für die Worte. Mir ging/geht es ähnlich. Leider gibts im Business keine Zeit mehr um zu entwickeln. Man muss funktionieren oder gehen. Im Sommer sagte ich bereits, aufgrund der bescheidenen Vorbereitung durch die WM und den vorzeitigen Abschied von TT, nehmt den Schmidt. Der kennt den Verein, die Abläufe etc. Allerdings wollte man unbedingt Kasper. Dann hätte man ihm Zeit geben sollen. Aber der Don wollte keinen Abstieg riskieren. Das hätte er aber auch im Sommer wissen können.

    Jetzt gilt es nach vorne zu schauen. Ein erster Schritt ist gemacht, es müssen aber noch einige folgen. Ich wünsche Kasper, Keld und Flemming alles Gute für die Zukunft.

    Machts gut ihr 3.

  3. Ich kann euch nur nochmals danken für die lieben Worte. Was natürlich erst recht gut tut: der Dreier gegen die Eintracht gestern. Schön auch, welche Worte unser neuer Coach Martin Schmidt für seinen Vorgänger gefunden hat.

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