05-Gegnerbetrachtung: Politik und Fußball bei RB Leipzig

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal erzählt mir Levi vom Fanzine Seelenbinder, wie er Fan von RB Leipzig wurde und warum Politik und Fußball für ihn und die Red Aces nicht zu trennen sind.

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Hallo Levi. Wir wollen heute über das Spiel des FSV Mainz 05 am Wochenende in Leipzig und über deinen Verein sprechen. Danke, dass du dir die Zeit dafür nimmst. Zusammen mit anderen Fans veröffentlichst du das Fanzine Seelenbinder. Wie habt ihr euch gefunden und was sind eure inhaltlichen Schwerpunkte?

Red AcesDa das Heft von den Red Aces (eine der aktiven Fangruppen) herausgebracht wird, mussten wir uns nicht wirklich zusammenfinden. Die Gruppe war schon da, man brauchte bloß allerhand Zeit zur Planung und Intensivierung des Vorhabens, was aber schlussendlich glückte, so dass wir nun seit knapp zwei Jahren jedes Heimspiel veröffentlichen. Klassische Themen sind natürlich Spielberichte zu den Heim- und Auswärtsauftritten, die Gegnerbetrachtung, Themen der Fanszene, Shortcuts zur Fußball- und Ultrawelt. Nicht selten geht es aber auch über den Tellerrand hinaus und wir widmen uns aktuell politischen und gesellschaftlichen Prozessen in den Stadien, der Stadt oder sonstigen Themen, zu denen wir uns gern äußern wollen. So erscheint der Seelenbinder in der Regel 18 bis 32 Seiten stark.

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Du hast mir netterweise einige Ausgaben geschickt und so weiß ich, dass ihr – wie du selbst sagst – weit über euren eigenen Tellerrand schaut. Im März hattet ihr Friedensaktivistin Clara Zetkin auf dem Cover, weil parallel zum Heimspiel in Leipzig die Frauenkampftagsdemo stattgefunden hat. Wie eng seht ihr die Verknüpfung von Sport und Politik und woher kommt die Bereitschaft zu einer so intensiven Auseinandersetzung, die ja (leider) nicht selbstverständlich ist?

Da wir mehr oder weniger alle in Sachsen aufgewachsen sind, manche auch in ländlichen Bereichen rund um Leipzig, sah man sich früh mit Themen wie Rechtsradikalismus und Rassismus konfrontiert. Man hat sie hautnah miterlebt und sicherlich hätte man sich der Verantwortung entziehen können, aber das kam für uns zu keinem Zeitpunkt in Frage. Wir sind nicht erst durch den Fußball politische Menschen geworden, allerdings hat er sicherlich dennoch zu unserer Politisierung beigetragen. Wir gehen fast alle von Anfang an zu Rasenballsport und der Verein stellt in puncto Publikum keine Ausnahme dar. Er lockt mitunter die gleiche Klientel an, die in Sachsen schon seit Jahrzehnten für Schlagzeilen sorgt. Da war es für uns recht früh klar, dass wir da, wenn nötig, gegensteuern, und uns offen für eine diskriminierungsfreie Kurve einsetzen, antirassistische Arbeit fördern und Projekte angehen.

Seelenbinder

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Benannt habt ihr euch nach dem in Stettin geborenen Ringer Werner Seelenbinder. Könnt ihr den meinen Lesern kurz vorstellen und euren Bezug zu seiner Person erklären?

Wenn man über die Leipziger Festwiese zu unserem Stadion schlendert, kommt man unweigerlich an einem großen Turm vorbei, der genau zwischen Stadion und Festwiese steht und den Panoramablick abrundet. Den meisten Leuten in der Stadt ist dieser Turm als „Glockenturm“ bekannt, wenngleich er eigentlich einen anderen Namen trägt, nämlich den des Ringers und Kommunisten Werner Seelenbinder. Die Namensgebung kommt selbstverständlich noch aus DDR-Zeiten. Als wir auf Namenssuche für unser Fanzine waren, kam uns die Geschichte wieder in die Köpfe. Werner Seelenbinder war, wie schon erwähnt, ein Ringer, Gewichtheber und Ikone des deutschen Arbeitersports. Bei den deutschen Meisterschaften im Ringen 1933 verweigerte er den Hitlergruß zur Siegerehrung. Für die Olympischen Spiele 1936 wollte Seelenbinder auf dem Podium zur Siegerehrung einen Appell gegen die NSDAP-Diktatur und den Faschismus halten, belegte schlussendlich allerdings nur Rang 4 und musste so von seinem Plan absehen. Er intensivierte in den weiteren Jahren seine Kontakte zu mehreren Untergrundzellen der KPD, wenngleich er unter ständiger Beobachtung der Gestapo stand. Schlussendlich flogen die Widerständler auf und Seelenbinder durchlebte zwei Jahre in verschiedenen Konzentrationslagern und Zuchthäusern, ehe er 1944 enthauptet wurde. Wir wollen mit unserem Fanzine-Namen natürlich auch unweigerlich an seine Person, seine Geschichte und den Widerstand gegen die Nazis erinnern.

Geprägt von der Liebe zu unserer Stadt und zum Sport begaben wir uns freiwillig in die Fesseln der Gefangenschaft Rasenballs. Ohne dabei je den kritischen Umgang mit dem Verein und seiner besonderen Stellung im Bund der deutschen Fußballclubs außen vor zu lassen. Unser Engagement lebt vom Einsatz jedes Einzelnen, niemand ist mehr, niemand ist weniger. Jedoch verurteilen wir Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit und Sexismus aufs Schärfste.
aus dem Leitbild der Red Aces

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Ich gebe es zu: Wenn ich an RB Leipzig denke, sind da Dietrich Mateschitz, Brauseplörre und viel Unwillen gegenüber diesem Kunstprodukt im Fußball. Wie passt eure Fanarbeit zu genau diesem Verein, wann seid ihr Fans geworden und wie seid ihr innerhalb der Szene vernetzt?

Ich für meinen Teil war 2009 noch in der Schule und bin mit ein paar Leuten von dort in der ersten Saison immer mal nach Markranstädt rausgefahren, wo Rasenballsport damals gespielt hat. Die Besuche wurden schnell sehr regelmäßig, dann ging es für uns erst auswärts und auf einmal war man eigentlich mittendrin. Die Geschichten der meisten Leute aus unserem Kreis sind relativ deckungsgleich, würde ich meinen. Wir hatten die Möglichkeit, Strukturen von ganz unten auf komplett neu aufzubauen. Das war natürlich ein Faktor, der uns damals als Teenager extrem gereizt hat. Auf einmal hatte man da Verantwortung und die Möglichkeit, einfach mal was draus zu machen. Bis heute hat sich daran natürlich nicht allzu viel verändert, auch wenn wir alle ein paar Dinge mehr zu erzählen haben als damals und die Reisen mittlerweile quer durch Europa anstatt nach Meuselwitz und Bischofswerda gehen. Wir sind sicherlich einer der großen Motoren innerhalb der Szene geworden. Die Red Aces und ihre Jugendgruppe stellen die größte Ultragruppe, wenn man das so nennen mag. Ansonsten gibt es noch den rasenballisten e.V., der von einigen Leuten der genannten Gruppen und anderen Menschen aus einer Interessensgemeinschaft, die es bereits seit 2009 gab, im Jahr 2015 in einen e.V. umgewandelt wurde. Darüber organisieren wir unsere Auswärtsfahrten, betreiben einen Fanstand am Stadion und eine Vielzahl anderer Dinge werden ebenfalls darüber abgewickelt.

„Fußball ist und bleibt für uns weltoffen, bunt und vielfältig.“ – Red Aces Leitbild. (Foto: privat)

„Fußball ist und bleibt für uns weltoffen, bunt und vielfältig.“ – Red Aces Leitbild. (Foto: privat)

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Ein paar Details zu eurer Einstellung zum Fußball, Fanarbeit und dem Club kann man auf der Homepage der erwähnten rasenballisten e.V. nachlesen. Was sind die Schwerpunkte eurer Arbeit und wie viel Zeit investiert ihr neben dem Platz in den Fußball?

Wie sicherlich schon rübergekommen ist, nehmen der Fußball und unsere Gruppe extrem viel Zeit in Anspruch und stellen einen großen Teil unseres Lebens dar, zweifelsohne. Unsere Schwerpunkte liegen im Stadion, wir wollen die Szene besser aufstellen und möglichst guten Support schaffen, Leute vernetzen, begeistern und natürlich Spaß haben, uns ausleben! Dazu gehört natürlich auch der ständige Dialog mit anderen Fans und dem Verein. An anderen Stellen sind wir aber auch aktiv und bringen uns ein. Wir organisieren mindestens einmal im Jahr eine große Kleiderspende für bedürftige LeipzigerInnen, bringen jedes Jahr einen Soli-Kalender für einen guten Zweck raus, bei dem der letztjährige Gewinn beispielsweise an eine Geflüchtetenunterkunft ging, um diese vor Ort zu unterstützen. Anfang November beteiligten wir uns am Leipziger Büdnis „Initiativkreis 9. November“, der eine große Erinnerungsdemonstration anlässlich des 80. Jahrestages der Reichspogromnacht organisierte. Als der Leipziger Pegida-Ableger vor ein paar Jahren durch unsere Straßen zog, sind wir ebenfalls aktiv geworden und haben Dinge organisiert. Kurz gesagt, ist es uns schon extrem wichtig, was sich vor dem Stadion abspielt, wenn doch wir unsere Hauptaufgabe im Stadion und auf den Rängen sehen.

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Viele Fußballfans würden die Frage, ob Leipzig auf dem Weg dahin ist, ein Verein wie jeder andere zu werden, nach wie vor leidenschaftlich verneinen. Wie seht ihr selbst euren Club, welche Entwicklung erhofft ihr euch, auch neben dem Platz, für die kommenden Jahre?

Sicherlich ist Rasenballsport ein ganz schönes Kuriosum, das uns dennoch ganz schön fesselt. Die Entwicklung, die der Verein hingelegt hat, ist einerseits beachtlich und hinterlässt anderseits natürlich Spuren. Die Schattenseite des raschen sportlichen Erfolgs bekommt man als aktiver Fan relativ schnell zu Gesicht, ohne lange danach suchen zu müssen. Dadurch, dass die Fokussierung klar auf den sportlichen Erfolg ausgerichtet war, entstanden Defizite im CSR-Bereich, sowie im Aufbau einer gut arbeitenden Fanbetreuung. Da wurde dann ein Ex-Spieler auch mal schnell zum neuen Fanbeauftragten, ohne überhaupt Ahnung davon beziehungsweise Erfahrung in diesem Bereich zu haben. Es war teilweise schwierig, zwischen Fans und Verein zu vermitteln, da beide Seiten nicht so recht wussten, wie man Verständnis füreinander schafft. Häufig waren dabei die Fans die Leidtragenden. Für uns Fans war es schwierig, hinter der Vereinsarbeit eine gewisse Linie oder einen Stil zu erkennen, Absprachen wurden nicht eingehalten oder vergessen. Mittlerweile hat sich da aber auch etwas getan, es gibt einen offenen und ständigen Dialog, der von beiden Seiten gut angenommen wird. Für die kommenden Jahre hoffen wir natürlich, dass sich genau diese Sachen gut entwickeln, man auf einer gegenseitigen Vertrauensbasis arbeitet und gemeinsam Dinge in den Blick nimmt. Wir wollen beispielsweise auch eine „AntiDiskriminierungs AG“ ins Leben rufen, in der Fans und Verein zusammen für einen inklusiven und bunten Fußball und ein offenes Stadionklima arbeiten. In der Kurve wäre es natürlich ebenfalls optimal, wenn wir in diese Richtung weiterarbeiten und enger für gemeinsame Ziele zusammenrücken. Es gibt noch so viel zu tun bei uns in der Kurve, im Stadion, im Verein, das könnte man gar nicht alles aufzählen. Aber wir sind gewillt, Dinge anzupacken.

Leipziger Spruchbänder beim Spiel in Glasgow. (Foto: privat)

Leipziger Spruchbänder beim Spiel in Glasgow. (Foto: privat)

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Die Saison der Leipziger verläuft geprägt von Höhen und Tiefen. Der vierte Platz hinter den Borussen und München dürfte euch zufrieden stimmen, die Spielweise und -ergebnisse sind aber wechselhaft, was zuletzt die Niederlage in Freiburg zeigte. Wie beurteilt ihr insgesamt die bisherige Bundesligasaison des Vereins? Wohin kann die Reise noch gehen?

Eine gewisse Ambivalenz ist sicherlich nicht zu verneinen. Allerdings spielen wir durch die lästige EL-Quali und die damit einhergehenden sechs zusätzlichen Spiele auch schon ein wenig länger und die Mannschaft hat knapp 30 Pflichtspiele absolviert. Das verlangt den Spielern natürlich allerhand ab, gerade auch bei der schmalen Kaderstärke. Nachdem die Mannschaft mit einer Niederlage, einem Unentschieden und einem Sieg in die Saison gestartet war, kamen dann die Salzburg-Niederlage im Hinspiel und anschließend zehn Spiele ohne Niederlage. Das war schon beachtlich, was die Spieler da aus sich herausholten. Danach gab es zumindest auswärts keine Punkte mehr. Im Dreisamstadion in Freiburg geriet man dann völlig unter die Räder, den Spielern gelang es nahezu keinen einzigen Ball zu erobern. Dennoch sollten wir alle mit dem vierten Platz hochzufrieden sein und uns darüber freuen, dass wir so weit oben stehen. Ich glaube, dass wir nach dem 34. Spieltag nicht weiter oben stehen, aber hoffe doch, dass es dafür reicht, in der nächsten Saison wieder international zu spielen. Wer träumt nicht davon, quer durch Europa zu reisen?

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Vor der Saison hat man sich entschieden, mit Ralph Hasenhüttl nicht zu verlängern. Da der Wunschtrainer Julian Nagelsmann erst zur kommenden Spielzeit frei wird, sitzt in dieser nun Ralf Rangnick auf der Bank. Wie beurteilt ihr diesen Prozess und seine aktuelle Arbeit?

Das war schon ganz schön absurd, dass man eine Woche vor dem Trainingsstart in die neue Saison keinen Cheftrainer hatte. Nicht einmal die Spieler wussten, wer es denn werden würde. Ralph Hasenhüttl war ein absoluter Publikumsliebling, er war extrem beliebt und sein Abschied tat weh, sorgte in Teilen auch für Unverständnis und Wut. Als Sportdirektor ist Ralf Rangnick sicherlich unter den meisten Fans sehr beliebt, als Trainer scheint er allerdings nicht so recht anzukommen. Allerdings kam ja auch aus Mannschaftskreisen immer wieder die Aussage, dass man sich für das Übergangsjahr eine zentrale Rolle von Rangnick innerhalb des Teams wünscht. Dass Ralle am Ende selbst Cheftrainer wird, überrascht kaum. Mit Robert Klauß hat er einen aus der 2009er Mannschaft von Leipzig in die Position Co-Trainer behoben, das ist schon eine coole Sache. Klauß war zuvor U19 Coach und glänzte bei den Trainerlehrgängen als Klassenbester. Es sind eher Aussagen Rangnicks, die immer wieder für Unverständnis sorgen. Nach der Niederlage in der EL in Salzburg verriet Rangnick, dass sich innerhalb der Mannschaft gerade keiner mit der EL beschäftigen würde und sie quasi keine Bedeutung hätte. Nicht nur unglaublich arrogant gegenüber allen Clubs, die es einmal schaffen, international zu spielen, sondern auch ein Schlag ins Gesicht aller Fans, die ihre Mannschaft durch die Quali-Runden und die Gruppenphase hinweg begleiteten. Dass dann zum letzten Spieltag gegen Trondheim zuhause gerade einmal knappe 20.000 Menschen ins Stadion kommen, obwohl die Mannschaft noch weiterkommen kann, sollte ihn nicht allzu sehr wundern. Alles in allem sind wir relativ froh, wenn Rangnick wieder von der Trainerbank verschwindet und sind gespannt, wie die Ära Nagelsmann beginnt.

Timo Werner hat Hunger. (Foto: privat)

Timo Werner hat Hunger. (Foto: privat)

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In der Europa League ist die Mannschaft in der Gruppenphase gescheitert. Zudem hat sie beide Spiele gegen RB Salzburg verloren. Wie sehr schmerzt das frühe Aus – und welche Lehren kann der Verein daraus ziehen?

Selbstverständlich ist es immer scheiße und tut weh, wenn man verliert oder ausscheidet, gar keine Frage. In unserer Gruppe vor allem ein überflüssiges und unnötiges Ausscheiden, das vermeidbar gewesen wäre. Allerdings haben wir ja diese Saison durch die Qualifikation bereits zwölf internationale Spiele gehabt. Es dürften gerne noch mehr sein, der Geldbeutel wird sich als einziger freuen, dass wir ausgeschieden sind. Die ganze internationale Saison war sicherlich für die Mannschaft extrem kräfteintensiv und anstrengend, es ging weit durch Europa und kreuz und quer. Gerade die Qualifikation spielte man ja am Stück in sechs Wochen runter. Die Lehre, die man daraus ziehen kann, ist sicherlich, dass es wesentlich stressfreier ist, sich direkt zu qualifizieren. ;)

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In der Liga hat Leipzig zuletzt wie angesprochen ungewöhnlich hoch gegen Freiburg verloren. Zuvor gab’s den souveränen Sieg gegen Gladbach, davor allerdings auch eine Niederlage in Wolfsburg. Würdet ihr dem Team eine Auswärtsschwäche attestieren? Woher kommen die aktuellen Wackler in der Defensive?

Auswärts scheinen wir diese Saison tatsächlich nicht so recht in die Spur zu kommen. Das fing ja schon zu Beginn der Saison an, als man keines der Auswärtsspiele während der EL-Quali gewinnen konnte und immer unentschieden spielte. In der Bundesliga gelang es nur in Berlin und Hoffenheim, zu gewinnen. Das sind dann natürlich aber auch gleich wieder sechs Punkte, mit denen du nicht unbedingt fest rechnen würdest. International konnte man einzig und allein das Spiel in Trondheim für sich entscheiden, dafür auch recht deutlich. In Glasgow und Salzburg gab es für die Rasenballer nichts zu holen. Ja, irgendwie scheint es auf den fremden Plätzen nicht so zu laufen, das lässt sich ja relativ schnell erkennen. Aber vielleicht läuft es ja in der Rückrunde besser und die Mannschaft bessert die Statistik auf. Dann können wir am Saisonende noch einmal darüber sprechen, ob man es nun Auswärtsschwäche nennt oder nicht. In der Bundesliga steht man allerdings mit den wenigsten Gegentoren da. Sicherlich auch ein großer Verdienst von Gulácsi, der gerade in dieser Saison noch einmal über sich hinauswächst, extrem stark spielt und in Leipzig der absolute Publikumsliebling ist. Die Wackler in der Defensive sind ja meistens auch auf ein schlechtes Individualverhalten zurückzuführen, wie man in Freiburg sehen konnte. Gerade auch das Comeback von Halstenberg nach seiner schweren Verletzung lief gut und er konnte sofort eine tragende und wichtige Rolle im Spiel übernehmen. Saracchi, der erst seit Beginn der Saison bei uns ist, spielte vor allem in der EL-Quali gut auf und zeigte ordentlich Einsatz und seine Stärken im offensiven Spiel. Wenn Upamecano und Konaté ihre volle Stärke abrufen und das Duo in der Innenverteidigung bilden, gehören sie für mich zu den stärksten auf ihrer Position in der Bundesliga. Bei beiden darf man auch nicht vergessen, dass sie zusammen immer noch jünger sind als Buffon alt ist – das nur am Rande. 

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Vor heimischem Publikum hat Leipzig die zurückliegenden drei Bundesligapartien gewonnen. Welche Spielweise erwartet ihr am Sonntag und worauf sollte 05-Coach Sandro Schwarz seine Mannschaft einstellen? Wie lautet euer Ergebnistipp?

Für die 05er wird es am Sonntag sicherlich eine schwere Nummer werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Leipziger ähnlich wie gegen Gladbach wieder im 4-3-3 starten, um die spielerische Dominanz zu übernehmen. Wenn das gelingen sollte und frühzeitig ein paar Tore fallen, ist es aber auch durchaus denkbar, dass Rangnick schnell umstellt. Hinten wird man alles darauf ausrichten, wieder einmal zu Null zu spielen und die Mainzer damit um den dritten Auswärtssieg in Folge zu bringen. Tippen wir mal ein schönes 2:0.

KOMPAKT
RB Leipzig ist der beste Club der Welt, weil… wir den Segen von Rainer Callmund haben! 
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist… die unschlagbare und zentrale Lage mitten in der Stadt!
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig… Jeremy Karikari!
Wer Leipzig besucht, sollte… das Flair der Stadt spüren und dafür am besten mittags ein Mettbrötchen am Lindenauer Markt genießen!
Besonders lecker essen Gästefans… in der Waffenverbotszone im Leipziger Osten oder bei Pizza Roma und Aspendos direkt auf der Jahnallee am Stadion.

Vielen Dank für das Gespräch!

Kerstin Weber hat den Namen „Schobbeschachtel“ vorgeschlagen. (Foto: Mainz 05)

Kerstin Weber hat den Namen „Schobbeschachtel“ vorgeschlagen. (Foto: Mainz 05)

LETZTE WORTE
Ist es ein Hasestall? Ist es die Narhalla? Es ist eine… Schobbeschachtel. Bitte was? Auswärtige Fußballfreunde werden sich vielleicht künftig verwundert die Augen reiben, wenn sie von der vorübergehenden kneip-esken Heimat der Fans in Mainz lesen. Schobbeschachtel?

Der Name für das Fanzelt passt aber irgendwie schon ziemlich perfekt, schließlich beschreibt er nicht nur die klassische Mainzer Weinschorle mit 4/5 Riesling und einem Schlückchen Wasser, er erinnert zudem an die schmerzlich vermisste Kultkneipe „Schachtel“ , in der jeder Stadiongänger über 35 in seiner wilden Jugend irgendwann einmal versackt ist.

05-Gegnerbetrachtung: Alles aus Liebe für die Fortuna

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal beantwortet mir die fantastische Sue Rudolph meine Fragen zu Fortuna Düsseldorf und Frauen im Fußball.

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Liebe Sue, ich freue mich sehr, mit dir vorm Spiel der Mainzer in Düsseldorf über Fußball zu reden. Danke, dass du dir die Zeit nimmst. Zu Anfang ein Standard: Wie und wann hast du dich in Fortuna 95 verliebt? Und welche Phase mit dem Club hat dich besonders geprägt?

IMG_20170413_023633Als ich in den Kindergarten ging, wohnte neben mir ein sehr netter junger Mann, der mir meinen ersten Fußball und mein erstes Trikot schenkte. Sein Name war Gerd Zewe… Am meisten geprägt hat mich wahrscheinlich der Widerspruch zwischen der Euphorie der sportlichen Erfolgsphase unter Norbert Meier mit den vielen Aufstiegen und der Enttäuschung über das unehrenhafte Verhalten der damaligen Vereinsführung gegenüber verdienten Spielern und Mitarbeitern angesichts des folgenden sportlichen Misserfolgs sowie gegenüber der aktiven Fanszene in Bezug auf die 12:12 Proteste gegen das Sicherheitskonzept der DFL.

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In den vergangenen 22 Jahren wurde Düsseldorf zunächst von der ersten bis in die Oberliga durchgereicht, schaffte es dann bis zurück in die erste Liga, stieg nach einer Saison direkt ab – und ist jetzt wieder im Oberhaus. Was bleibt da vom Nervenkostüm als Fan übrig?

Wie heißt es doch so schön: Wer Fortuna liebt, braucht im Leben nichts mehr zu fürchten. Man lernt, an das Unmögliche zu glauben und weiß, dass alles, was passieren kann, auch irgendwann passieren wird. So sind wir mental mittlerweile auf fast alle Katastrophen gut vorbereitet und retten uns im Zweifel mit einer gehörigen Portion Selbstironie. Wir sind eben Fortuna, wir können alles – außer Fußball… ;D Hinzu kommt ein durch die langen Jahre des vereinsinternen Klüngels, unfassbar schlechter Entscheidungen und systematischen Misswirtschaften gewachsenes, (mittlerweile wieder) gesundes Misstrauen gegenüber Motiven und Versprechungen der Vereinsführung – gepaart mit einem erhöhten Bedürfnis nach Transparenz und Kontrolle der Vereinsgeschäfte durch die Mitglieder.

Die Fans von Fortuna Düsseldorf feiern den Aufsteig. (Foto: Peter Schneider)

Die Fans von Fortuna Düsseldorf feiern den Aufsteig. (Foto: Peter Schneider)

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Man könnte meinen, die erste Liga sei für Fans das höchste der Gefühle. Als Fortuna letzte Saison der Aufstieg „drohte“, wollten aber nicht alle Anhänger wirklich aufsteigen. Wieso? Und habt ihr euch mittlerweile wieder ans Oberhaus gewöhnt?

Die zweite Liga gibt einem wenigstens noch das Gefühl, dass es primär um Fußball geht. Sie kommt noch ein klein wenig ehrlicher daher und hat sich noch nicht ganz so weit von der „normalen“ Wirklichkeit des Fußballs entfernt. In der ersten Liga geht es gefühlt nur noch um Geld, sie treibt die Kommerzialisierung auf den Gipfel, ist mehr Schein als Sein und gespickt mit seelenlosen Plastikclubs. Als der Spielplan rauskam und ich sah, dass unser zweites Spiel gegen die Dosen und das dritte gegen Hoffenheim sein würde, habe ihn direkt wieder zugemacht und gewünscht, wir würden stattdessen gegen Sankt Pauli spielen.
Die größte Sorge der Aufstiegsskeptiker ist aber wahrscheinlich, dass den Verantwortlichen der Erfolg (wieder einmal) zu Kopf steigen könnte und/oder sich der Verein eines Tages dem finanziellen Druck der Bundesliga beugen und unsere Seele für den Erfolg verkaufen würde. Diese Sorge äußerte sich auch in den Satzungsänderungsanträgen der letzten Jahre, die unser Fortbestehen als mitgliedergeführter e.V. zementiert haben. Hinzu kommt, dass wir die wichtigsten Punkte unserer Identität für die nächsten Generationen noch einmal schriftlich in einer Leitlinie und Handlungsmaxime festgehalten haben, der „Fortuna-DNA“.

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Du bist eindeutig Stadionfan, sprich, du schaust die Spiele nicht auf der heimischen Couch, sondern vor Ort, zumeist auch auswärts. Wie wuppst du das zeitlich?

Mal besser und mal schlechter – man muss Fortuna schon einiges oder ehrlicher Weise alles im Leben unterordnen. Dank der Spieltagszerstücklung und meiner diversen ehrenamtlichen Verpflichtungen blieben in den letzten Jahren oft keine Urlaubstage mehr für Urlaub übrig. Hinzu kommt, dass der größte Teil der Arbeit von aktiven Fangruppen und Organisationen ja nicht an den Spieltagen stattfindet, sondern die wenige verbliebene Restfreizeit bestimmt. Sei es das Schreiben für das Stadionheft, die Organisation von Fanturnieren, Kneipenabende, Vorträge, Workshops, Arbeitsgruppen mit dem Verein, Tifo und vieles mehr.
Dafür lernt man viele wunderbare Menschen kennen und lieben, für die Fußball viel mehr als ein Produkt oder Ergebnissport ist. Die ihn nicht konsumieren, sondern leben und lieben. Mit denen gemeinsam man Banden bilden, Dinge verändern und Gutes tun kann. Man gründet quasi seine eigene Fußball-Familie, die einem in guten wie in schlechten Zeiten zur Seite steht. Freunde und Angehörige außerhalb des Fußballumfelds kommen dabei leider fast immer zu kurz.

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Ob und inwieweit Stadien als Wohlfühlorte taugen, wird in einigen Medien leidenschaftlich diskutiert. Wir beide werden uns da glaube ich schnell einig: tun sie. Gibt es trotzdem auch Situationen, die dich nerven? Welche speziellen Erfahrungen machst du als Frau im Block?

20180513_123006Die meisten schlechten Erfahrungen im Fußballumfeld habe ich bislang durch Repression gemacht. Polizeiwillkür und -gewalt sind für Auswärtsfahrer leider trauriger Alltag. Dazu kommen oft noch dumme, sexistische Sprüche von Polizisten, etwa wenn man als Frau im Kessel nicht vor aller Augen in den Mittelkreis pinkeln will oder auch von Ordnern, wenn man auf Missstände im Block hinweist. Und dass es selbst in der ersten Liga kaum ein Verein gebacken bekommt, ausreichend weibliche Ordner für die Sicherheitskontrollen oder auch nur Frauentoiletten zur Verfügung zu stellen, nervt ebenfalls ungemein.
Innerhalb des Blocks bewege ich mich meist im relativ geschützten Umfeld meiner Bezugsgruppe bei den Ultras, die sich aktiv gegen jede Art von Diskriminierung innerhalb und außerhalb des Stadions einsetzt. Da wir meist im eigenen Bus an- und abreisen, muss ich mich beim Fußball aber zum Glück nur selten mit den dummen Sprüchen, unangenehmen Anmachen oder gar Übergriffen auseinandersetzen, denen man (nicht nur) als Frau bei jeder Art von Massenveranstaltung regelmäßig ausgesetzt ist. Karneval ist im Vergleich schlimmer. Wenn es doch mal dazu kommt, habe ich die besten Erfahrungen damit gemacht, den oder die Verursacher direkt deutlich und lautstark in ihrer eigenen Sprache anzupöbeln und ihnen wenn möglich weder die Kontrolle, noch die Deutungshoheit über die Situation zu überlassen. Bloß nicht klein machen oder kuschen, dass schreit „Opfer“ und weckt Jagdinstinkte.

Orgateam

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Aktuell tourt die Ausstellung „Fan.Tastic Females – Football Her.Story“, in der weibliche Fans und ihre Geschichte(n) porträtiert werden, durch Deutschland. Du gehörst zum Projektteam. Kannst du ein bisschen was darüber erzählen, was die Ausstellung so besonders macht?

Obwohl es von Anfang an auch Frauen in den Fußballstadien gab, waren sie häufig nicht erwünscht und blieben in der Berichterstattung meist unerwähnt oder wurden auf Bildern nicht gezeigt. Bis heute sind es nur äußerst selten Frauen, die in Büchern, Filmen, Interviews oder Dokumentationen über Fußball und Fußballfans ihre Geschichten erzählen oder gar im Mittelpunkt existierender Fan- und Fußballlegenden stehen. Wir wollten das ändern und weibliche Fankultur endlich einmal jenseits der typischen medialen Stereotype so zeigen, wie sie wirklich ist. Die Geschichten der vielen großartigen Frauen im Fußball erzählen. Vorbilder schaffen, die andere Frauen inspirieren und es der nächsten Generation leichter machen, selbstbewusst und selbstverständlich ihren Platz auf der Tribüne einzunehmen. Und nachdem sich viele aktive Fußballfans unter der Federführung von „Football Supporters Europe“ über Jahre unermüdlich in ihrer Freizeit für ihre Realisierung eingesetzt haben, wurde aus der Idee das DIY-Ausstellungsprojekt „Fan.Tastic Females – Football Her.Story“.
IMG_3984In den letzten eineinhalb Jahren sind Teams von Freiwilligen durch ganz Europa gereist, um mit weiblichen Fans von Kutten bis Ultras, Frauen in Führungspositionen und nationalen Fannetzwerken zu sprechen. Von Norwegen bis Italien, von Frankreich bis Russland – sogar Frauen aus den USA und dem Iran kommen zu Wort. Sie alle erzählen von ihrer Liebe und Leidenschaft für den Sport, ihrem Weg auf die Tribünen, ihren großartigsten, eindrucksvollsten, aber auch weniger schönen Momenten im Fußball. Das Ergebnis sind über 80 Minivideos von Fußballfrauen aus 21 Ländern, welche sich per QR-Code scannen lassen und auf dem Mobiltelefon oder Tablet angeschaut werden können. Die bislang einzigartige multimediale Ausstellung erweckt die ganze Vielfalt und Farbenfreude von Frauen in Fankurven zum Leben, informiert über ihre Historie und zeigt die Realitäten weiblicher Fankultur im Fußball ganz unverfälscht aus der Perspektive der Protagonist*innen – ohne den üblichen erhobenen Zeigefinger.

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Das Beispiel Ronaldo zeigt, wie Fußball als Männerwelt zusammensteht: Kathryn Mayorga wirft ihm vor, er habe sie vor neun Jahren anal vergewaltigt, die Zivilklage läuft. Niemand sollte ihn natürlich vorverurteilen, aber wie Club, Fans undsoweiter ihm zur Seite stehen, kommt eigentlich einer Vorverurteilung Mayorgas gleich. Was, glaubst du, können wir als Frauen tun, um die männliche Dominanz im Fußball gemeinsam weiter aufzubrechen?

Puh, da schlägst Du jetzt aber einen gewaltigen Bogen, dem angemessen zu folgen den Rahmen dieses Artikels bei weitem sprengen würde. Meiner Ansicht nach hat der Umgang mit dem Fall Ronaldo in Medien und Gesellschaft nicht primär etwas mit Fußball zu tun. Vielmehr hat er die gleichen gesamtgesellschaftlichen Ursachen wie die Wahl eines Mannes zum obersten Richter der USA, obwohl ihm glaubhaft Vergewaltigung vorgeworfen wird. Sowohl Deutschlands aktueller Innenminister Seehofer, als auch Kanzlerkandidat Merz haben gegen die Strafbarkeit von Vergewaltigung in der Ehe gestimmt. Und auch die #MeToo Bewegung hat wieder einmal gezeigt, wie häufig Männer in Machtpositionen noch immer täglich sämtliche Grenzen überschreiten und wie selten Frauen, die dieses Verhalten anzeigen, Gehör oder gar Glauben geschenkt wird. Feminismus ist meiner Ansicht aber auch keine reine Frauensache. Wir können die Welt nur alle gemeinsam nachhaltig verändern – miteinander, nicht gegeneinander.
IMG_20170521_150901Dass der Fußball nicht die Ursache aller Probleme ist, enthebt ihn aber keinesfalls der Verantwortung, ein Teil der Lösung zu sein. Vereine müssen Handlungsstrategien gegen sexualisierte Gewalt entwickeln und ihre Mitarbeiter für das Thema sensibilisieren. An Spieltagen müssen niedrigschwellige Anlaufstellen und Schutzräume für Betroffene geschaffen werden. Und vor allem müssen Ordner und Sicherheitskräfte auch in dieser Hinsicht viel besser geschult werden. Es muss ein Klima des Vertrauens geschaffen werden, in dem Betroffene sicher sein können, ernst genommen zu werden und bei Bedarf sofort Hilfe zu erhalten. Um Fußballfankultur gleichberechtigter zu machen, müssen meiner Ansicht nach zunächst die im Fußball aktiven Frauen sichtbarer werden. Wenn wir Banden bilden und uns gegenseitig unterstützen, unsere Stimmen erheben und uns unsere Freiräume erobern, kann man uns nicht mehr marginalisieren oder als zu vernachlässigende Randerscheinung abtun. Das „Fan.Tastic Females“-Projekt ist ein gutes Beispiel dafür. Und damit meine ich nicht (nur) die Ausstellung an sich. Insbesondere die daraus hervorgegangene Vernetzung der vielen verschiedenen Frauen, der intensive Austausch und die große Solidarität aller Beteiligten untereinander, war und ist eine unglaubliche Quelle der Kraft und Inspiration. Niemand ist mehr die eine Frau unter Männern, die sich oftmals zwischen ihrer Weiblichkeit und der Anerkennung der Gruppe entscheiden musste. Wir sind laut, wir sind viele – und wir sind ein Gewinn für jede Fanszene. FRAUEN IN DIE KURVE, DAMIT DIE KURVE LEBT!

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Lass uns einen großen Bogen zurück zu Fortuna Düsseldorf schlagen. Nach einem guten Start und einem ausgedehnten Zwischentief läuft es für die Mannschaft ergebnistechnisch aktuell richtig gut. Wie zufrieden bis du mit dem ersten Saisondrittel?

Man hätte sicherlich in dem einen oder anderen Spiel mehr Punkte sammeln können, aber bis auf die schmerzlichen Niederlagen gegen Nürnberg und Wolfsburg kann ich mit dem bisherigen Saisonverlauf eigentlich ziemlich gut leben. Wobei mich auch die in Stuttgart verschenkten Punkte noch immer ein wenig wurmen. Dass Zieler ausgerechnet gegen uns auf einmal den Torwartgott raushängen lassen muss, nehme ich schon ein wenig persönlich.
Dass dem von Dir angesprochenen vielversprechenden Beginn mit gutem Auftakt gegen Augsburg, einem mehr als verdienten Punkt in Leipzig und dem ersten Sieg gegen Hoffenheim ausgeprägte Schwächephase folgte, die in der 7:1 Klatsche in Frankfurt gipfelte, ist typisch für Fortuna. Nicht umsonst wird unsere Göttin unter der Hand auch schon mal launische Diva genannt. Die zuletzt wieder sehr guten Partien mit einem Sieg gegen Berlin und einem Punkt in München zeigen aber, dass sich die Mannschaft weiterentwickelt und den Kopf nicht in den Sand steckt. Der Teamgeist stimmt, die Jungs glauben an sich, kämpfen bis zur letzten Sekunde und beweisen in fast jedem Spiel eine große Moral. Der Klassenerhalt ist auf jeden Fall drin – und der Pokalsieg selbstverständlich auch noch nicht unmöglich.

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Friedhelm Funkel führt die Mannschaft als Aufstiegstrainer nun durch die erste Liga. Er galt lange als klassischer Feuerwehrmann. Wie sehr kann er eine Mannschaft auch entwickeln? Und wie sehen ihn die Düsseldorfer Fans?

Funkel besitzt durch den Aufstieg sicherlich einen Bonus bei Fans und Vereinsführung. In dem Zwischentief wurden allerdings bereits auch die kritischen Stimmen gegenüber seiner Person in Düsseldorf lauter. Er besitzt wie Du auch ansprichst nicht gerade den Ruf, junge Spieler zu fördern und Mannschaften auf hohem Niveau weiter zu verbessern und entwickeln zu können. Bei Fortuna sitzen jetzt aber auch nicht reihenweise kommende Superstars auf der Bank und warten vergeblich auf ihren Einsatz. Junge Spieler wie Dodi Lukebakio haben unter seiner Führung eine kometenhafte Entwicklung durchlaufen und er stellt seine Jungs bislang immer gut auf den nächsten Gegner ein. Die Spielweise ist variabel und das System flexibel. Die Suche nach einem neuen Sportvorstand, der ihn bei der Weiterentwicklung der Mannschaft unterstützen könnte, ist so gut wie abgeschlossen und der Verein will sich in der Winterpause weiter verstärken.

Die Fortuna ist wieder da. Für ihre Fans war sie eh nie weg. (Foto: Peter Schneider)

Die Fortuna ist wieder da. Für ihre Fans war sie eh nie weg. (Foto: Peter Schneider)

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Wie stark war der Umbruch im Team nach dem Aufstieg? Bist du der Meinung, dass man sich ausreichend und klug verstärkt hat? Wo zeigen sich inzwischen vielleicht Schwachstellen und ist der Klassenerhalt für die Fortuna realistisch?

Ob man sich ausreichend verstärkt hat, wird sich noch zeigen, da wichtige Schlüsselspieler aufgrund des Endes ihrer Ausleihe wieder abgegeben werden mussten. So fehlt zum Beispiel Florian Neuhaus als kreativer Spielgestalter im Mittefeld noch immer schmerzlich und konnte bisher nicht gleichwertig ersetzt werden. Das liegt aber auch daran, dass sich ein Verein mit der Finanzkraft von Fortuna Düsseldorf Spieler seines Formats schlicht nicht leisten kann. Wir müssen auf den Einsatz und die Entwicklung junger Spieler setzen, die sich bei uns erst noch beweisen müssen. Das ist jedoch immer mit einem gewissen Risiko verbunden, da ihre Leistung natürlicher Weise noch schwankt. Die Scouting Abteilung hat angesichts ihrer Möglichkeiten ganze Arbeit geleistet und die Neuzugänge wurden schnell und gut in die Mannschaft integriert. Die Stimmung im Team war von Anfang an gut und die Jungs glauben an sich und ihre Stärke. Mit etwas Glück können wir an einem guten Tag jeden schlagen. Trotz der bereits angesprochenen positiven Verstärkung durch Dodi Lukebakio offenbaren sich bei uns und vor allem im Sturm immer wieder Schwachstellen. Die Mannschaft spielt sich viele gute Chancen heraus, die dann immer wieder am Abschluss scheitern. Takashi Usami etwa fehlt sichtlich die Unterstützung seines Buddies Haraguchi, er hat sich jedoch gefangen und zeigt in den letzten Spielen eine ansteigende Formkurve. Über Marvin Ducksch brauchen wir in diesem Zusammenhang wohl eher nicht reden, Grüße an unsere Freunde vom Millerntor. Mit passenden Verstärkungen in der Winterpause halte ich den Abstieg aber weiterhin für durchaus vermeidbar. Wir sind Fortuna, wir können alles – auch Klassenerhalt.

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Nach dem Unentschieden gegen die Bayern empfängt das Team die 05er sicher mit breiter Brust. Andererseits konnten die auswärts ausgerechnet in Freiburg gewinnen, nachdem der SC bei den Bayern einen Punkt entführt hatte. Was für ein Spiel erwartest du? Worauf sollte Sandro Schwarz seine Mannschaft einstellen? Und welches Ergebnis tippst du?

Mainz wird in Düsseldorf wahrscheinlich mit ähnlicher 4-4-2 Formation wie beim letzten, bislang aber auch einzigen Auswärtssieg der Saison auflaufen. Nachdem Fortuna beim letzten Heimspiel die Hertha aus der Arena geschossen hat, brauchen wir uns vor Mainz ganz gewiss nicht zu verstecken. Nach dem Unentschieden in München erwarte ich ein ausgeglichenes, kampfbetontes Spiel mit ähnlicher taktischer Ausrichtung beider Teams. Letztendlich werden sich die Fortunen aber mit etwas Glück durchsetzen und gemeinsam einen glorreichen 2:1 Heimsieg feiern. Auf ein gutes Spiel!

KOMPAKT
Fortuna Düsseldorf ist der beste Club der Welt, weil… wir für einen Aufstieg niemals unsere Seele verkauften und als mitgliedergeführter e.V. alle gemeinsam gewinnen oder verlieren.
Was ich an unserem Stadion besonders mag, ist… die wunderschöne Lage direkt am Rhein und die gute Sicht von allen Plätzen.
Meine ewigen Lieblingsspieler sind eindeutig… Gerd Zewe und Jens Langeneke.
Wer Düsseldorf besucht, sollte unbedingt… die urigen Altbierbrauereien besuchen und dat leckere Dröppke probieren.
Besonders lecker essen Gästefans in… den vielen ausgezeichneten japanischen Restaurants in Düsseldorf.

Vielen Dank für das Gespräch!

Für das Spiel der Herzen gegen Hannover werden noch Pinverkäufer gesucht. (Foto: Mainz 05)

Für das Spiel der Herzen gegen Hannover werden noch Pinverkäufer gesucht. (Foto: Mainz 05)

LETZTE WORTE
Am 9. Dezember steht nicht nur das vorletzte Heimspiel der Saison an für den 1. FSV Mainz 05, es ist auch das Spiel der Herzen. Dafür werden noch Helfer gesucht. Unterstützt beim Pin-Verkauf und meldet euch unter spielderherzen@supporters-mainz.de bei den Supporters.

05-Gegnerbetrachtung: Die Magie des Christian Streich

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal spreche ich mit Philipp Schneider über seine Liebe zum SC Freiburg.

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Hallo Philipp! Danke, dass du dir heute Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Deine Twitter-Biografie verrät über dich, dass du nicht nur selbst gegen den Ball kickst, sondern auch Trainer im Südbadischen Fußballverband bist. Spielst du noch und wen trainierst du?

IMG-20160221-WA0003Hallo Mara! Ja, das stimmt, ich spiele für die Sportfreunde Ittendorf/Ahausen, das ist ein Kreisligist am Bodensee. Dort trainiere ich auch die zweite Herrenmannschaft. Ich habe vor einem Jahr meine Fußballtrainer-Lizenz absolviert und habe enorm Spaß daran, mit einer Mannschaft zu arbeiten.

2
Wir sprechen heute über das anstehende Spiel der Mainzer am Wochenende in Freiburg. Wie bist du Fan des SC geworden? Und gibt es Ereignisse oder Phasen, die dich besonders geprägt haben in deiner Beziehung zum Verein?

Ich komme aus dem Schwarzwald, da gab es in der Schule nur Bayern-, Stuttgart- oder Freiburg-Fans. Da wir mit der Familie oft in Freiburg waren, wurde ich Fan des SC. Nachdem ich nach Freiburg gezogen bin, wurde meine Leidenschaft für den SC Jahr für Jahr größer und seit 2009 habe ich eine Dauerkarte. Ich wohne zwar inzwischen am Bodensee, sehe aber trotzdem ungefähr 30 Spiele pro Saison im Stadion. Nach Ende der Hinrunde werde ich, wenn alles klappt, 300 Spiele des SC im Stadion gesehen haben. Da waren natürlich einige Highlights dabei. Der Aufstieg in Koblenz, die Europapokal Qualifikation in Fürth, Auswärtsspiele im Europapokal, aber auch die Spiele in der zweiten Liga vor drei Jahren, haben mich einfach an diesen Verein gebunden.

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Du gehörst zum Team des „Füchsletalk“, einem Fußballpodcast, der sich mit dem SC Freiburg beschäftigt. Wer ist außer dir dabei? Wie habt ihr zusammengefunden? Wie oft und wo kann man euch hören? Und sendet ihr live oder nehmt ihr vorab auf?

FuechsletalkAußer mir dabei sind Sven, Michael, Hans-Peter und Dominik. Die vier anderen machen das schon ein bisschen länger zusammen. Ich habe sie fleißig gehört und dann via Twitter Michael kennengelernt, der mich mal eingeladen hat. Ich war erst einmal dabei und wurde danach fester Bestandteil des Teams. Wir nehmen eine Sendung pro Monat auf, die man bei Meinsportpodcast.de (ehemals Meinsportradio.de) hören kann. Wir nehmen die Sendungen immer im Voraus auf und veröffentlichen Sie meistens ein Tag später.

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Kannst du uns ein bisschen was zur Sendung selbst verraten? Wie bereitet ihr euch inhaltlich vor? Gibt es feste Rubriken? Was ist euch besonders wichtig? Und besteht auch ein direkter Kontakt zu den Vereinsverantwortlichen oder Spielern?

Also, wir halten das meist spontan. Themen, die anstehen, wie die Mitgliederversammlung, Transfers oder die allgemeine Situation des Vereins, werden besprochen. Michael moderiert die Sendung und fragt uns im Prinzip nach unserer Meinung. Soweit ich weiß, besteht kein direkter Kontakt zum Verein, es kann aber sein, dass es bei einem der anderen vier anders ist.

Die Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 verlief ereignisreich. (Foto: WP)

Die Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 verlief ereignisreich. (Foto: WP)

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Bei der Mitgliederversammlung des 1. FSV Mainz 05 wurde heiß diskutiert, ob die Löschung aus dem Vereinsregister drohen könnte, wenn die Profiabteilung nicht ausgegliedert wird. Auch der SC Freiburg ist nach wie vor eingetragener Verein. Wie aktuell ist das Thema dort?

Das ist für die Fans des SC ein sehr wichtiges Thema. Der Großteil der Fans will ein e.V. bleiben. Das ist ein Thema, das mir am Herzen liegt, bin ich doch kein großer Freund der aktuellen Entwicklung im Fußball und sehr froh, dass es noch Ausnahmen wie Freiburg und Mainz gibt. Die Thematik, wie sie die Mainzer jetzt hatten, ist in Freiburg sehr interessiert beobachtet worden. Auch in Freiburg macht man sich Gedanken, wie es weitergeht, sollte man gezwungen werden, auszugliedern.

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Football Leaks, Ausgliederung und zerstückelte Spieltage sind nur einige der Themen, die Fans aktuell mal wieder beschäftigen. Dazu mehren sich die Stimmen derer, die das Wort „Fußballromantiker“ fast als Beschimpfung nutzen und die Entfremdung klaglos hinnehmen. Wohin steuert der Fußball und was bedeutet das für Vereine wie Freiburg oder Mainz?

Der Fußball steuert in eine Richtung, die nicht gut für die Menschen sind, die aktiv am Verein teilhaben und viele Spiele besuchen möchten. Dass Vereine mit viel Geld aus dem Nichts in die Bundesliga kommen, wird eines Tages dazu führen, dass Vereine wie Freiburg oder Mainz nicht mehr in dieser Liga spielen können, sollten sie nicht auch einen großen Geldgeber finden.

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Vor der Begegnung mit Mainz 05 am 11. Spieltag steht Freiburg mit 13 Punkten auf Platz 10 der Tabelle. Wie zufrieden bist du ganz grundsätzlich mit diesem Zwischenstand?

Ich bin sehr zufrieden. Nach einem holprigen Start wurde nur noch eines der letzten acht Spiele verloren. Der SC ist breiter aufgestellt als in der letzten Saison und die jungen Spieler entwickeln sich sehr gut weiter. Man hat sich ein kleines Polster erarbeitet vor den Abstiegsplätzen, was ein schönes Gefühl ist. Schade war das vermeidbare Ausscheiden im Pokal.

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Christian Streich musste in dieser Saison einige Spiele wegen Rückenproblemen aussetzen. Was glaubst du, wie sehr hat er als Typ der Mannschaft in dieser Zeit gefehlt? Wären diese Partien in seiner Anwesenheit erfolgreicher verlaufen?

Ich glaube, Streich hat sehr mit seiner Ansprache gefehlt. Die Co-Trainer haben das gut gemacht, aber Streich ist einfach ein Typ, der extrem schwer zu ersetzen ist. Ich glaube allerdings, dass die ersten Spiele auch mit ihm verloren worden wären. Ein Trainer kann viel beeinflussen, aber mangelnde Chancenverwertung und individuelle Fehler kann auch ein Christian Streich nicht ändern.

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Der Trainer ist längst zum unverwechselbaren Gesicht des Vereins geworden, sportlich, aber auch, weil er sich immer wieder klar gesellschaftlich und politisch positioniert. Wie siehst du seine aktuellen Sympathiewerte bei den Fans? Ist Streich unersetzlich?

Ich glaube, Christian Streich ist das Gesicht dieses Vereins und die Fans mögen ihn extrem. Er ist ein Trainer, der über den Tellerrand hinausblickt und einfach schon ewig da ist. Streich identifiziert sich mit dem SC und hat sportliche Erfolge. Im Moment gibt es keinen besseren Trainer für diesen Verein.

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Zuletzt hat Freiburg in München einen Punkt gegen die Bayern geholt. Wie ist das dem Team gelungen und war es für dich die bisher schönste Partie der Saison? Und war es die perfekte Antwort auf das Pokalaus in der Vorwoche?

Es war eine sehr ereignisreiche Woche. Der Sieg gegen Mönchengladbach, das war für mich das schönste Spiel der Saison. Ich war bei allen Spielen der englischen Woche im Stadion und das Aus in Kiel kam nach dem Gladbach-Spiel überraschend. Aber Kiel hat dem SC mit Kampf und Wille Paroli geboten, so wie es der SC jede Woche in der Bundesliga probiert. München war ein Highlight. Ein Ausgleich in der 89 Minute ist immer emotional, aber dann auch noch in München, das war schon sehr schön.

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Welches der bisherigen Saisonspiele des SC spiegelt deiner Meinung nach am besten wider, wie die Freiburger grundsätzlich spielen wollen? Worauf muss Mainz 05 sich am Samstag im Breisgau einstellen und was ist dein Tipp fürs Spiel?

Ich denke, das Spiel gegen Gladbach. Der SC will aus einer guten Defensive heraus schnell nach vorne spielen. Mainz muss sich auf viele Zweikämpfe und sehr viel Laufarbeit des SC einstellen. Nils Petersen fällt leider aus. Ich denke, es wird ein sehr enges Spiel. Ich tippe seit Jahren 2:1 für den SC, egal, gegen wen und wo sie spielen, einfach in der Hoffnung, dass ich richtigliege.

KOMPAKT
Der SC Freiburg ist der beste Club der Welt, weil… der SC aus wenig viel macht.
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist… dass das Stadion so eng ist. Und die Lage!
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig… Nils Petersen.
Wer Freiburg besucht, sollte unbedingt… mal ‘ne Rote am Münster essen.
Besonders lecker essen Gästefans… im San Marino.

Vielen Dank für das Gespräch!

Leandro Barreiro hat bei Mianz 05 seinen ersten Profivertrag unterschrieben. (Foto: Mainz 05)

Leandro Barreiro hat bei Mianz 05 seinen ersten Profivertrag unterschrieben. (Foto: Mainz 05)

LETZTE WORTE
Für den 1. FSV Mainz 05 waren die zurückliegenden Tage in vielerlei Hinsicht positiv. Nicht nur, dass der Verein am letzten Wochenende zuhause gegen SV Werder Bremen endlich wieder einen so heiß ersehnten Dreier einfuhr, parallel wurde auch weiter an der langfristigen Kaderplanung gebastelt. 05-Sportvorstand Rouven Schröder verlängerte den Vertrag mit Jonathan Burkardt vorzeitig bis 2022 und stattete Leandro Barreiro mit seinem ersten Profivertrag aus. Beim Vertrag des bisherigen Leispielers Aarón Martín griff mit seinem zehnten Saisoneinsatz die Kaufoption und der Verein bindet ihn bis 2023.

05-Gegnerbetrachtung: Kontinuität meets Kontinuität

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal verrät mir Gisela Schneider ihren Blick auf Borussia Mönchengladbach.

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Liebe Gisela, danke, dass du dir die Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Du schreibst im Blog Teilzeitborussin auch und vor allem über dein Verhältnis zu den Fohlen. Deine Liebe zum Verein kam erst fast per Geburt, ruhte dann lange und entflammte neu. Erzähl mal!

TZB_GravatarDie passendste Beschreibung für die Art, wie sich die Borussia in mein Leben geschlichen hat, ist wohl Osmose. Ich erinnere nicht, dass mir als Kind jemand aktiv von der Borussia – oder auch vom Fußball generell – vorgeschwärmt oder mich sonstwie zu missionieren versucht hätte. Beide waren nur einfach immer da. In der Vereinskneipe, die mein Großvater führte. Im Dorf, in dem jeder Nicht-Borussiafan namentlich bekannt war und sich beim sonntäglichen Frühschoppen entsprechende Frotzeleien anhören durfte. In den Gesprächen, im Radio, im (damals noch limitierten) Fernsehprogramm. Wir Kinder waren alle beim Fußball dabei und wir waren alle Borussiafans. Es gab einfach keinen anderen Verein.
Als Teenager war ich öfter mit meinem Vater im Stadion, konvertierte dann jedoch zu seinem Erschrecken zum VfB Stuttgart – hauptsächlich, weil ich leidenschaftlicher Fan von Asgeir Sigurvinsson war. Die Meisterschaft 1984 war damals das Größte für mich. Danach ebbte mein Fußballinteresse jedoch ab. Das Niveau des Spiels insgesamt sank, die Nationalmannschaft, für die ich mich auch immer interessiert hatte, riss nichts mehr, ich zog zu Hause aus und meine studienbedingte neue Heimatstadt dümpelte in der damaligen Oberliga vor sich hin. Das alles ließ mein Interesse am Fußball ziemlich erlahmen.
Wiederbelebt wurde das erst, als ich nach dem Studium wieder an den Niederrhein zog und damit auch wieder den Bezug zur Borussia und die ständige Begegnung mit ihren Fans hatte. Mittlerweile gab es das Pay-TV und so hockte ich Spieltag um Spieltag mit meinem Vater vor dem Fernseher und schaute mir das Gladbach-Spiel an. Das war etwa Anfang der Nullerjahre, als die Borussia gar nicht gut dastand. Vermutlich kam dadurch auch meine Schwäche für Underdogs ins Spiel und ich hatte das Gefühl, man müsse dem Verein jetzt den Rücken stärken. Das steigerte sich mit dem zweiten Abstieg 2007 noch mal. Ab ungefähr dieser Zeit würde ich mich als ernsthaften Borussia-Fan bezeichnen. Zum Glück berappelte sich der Verein dann schnell und ich hatte das Glück, seitdem einige sehr schöne Jahre mit meinem Club erleben zu dürfen.

Blog

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Dein Blog heißt Teilzeitborussin und auch auf Twitter bist du mit diesem Namen unterwegs. Was bedeutet er für dich?

Ursprünglich eine spontane Eingebung bei der Suche nach einem Namen für ein Tippspiel, hänge ich mittlerweile tatsächlich sehr an diesem Namen und betrachte ihn ein bisschen als mein Leitbild. Das drückt auch meine Formulierung „Nicht nur, aber auch Fußballfan“ aus, die in meiner Twitter-Bio zu finden ist. Der Name drückt für mich perfekt die verschiedenen Rollen in meinem Leben – und gewissermaßen auch Facetten meiner Persönlichkeit – aus. Mein Büroalltag an der Kö in Düsseldorf ist sehr weit weg von meinem Stadion-Ich und fängt mich wieder ein, wenn ich mich am Wochenende zu sehr über den Fußball aufgeregt habe. Und der Stadionbesuch oder der Fußballschnack am Stammtisch erden mich, wenn ich Gefahr laufe, die Kö für das wahre Leben zu halten. Von allem etwas, aber nichts im Exzess – diesen Spagat mag ich und versuche ihn für mich positiv zu leben.

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Von den Aufs und Abs deines Vereins hast du in den letzten Jahrzehnten fast alle irgendwie mitgemacht, manche intensiver, manche aus größerer Entfernung. Was hat dich und dein Verhältnis zu dem Verein besonders geprägt?

Mich haben wie oben beschrieben erst die letzten circa zehn Jahre so richtig geprägt, ich bin auch erst vor relativ wenigen Jahren in den Verein eingetreten. Das Wichtigste für mich war dabei weniger der Erfolg als vielmehr die Kontinuität – im Personal, in der Vereins- und Spielstrategie und in den Werten. Zu wissen, mit welchen Akteuren ich es auf Vereinsseite zu tun habe und in etwa einschätzen zu können, wie sie agieren werden, gibt mir ein beruhigendes Gefühl. Trainerkarussells, Aktionismus, unberechenbar zwischengrätschende Investoren – das sind Dinge, die mich nervös machen.

Borussia Mönchengladbach ist ein Verein, bei dem sich das Trainerkarussell selten dreht. (Foto: WP)

Borussia Mönchengladbach ist ein Verein, bei dem sich das Trainerkarussell selten dreht. (Foto: WP)

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Im Blog schreibst du, die Borussia schaffe es, „aus eher suboptimalen Standortfaktoren (relativ kleine Stadt, Grenzgebiet, große etablierte Konkurrenz in unmittelbarer Nähe) viel herauszuholen und kontinuierlich auf Erst- oder Zweitliganiveau zu agieren. Mit Vereinen wie Uerdingen oder Essen und Duisburg in der Nachbarschaft sieht man immer wieder, dass das keine Selbstverständlichkeit ist.“ Was ist in deinen Augen das Geheimnis dieses Erfolges?

Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Natürlich kann ich die üblichen Verdächtigen ins Feld führen: der rechtzeitige Stadionneubau, geschicktes Agieren der sportlichen Leitung und der Geschäftsführung, kluge Außendarstellung durch prominente Vorstandsfiguren, die stets ein geschlossenes Bild präsentieren. Aber ich kenne die anderen genannten Vereine zu wenig, um ihnen diese Dinge pauschal abzusprechen und ich möchte auch nicht der Versuchung erliegen, unsere Erfolgsstory vom Ende her zu interpretieren. Es hätte auch bei uns alles anders kommen können – nicht zuletzt 2011, als Stefan Effenberg mit der ‚Initiative Borussia‘ eine Revolution anzetteln und den Einstieg von Investoren ermöglichen wollte. Vielleicht hatten wir ja auch nur Glück. Oder genügend veränderungsunwillige Mitglieder, wie ich es heute bin, die diese Aktion nicht mittragen wollten.

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Ein Thema, mit dem du dich zuletzt häufiger intensiv beschäftigt hast, ist der Videobeweis. Hast du für dich ein Fazit oder eine persönliche abschließende Meinung dazu gefunden?

Auf diese Frage habe ich zwei Antworten. Zum einen war, bin und bleibe ich gegen den Videobeweis, unabhängig von seiner konkreten Umsetzung. Das hat mit dem eigentlichen Videobeweis gar nichts zu tun, sondern mit meiner großen Begeisterung dafür, was ich die „Echtzeit“ nenne. Damit meine ich das unmittelbare Liveerlebnis – üblicherweise im Stadion – und die flüchtige Unwiederbringlichkeit des Augenblicks. Den Moment nicht zurückholen, eine Entscheidung nicht revidieren und in keiner Weise nachkarten zu können, das hat für mich einen ganz besonderen Zauber, über den ich auch schon mal gebloggt habe. Man muss halt in diesem einen Moment hinschauen und Acht geben, wenn es keine Wiederholung geben kann. Und man muss den vergangenen Moment abhaken und weitermachen – ganz so, wie die Spieler selbst ja auch. Ich wurde schon mal darauf hingewiesen, dass ich damit strenggenommen auch gegen jegliche Wiederholung und Zeitlupe sein muss, und ja: das bin ich. Ich hasse die ewige Wiederholung von Szenen im TV und das nicht enden wollende Diskutieren und Nachkarten auf den ‚Experten‘-Sofas oder in einem Medium wie Twitter. Wann immer ich merke, dass eine solche Debatte eskaliert, versuche ich, mich da so zügig wie möglich rauszuziehen.
Die zweite Antwort lautet, dass mir der arme kleine Videobeweis mittlerweile fast schon leidtut. Die Last an Erwartungen, die diese Einrichtung auf ihren Schultern tragen muss – daran kann sie doch nur scheitern. Mehr Gerechtigkeit, mehr Eindeutigkeit, keine Fehler mehr – was wurde nicht alles zuvor geschrieben und hernach geschimpft. Gerade in der letzten Saison hatte ich das Gefühl, dass umstrittene Entscheidungen mit Videobeweis noch hasserfüllter als zuvor diskutiert wurden. Vielleicht ist es mal an der Zeit, dass jemand eine Lanze bricht für den armen Videobeweis. Er ist nicht perfekt, aber auch nicht der Untergang des Abendlandes.

Die Fans des FSV haderten in Spielen gegen Gladbach zuletzt häufiger mit dem VAR. (Foto: Rheinhessen on Tour)

Die Fans des FSV haderten in Spielen gegen Gladbach zuletzt häufiger mit dem VAR. (Foto: Rheinhessen on Tour)

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Die vergangene Saison hat Gladbach mit 47 Punkten auf Platz 9 außerhalb der europäischen Ränge beendet. Vor dem 8. Spieltag lag man mit 11 Punkten auf Rang 7. Aktuell reichen 14 Punkte für Platz 3, als Bonbon wurde das Spiel gegen die Bayern gewonnen. Hättest du so einen guten Auftakt von der Mannschaft erwartet?

In Sachen Punkte und Tabellenplatz hatte ich gar keine Erwartung formuliert. Der Tabellenplatz scheint in den letzten Jahren mehr davon abzuhängen, was der Wettbewerb macht, als von uns selbst. Und diese Art von Ausbeute ist mir persönlich auch ziemlich unwichtig. Wichtiger ist mir, wie wir spielen, womit ich sowohl die Schönheit des Spiels und den Stil als auch die wahrgenommene Einstellung der Mannschaft und einen erkennbaren Plan des Trainers meine.
Ich war vor der Saison sehr neugierig auf das neue System und auch auf unsere Neuzugänge, aber auch etwas unsicher, ob daraus neuer Schwung entstehen kann. Ich glaube, ich kann mich über keinen der genannten Aspekte beklagen. Es wirkt, als hätte Dieter Hecking die ganze Mannschaft einmal durchgewirbelt und abgestaubt; nicht nur die Neuen haben klasse eingeschlagen, auch die etablierten Spieler spielen zum Teil neue Rollen und zeigen ganz neue Facetten. Es ist wie eine Frischzellenkur für alle. Bislang gefällt es mir meistens großartig.

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Die guten Jahre mit Trainer Lucien Favre lassen einen, finde ich, manchmal vergessen, dass er Gladbach 2011 vom letzten auf den Relegationsrang führte und den Abstieg verhinderte. Wie nimmst du das im Umfeld wahr, sind die Erwartungen in dieser Zeit gestiegen und wird ein Tabellenplatz vorausgesetzt, der den europäischen Wettbewerb bedeutet?

Mein Umfeld ist diesbezüglich sehr heterogen und ich nehme eine große Bandbreite von Meinungen wahr. Der eine Teil ist ziemlich geerdet und erwartet keine Wunderdinge von einer Mannschaft, die sich kontinuierlich erneuert, Jahr um Jahr große Abgänge klug kompensieren muss und immer auch mit jungen Spielern agiert, die noch Fehler und Formschwankungen zeigen.
Aber es gibt auch einige, die die Tiefstapelei satt haben und fordern, man solle endlich selbstbewusster, auch aggressiver seine Ziele formulieren. Ich kann diese Position auch verstehen, obwohl ich ihr selber nicht anhänge. In der letzten Saison glaubte man doch eine gewisse Bräsigkeit in der Mannschaft zu erkennen, ein Einlullen und Zufriedengeben mit dem Minimalziel angesichts widriger (Verletzungs-)Umstände. Ich kann nachvollziehen, dass der Eine oder Andere glaubt, man könne das Team mit mehr Aggressivität in der Zielsetzung vielleicht mehr kitzeln.
Und dann gibt es noch die ewigen Grantler im Dorf und auf der Gegengerade, die auch nach dem Bayernsieg gemeckert haben und vermutlich sogar noch ein Haar in der Suppe finden würden, wenn diese in einer Meisterschale serviert würde. Für sie ist das Meckern wohl Lebensphilosophie, entsprechend gleichmütig versuche ich sie zu nehmen. Das gelingt mal mehr, mal weniger gut.

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Nach Favres Rücktritt wurde André Schubert Gladbach-Trainer, auf ihn folgte im Dezember 2016 Dieter Hecking. Aus der Entfernung wirkte er lange wie eine Interimslösung, vielleicht, weil man bei ihm oft das Gefühl einer gewissen Distanz zu seinem Team vermutet. Tue ich ihm damit unrecht? Wie schätzt du ihn ein, was seine Leidenschaft und Arbeit angeht?

Trainer Dieter Hecking ist schwer einzuschätzen. (Foto: Jan Heimerl - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)

Trainer Dieter Hecking ist schwer einzuschätzen. (Foto: Jan Heimerl – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0)

Ich finde Dieter Hecking auch schwer einzuschätzen, er kommt oft verschlossen rüber und seine Äußerungen in den Medien oder in Pressekonferenzen gehen selten über Vorhersagbares hinaus. Ihm fehlt auch die Strahlkraft anderer Trainer, auf die sich die Medien gerne stürzen.
Man hört, er soll im persönlichen Umgang ganz anders sein, aber da kenne ich ihn leider nicht. In einem Podcast-Interview, das ich gehört habe, wirkt er tatsächlich deutlich offener, sehr persönlich und humorvoll und vor allem ehrlich, zielstrebig und geradeaus. Das sind für eine Führungskraft und Lehrperson ja keine schlechten Eigenschaften. Wenn er diese im direkten Umgang mit den Spielern zeigt, dann ist mir sein Auftreten in der Öffentlichkeit im Vergleich dazu auch ziemlich wumpe.

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Max Eberl feiert am 19. Oktober sein zehnjähriges Jubiläum als Sportdirektor bei der Borussia. Und das, obwohl er mit fast jedem Verein in Verbindung gebracht wird, bei dem diese Stelle vakant ist. Wie wichtig ist diese Kontinuität für den Verein? Und welcher Transfer war für dich in all der Zeit sein größter Coup?

Ich bin persönlich großer Fan von Max Eberl und habe ja schon erläutert, wie wichtig mir persönlich Kontinuität ist. Am Ende einer Saison zu wissen, man wird mit demselben Personal auch in die nächste gehen, das ist total beruhigend. Man kann Pläne schmieden fürs nächste, fürs übernächste Jahr: was wird Eberl machen, wenn Raffael aufhört, wenn Hazard oder Sommer weggehen sollten? Es macht mich ungemein froh, mich darauf verlassen zu kennen, dass er solche Themen mit einem längerfristigen Plan verfolgt und zum richtigen Zeitpunkt da ist, um Maßnahmen zu ergreifen.
Sein größter Coup war für mich kein Ein- sondern ein Verkauf, nämlich der von Granit Xhaka. So viel Geld auf einen Schlag für einen einzelnen Spieler: der Wahnsinn. Was du davon alles bezahlen kannst – und dabei denke ich weniger an neue Spielereinkäufe, sondern vor allem auch an die Infrastrukturmaßnahmen am Stadion und das Abbezahlen der Schulden vom Stadionbau. Wir werden in absehbarer Zeit diese Schulden getilgt haben und selbst Eigentümer des Stadions sein. Und das, auch ohne dass die Namensrechte verkauft wurden. Das finde ich eine große Sache.

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Wie zufrieden bist du mit euren Transfers in der Sommerpause? Auf welche Spieler sollten die Mainzer am Sonntag besonders achten und wer könnte den Unterschied machen?

Ich fände es gar nicht so übel, wenn ihr auf gar keinen Spieler besonders achtet. Nein, Scherz beiseite, natürlich muss Alassane Pléa hier zuerst genannt werden, weil er sicher unser auffälligster Neuzugang und immer für ein Tor gut ist. Was dabei zuletzt auch sehr beeindruckt hat, ist die Unvorhersehbarkeit seiner Tore und Torschüsse. Es gelingt ihm immer wieder, Gegner damit zu überraschen. Auf diesen Effekt hoffe ich natürlich am Sonntag auch. Mehr Unberechenbarkeit war eines der Dinge, die ich mir vor der Saison gewünscht hatte, und die bringt er auf jeden Fall mit. Auch sehr gefreut hat mich die Rückkehr von Florian Neuhaus aus der Leihe in Düsseldorf, und dass er sich nahtlos ins Team eingefunden hat. Er spielt schon ganz schön abgebrüht im offensiven Mittelfeld.
Zwei neue Gesichter, die mich besonders gefreut haben, die in den Medien aktuell aber keine so große Rolle spielen, sind die beiden jungen Außenverteidiger, Jordan Beyer und Andreas Poulsen. Auf beiden Seiten, rechts wie links, waren wir jahrelang schlecht aufgestellt und ich bin froh, dass wir dort jetzt junge neue Spieler sehen. Aber über die müsst ihr euch für Sonntag sicherlich keine Gedanken machen, dort spielt aktuell noch das etablierte Personal. Wie oben schon kurz erwähnt, sind diese Saison aber nicht nur die Neuzugänge ein veränderter Faktor, sondern auch, dass Spieler, die schon länger dabei sind, in anderen Rollen oder mit veränderter Interpretation ihrer Aufgaben unterwegs sind. Wer das ist und wie sie das lösen, verrate ich aber nicht.

Was erwartet Mainz 05 im Borussia Park? (Foto: Meenzer on Tour)

Was erwartet Mainz 05 im Borussia Park? (Foto: Meenzer on Tour)

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Welche(s) System(e) lässt Dieter Hecking aktuell spielen? Wie flexibel stellt er um? Hat die Mannschaft schon verinnerlicht, was der Trainer von ihnen will? Und wird die Partie wieder vom VAR geprägt? Hust… Im Ernst, was für ein Spiel erwartest, welches Ergebnis tippst du?

Wir haben ja vor Beginn der Saison auf das 4-3-3-System umgestellt und es erscheint über weite Strecken schon ziemlich gut eingespielt. Da scheinen Spieler und Trainer ihre Hausaufgaben in der Sommerpause gemacht zu haben. Größere Umstellungen dieses Systems habe ich bislang noch nicht gesehen, es scheint eher so, dass die Spielweise innerhalb desselben Systems immer wieder anders interpretiert wird, entweder durch den Einsatz anderer Spielertypen (vor allem im Mittelfeld) oder dadurch, dass der gleiche Spieler seine Position anders wahrnimmt. Am auffälligsten war das wohl im Bayern-Spiel, wo wir trotz gleicher Formation auf dem Papier ganz anders gespielt haben als in den Spielen zuvor.
Die beiden nächsten Spiele – gegen Mainz und Freiburg – sind für mich echte Prüfsteine. Beides sind Clubs, gegen die wir in den letzten Jahren schon echt alt ausgesehen haben und mit deren Spielweise wir uns oft schwer tun. Zu sehen, ob das neue System und der neue Schwung daran etwas ändern, ist mir wirklich wichtig. Erst danach würde ich mir eine Erwartungshaltung für den Rest der Hinrunde zutrauen. Diese Spiele sind mir wichtiger als das Bayern-Spiel.
Am Sonntag erwarte ich ein Spiel ähnlich wie das gegen Augsburg, mit einem Gegner, der extrem unangenehm zu bespielen ist und versucht, genau das schnelle, präzise Passspiel zu unterbinden, das wir am liebsten spielen. Wie wir diese Aufgabe lösen, wird bestimmen, wie es ausgeht. Ich denke, dass es sehr eng wird und das Spiel in die eine wie in die andere Richtung kippen kann. Ich bin auf jeden Fall gespannt wie ein Flitzebogen.

KOMPAKT
Die Borussia ist der beste Club der Welt, weil … sie genauso unaufgeregt mittelmäßig und stabilitätsorientiert ist wie ich.
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist … die Lautstärke, die sich dort entwickeln kann. Die Akustik, gerade auch die Reflektion des Schalls auf das Spielfeld, wurde beim Bau berücksichtigt und das merkt man. Wenn die Bude brennt, knallt es dir das Trommelfell weg.
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig … kein Borusse. Asche auf mein Haupt.
Wer Gladbach besucht, sollte unbedingt … die Stadt links liegen lassen, sich ein Rad mieten und die schönen flachen Rad- und Feldwege am Niederrhein erkunden.
Besonders lecker essen Gästefans in … jedem Lokal, in dem es Muscheln rheinische Art gibt.

Vielen Dank für das Gespräch!

LETZTE WORTE
In dieser Woche feiern zwei ihre Geburtstage, die in der vergangenen Saison teilweise ordentlich einstecken mussten, sich dabei aber nicht aus der Ruhe bringen ließen: Coach Sandro Schwarz (40) und Sportvorstand Rouven Schröder (43). Alles Gute den beiden und es gilt auch weiterhin: Immer mit der Ruhe auf dem Mainzer Weg.

|| Vielen Dank an Rheinhessen on Tour und Meenzer on Tour für die Fotos. ||

05-Gegnerbetrachtung: (K)Ein Aufbaugegner für Schalke

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal beantwortet Nele Hüpper meine Fragen zum FC Schalke 04.

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Liebe Nele, herzlichen Dank, dass du dir die Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Du studierst in Marburg und arbeitest nebenher bereits als Sportjournalistin, unter anderem für das Magazin Philipp und die Webseite des DFB. Wann war dir klar, dass du diesen Weg gehen möchtest?

Nele HuepperSehr gerne doch! Über Bekannte habe ich die beiden Gründerinnen des Philipp-Magazins kennengelernt. Zu dem Zeitpunkt habe ich Germanistik auf Lehramt studiert, da lag es nahe, mich an dem Projekt zu beteiligen. Ich mochte Wörter, Katha und Leo mochten, wie ich schrieb – und so wurde ich Teil einer wunderbaren studentischen Redaktion. Über die Monate entwickelte sich ein unfassbar tolles Projekt, noch viel wichtiger war aber der Umstand, dass ich mich mit beiden sehr gut anfreundete, mit Katha zog ich schließlich auch zusammen. In meinem dritten Semester bekam ich mehr und mehr Probleme mit meinem Lehramtsstudium und haderte damit, mein Leben komplett im Bildungsbetrieb zu verbringen. Angetrieben durch das Philipp-Magazin schrieb ich inzwischen auch für Handball-World, ein Handball-Online-Magazin. Katha, die schon immer den Wunsch hegte, Journalistin zu werden, weckte irgendwas in mir, wenn sie von ihren Praktika erzählte. Also entschied ich mich, mein Lehramtsstudium hinter mir zu lassen und in Marburg Kulturwissenschaft zu studieren. Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft, um genau zu sein. Durch Glück, Zufall, Karma oder was auch immer bekam ich ein Jahr, nachdem ich mein Lehramtsstudium geschmissen hatte, ein erstes journalistisches Praktikum beim Radiosender NDR 1 Niedersachsen. Während der Olympischen Spiele 2016 habe ich den gesamten August im Landesfunkhaus in Hannover verbracht, und wenn ich nicht zu diesem Zeitpunkt schon verrückt genug nach „irgendwas mit Sportmedien“ gewesen wäre, spätestens nach diesem Praktikum war es um mich geschehen.

Arena auf Schalke: keine Waffen, keine Nazis. (Foto: Rheinhessen on Tour)

Arena auf Schalke: keine Waffen, keine Nazis. (Foto: Rheinhessen on Tour)

2
Frauen gelten im Sportjournalismus immer noch als Exotinnen, obwohl sich da in den letzten Jahren für mein Empfinden einiges getan hat. Du hast zur WM 2018 an einem Workshop der taz teilgenommen, der sich speziell an Frauen im Sportjournalismus richtete. Was hast du in dieser Zeit für dich mitnehmen können?

Das ist interessant, dass sich deiner Ansicht nach in dem Punkt etwas getan hat. Die „nackten Zahlen“ sagen etwas anderes: Beim Verband Deutscher Sportjournalisten sind laut JournalistInnenbund 10 Prozent der Mitglieder weiblich. Ein Wert, der sich von 2004 bis 2018 nicht verändert hat. Männer schreiben nun mal über Männer. Und Fußball. Was ich beim Workshop der taz gelernt habe (und was sich wahrscheinlich mit deiner Einschätzung deckt): Es geht vor allem um Sichtbarkeit und darum, sich gegenseitig zu unterstützen. Egal, ob als Frauen oder Männer. Ich habe das Gefühl, dass Sportjournalistinnen mehr in die Öffentlichkeit gehen, einfach sichtbarer werden und sich dadurch die Wahrnehmung verändert. Außerdem habe ich neben diesen Erkenntnissen neun andere, großartige Journalistinnen an verschiedenen Punkten ihrer Laufbahnen kennenlernen dürfen. Allein dafür hat der Workshop sich gelohnt. Über unsere Erfahrungen und Biographien zu reden war fast noch ein bisschen interessanter, als das Schreiben der Sonderbeilage. Natürlich war es auch schön, mal wieder ein Printprodukt zu produzieren.

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In Sachen Verband stellt sich natürlich die Frage, ob alle Frauen, die über Sport schreiben, auch Mitglieder werden. Aber gehen wir einen Schritt weiter: Wie würdest du deine Erfahrungen im Job bislang beschreiben? Empfindest du den Sportjournalismus tatsächlich als Männerdomäne? Wie gehen KollegInnen mit dir um, wie die Vereine, Auftraggeber oder Interviewpartner?

Tatsächlich habe ich noch nie wirklich schlechte Erfahrungen gemacht. Es fühlt sich komisch an, bei Pressekonferenzen die einzige Frau zu sein. Sportjournalismus ist eine Männerdomäne. Punkt. Was auch daran liegt, dass der Großteil des, ich sag mal, „interessanten“ Sports von Männern betrieben wird. Wenn wir über die Nationalmannschaft schreiben, meinen wir die der Männer im Fußball. Ich nehme mich da nicht raus, obwohl mein Interesse am Sportjournalismus ja eigentlich auch aus einer Randsportart kommt.
Von allen Kollegen wurde ich in meinen bisherigen Praktika stets mit Respekt behandelt. Auch von den Kolleginnen. Egal ob im Verein oder bei Interviews: Schlechte Erfahrungen habe ich noch nicht bewusst wahrgenommen. Oh, doch, da fällt mir etwas ein: Nach einem Handball-Bundesligaspiel wollte ich einen O-Ton von einem Nationalspieler holen, wie nach jedem Spiel. Ein älterer Print-Kollege stand schon da und hat fleißig mitgeschrieben, Fragen gestellt und Antworten bekommen. Bevor ich meine Frage stellen konnte, hat der Spieler mir auf die Schulter geklopft und ist einfach abgehauen. In der Situation habe ich mich vor allem über mich selbst geärgert, dass ich nicht etwas resoluter darauf gepocht habe, auch eine Frage stellen zu können. Solche Erfahrungen gehören dazu, daran muss man wachsen. Ein Kollege einer anderen Zeitung hat mir im Nachhinein erzählt, dass er ebenfalls von diesem Spieler stehengelassen wurde, am selben Spieltag wie ich.

Vier Tage, zehn Frauen: Journalistinnen-Workshop bei der taz. (Foto: Screenshot)

Vier Tage, zehn Frauen: Journalistinnen-Workshop bei der taz. (Foto: Screenshot)

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Deine Auslegung in Sachen „interessanten“ Sports finde ich total ungewöhnlich. Ich empfinde das anders und glaube, das hat viel mit Gewohnheit zu tun. Wer legt denn fest, was interessant ist und was nicht? Letztlich geht es auch da um Wahrnehmung. Und was die betrifft, steht die Bundesliga der Männer hoch im Kurs. Da gehört deine Liebe dem FC Schalke 04. Wie ist die Verbindung entstanden und was macht für dich den besonderen Reiz aus?

04 Worte zu Schalke: Heimat. Nordkurve. Familie. Bottrop. Okay, vielleicht noch ein paar Worte mehr: Schalke hat diesen tollen Werbeslogan. „FC Schalke 04. Wir leben dich.“ Das passt einfach, zum Verein und zum Umfeld. Meine Familie ist tief im Ruhrgebiet verwurzelt, obwohl ich mich selbst immer als „norddeutsches Kind“ bezeichne. Aus Hannover, wie ein Freund an dieser Steller gern zu sagen pflegt, aber für mich zählt das zu Norddeutschland. Genauso zählt für mich die Geschichte meiner Familie. Meine Großeltern wurden in Essen geboren, ein Großteil der Verwandtschaft wohnt in Bottrop. Die sind Schalke-Fans. Ich würde gern sagen, dass ich keine andere Wahl hatte, aber ich bin die einzige aus dem „Niedersachsen-Teil“, die sich überhaupt für Fußball interessiert. Als Kind mochte ich die Farbe blau am liebsten, also wurde ich Schalke Fan, weil ich wusste, ein Teil meiner Familie ist es auch. Meine Oma fand das gut, weil mein Opa RWE-Sympathisant war. So banal kann das manchmal sein.
Wirklich „angefixt“, es gibt kein besseres Wort dafür, wurde ich dann 2013. Ich weiß nicht mehr, welches Spiel das genau war, ich weiß nur noch, es war März und arschkalt. Ich saß mit zwei Freundinnen aus München (beide Bayern-Fans, aber Fußball generell nicht abgeneigt) im Oberrang, schräg gegenüber der Nordkurve, es hat gezogen wie Hechtsuppe. Der Nordkurve beim Singen zuzusehen, war fast noch toller, als zu versuchen, die kleinen Menschen auf dem Rasen zu identifizieren. Ich glaube, an dem Punkt war es endgültig um mich geschehen. Schalke hat dieses gewisse „je ne sais quoi“, von himmelhochjauchzend bis zu Tode betrübt kann man in einer Saison alle Emotionen mitmachen. Oder auch in einem Sommertransfer-Fenster. Mehrfach. Ich lebe diesen Verein. Mal mehr, mal weniger. Auch die Reise zum Europa League-Spiel nach Nizza 2016 gehörte dazu. Ich hab eine Karte ergattert, meine Freunde konnten oder wollten nicht mit. Also bin ich alleine nach Nizza. Aber so kitschig es klingen mag: Als Schalke- und als Fußball-Fan ist man niemals allein. Vor allem nicht bei Auswärtsfahrten.

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Schalke galt über Jahre als Synonym für Chaos. Als bekannt wurde, dass man den Mainzer Christian Heidel nach Gelsenkirchen holen will, gab es neben Zustimmung auch Gelächter, nach dem Motto: Was hat der schon geleistet. In Mainz wussten wir natürlich, diese Stimmen sind ahnungslos. Aber wie hast du das damals empfunden?

Schwierig. Ich war sehr überrascht. Genauso überrascht war ich übrigens, als Jens Keller im Oktober 2014 entlassen wurde. Ein sehr großer Fehler, zumindest empfinde ich das immer noch so. Vor allem wegen Roberto Di Matteo… Nun ja. Mit Christian Heidel konnte ich nicht viel anfangen, als er 2016/2017 zu Schalke gekommen ist. Wahrscheinlich, weil ich die Entwicklung von Mainz 05 so gut wie gar nicht auf dem Schirm hatte. Doch wenn man sich die unter Heidel anschaut, kann man mitnichten davon sprechen, dass er nichts erreicht hat.
Heidel entpuppte sich meiner Ansicht nach als Glückstreffer für S04, vor allem nach den doch erfolgreichen Jahren mit Horst Heldt. Auf „Hotte“ halte ich übrigens immer noch große Stücke, aber manchmal ist Veränderung richtig, für beide Seiten. Es kommt mir vor, als ob das alles gerade erst gestern passiert ist. Und doch fühlt es sich so an, als wäre Heidel schon immer da und würde alles in die richtigen Bahnen lenken. Heidel regelt halt.

Schalke-Vorstand Christian Heidel. (Foto: Karsten Rabas - Own work, CC BY-SA 3.0)

Schalke-Vorstand Christian Heidel. (Foto: Karsten Rabas – Own work, CC BY-SA 3.0)

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Das Gerücht wurde Realität und Heidel sagte Schalke zu. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, André Breitenreiter zu entlassen und Markus Weinzierl zu verpflichten, der nach nur einer Saison wieder gehen musste. Beerbt wurde er von Domenico Tedesco. Wie sortierst du die schnellen Wechsel nachträglich ein?

Uff. Wie nennt man dieses Karussel? Schalkig? Es passt zum Chaos-Mythos. Im Nachhinein bin ich sehr froh, dass alles gutgegangen ist. Wobei ich schon traurig über die Entlassung von Breitenreiter war. Er ist ein guter Trainer, der meiner Ansicht nach auch gut zu Schalke gepasst hat. Sehr offen, ehrlich im Umgang mit Medien und Spielern. Zumindest sah es von außen so aus. Der erste „Heidel-Trainer“ Markus Weinzierl macht aktuell durch Nachtreten gegen Schalke auf sich aufmerksam. Nun ja. Auch Weinzierl ist mit fünf Niederlagen in seine Bundesliga-Saison gestartet und er musste am Ende der Saison gehen. Es wäre schön, wenn sich mal so etwas wie Kontinuität auf dem Schleudersitz namens Trainerstuhl auf Schalke einstellt. Ich denke, mit Tedesco haben wir diese Kontinuität gefunden, trotz der fünf Bundesliga-Niederlagen zu Beginn.

7
In der ersten Saison unter Tedesco wurde Schalke Vizemeister. Die blauweiße Welt schien in Ordnung und viele bescheinigten Heidel, er ernte nun die Früchte seiner Arbeit. Aber wie gut waren die Transfers wirklich? Und wurde der zweite Platz nicht auch dadurch möglich, dass alle anderen unfassbar patzten?

Zu Beginn war ich super kritisch. Wie Fußball- und insbesondere Schalke-Fans es halt sind. Naldo? Zu alt. Stambouli? Bankdrücker bei PSG. Embolo? Schweizer Talent. Mehr auch nicht. Burgstaller? Zweitligastürmer, wie soll der uns in der Bundesliga helfen? Tja. Ich wurde und werde immer noch eines besseren belehrt. Die Entwicklung dieser Spieler, die ich jetzt exemplarisch genannt habe, hat mich sehr beeindruckt. Und ich hoffe, denke, bete, dass sich die Transfers der Saison 18/19 ähnlich entwickeln. Hamza Mendly und Suat Serdar passen in das Profil von Tedesco: jung und hochtalentiert. In der meiner Ansicht nach guten Mischung mit gestandenen Profis wie Oczipka, Naldo und Sané liegt die Stärke der Mannschaft von 18/19. Ich finde es auch ziemlich gut, dass Baba nach seiner Verletzung noch mal auf Leihbasis eine Chance auf Schalke bekommt. Natürlich merkt man wegen dieser Verletzten und wegen des Abgangs von Goretzka, dass irgendwas bei Schalke nicht mehr stimmt. Auch ein Thilo Kehrer fehlt. An dieser Stelle kann man durchaus auch Heidel und Tedesco kritisieren, dass der Kader vielleicht doch nicht breit genug ist.
In der Saison 2016/17 landete RaBa Leipzig mit insgesamt 67 Punkten, also 15 Punkten Abstand hinter den Bayern, auf dem zweiten Tabellenplatz, 2013/14 wurde der BVB mit 71 Punkten und 19 Punkten Abstand Zweiter hinter den Bayern. Ich denke, dass Schalke in der vergangenen Saiso, als man mit 63 Gesamtpunkten und 21 Punkten Abstand Vizemeister wurde, natürlich auch von Ausrutschern der Gegner profitierte. Wie alle anderen Vizemeister zuvor. Das ist einfach eine Entwicklung in der Bundesliga, an der nicht die Schalker Schuld sind, aber bei 04 wird es so hochstilisiert. Das mag an der Art und Weise gelegen haben, also wenig Offensivfußball und dreckige 1:0-Siege. Aber hey, mal wieder einen Titel zu gewinnen tut uns Schalkern gut. Auch wenn es nur die Vizemeisterschaft und „der schlechtester Zweiter aller Zeiten“ ist.

Mainzer Fans in der Arena auf Schalke. (Foto: Rheinhessen on Tour)

Mainzer Fans in der Arena auf Schalke. (Foto: Rheinhessen on Tour)

8
In der neuen Saison läuft es bisher maximal schlecht für den Verein. Nach fünf Spieltagen ist man mit null Punkten Tabellenletzter. Worin siehst du die Gründe für den Fehlstart? Wie viel Pech ist dabei, wie viel eigenes Unvermögen? Hat sich das in Vorbereitung irgendwie abgezeichnet, dass diese Saison Tedesco vor besondere Probleme stellen könnte?

Das ist jetzt nichts, was man nicht kennen würde, zum Beispiel aus der Weinzierl-Saison. Ich bin wirklich überfragt, warum es schon wieder nicht funktioniert. Die guten Menschen von FUMS haben zum Spiel in Freiburg getwittert Green Day habe angerufen: Wir sollten die Schalker mit aufwecken, wenn der September vorbei sei. Und sie haben einfach Recht. Natürlich ist da viel Pech dabei, trotzdem stimmt es in der Defensive nicht mehr, unsere eh nicht so stark besetzte Offensive kann das im Moment nicht auffangen. Wir haben in den ersten fünf Spielen so einige Treffer nach Standards kassiert. In der vergangenen Saison undenkbar. Und dann gegen Freiburg… Ralf. Ralle. Der ewige Fährmann, der Schalke im Blut trägt und der bei den Fans so hoch im Kurs steht, ausgerechnet dieser Ralf Fährmann, der Schalke in der vergangenen Saison so manches Mal den Hintern gerettet hat, der patzt. Und das in einer Situation, die wirklich unnötig war. Nicht nur aus dem Spiel heraus, auch in der der Gesamtsituation betrachtet. Ein 0:0 in Freiburg wäre nicht gut gewesen, aber besser als diese Niederlage.

Im Nachhinein ist es einfach, aus der Sommerpause dieses und jenes abzuleiten, ich bin kein Fan davon. Die Euphorie bei vielen Schalke-Fans (und bei mir persönlich) war mehr als vorhanden, inzwischen nehme ich alles mit Galgenhumor. Ganz wie Ikarus sind wir Fans einfach zu hoch in Richtung Sonne geflogen. Doch genug der Jammerei. Wenn jemand den Turnaround schafft, dann das Gespann Heidel/Tedesco. Davon bin ich fest überzeugt. Dass sie es mit dieser Mannschaft können, haben sie letzte Saison bewiesen, eine gute Platzierung werden sie auch diesmal schaffen. Und auch Ralf Fährmann wird gegen Mainz trotz des Patzers wieder im Tor stehen und gut sein. Wie immer, unser Ralf halt.

9
Liegt eine Mannschaft erstmal derart am Boden, wird auch der Kopf zum massiven Problem. Was muss Tedesco deiner Meinung nach tun, um die Spieler wieder aufzurichten? Traust du ihm diese Aufgabe zu? Was hältst du davon, dass einige Medien nun bereits schreiben, er sei „entzaubert“ und über seine Entlassung unken?

Domenico Tedesco (Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Domenico Tedesco (Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Wer, wenn nicht Tedesco? Der vor-der-Mannschaft-kniende-Derby-Unentschieden-Gewinner (Ich hätte Karten bekommen können und bin nicht hingegangen, ich ärgere mich heute noch) ist der Trainer, den Schalke braucht. Dass Tedesco entzaubert sei, halte ich für absoluten Quatsch. Ihn zu entlassen würde den Verein nur in Zeiten zurückwirbeln, die sich keiner wünschen kann. Ich bin trotz aller Unkenrufe überzeugt von Tedesco und der Mannschaft. Ich glaube nicht, dass in diesem Fall der Kopf das Problem ist. Wieder muss ich sagen: Es sieht von Außen nicht so aus, als würde in dieser Mannschaft etwas nicht stimmen. Keine Ahnung, was sich im inneren der Mannschaft und des Vereins abspielt. Die Mannschaft funktioniert als Ganzes neben dem Platz, das hat man im Trainingslager gesehen, als ein Fan Franco Di Santo beleidigt hat und die Mannschaft daraufhin reagiert hat. Auch der Ausraster von Di Santo nach dem Bayern-Spiel wurde intern aufgearbeitet und ist abgehakt. Jetzt muss diese positive Energie auch wieder auf dem Platz in Tore und Ergebnisse umgewandelt werden.
Die vergangene Saison hat gezeigt, dass Team und Trainer zusammenwachsen, ja sogar großartigen Offensivfußball spielen können, wie in Dortmund. Mentalität ist vorhanden und ich denke, Tedesco ist an dieser Stelle absolut richtig und gut für den Verein. Natürlich muss kritisch hinterfragt werden, warum dieser Fehlstart so (schon wieder) passiert. Und wenn sich nichts ändert müssen Konsequenzen gezogen werden. Doch der Auftritt gegen Porto und auch das Spiel in Freiburg mit vielen Chancen aber dem fehlenden Glück im Abschluss stimmen mich positiv. Schalke spielt wieder in der Champions League. Auch im DFB-Pokal sind wir nicht in der ersten Runde rausgeflogen. Natürlich kann das nicht der Anspruch eines Vereins wie Schalke 04 sein. Und trotzdem glaube ich, dass da von dieser Mannschaft noch einiges zu sehen sein wird.

10
Am Samstag ist Mainz zu Gast auf Schalke. Die 05er sind mit sieben Punkten aus drei Spielen gut in die Saison gestartet, mussten dann in Leverkusen eine Niederlage verkraften und haben sich zuhause gegen Wolfsburg ein Unentschieden erackert. Was für ein Spiel erwartest du von Schalke? Worauf müssen Sandro Schwarz und seine Jungs sich einstellen?

Vor allem auf eine volle, laute, kochende Veltins-Arena. Außerdem sollten die Mainzer sich auf eine kämpferische Schalker Mannschaft einstellen. Teams, die vermeintlich am Boden liegen (oder im Fall von Schalke auf dem letzten Tabellenplatz stehen) sind am gefährlichsten, denn sie haben am wenigsten zu verlieren. Ich denke nicht, dass es die spielerisch schönste Begegnung beider Mannschaften wird, ganz im Gegenteil. Ich rechne mit viel Kampf im Mittelfeld und zwei Mannschaften, die sich sehr beackern werden. Ich hoffe und bete, dass Tedesco irgendwas aus dem Hut zaubert, damit Schalke gewinnt.

Flutlichtspiel der Mainzer auf Schalke in der Vorsaison. (Foto: Meenzer on Tour)

Flutlichtspiel der Mainzer auf Schalke in der Vorsaison. (Foto: Meenzer on Tour)

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Wie ist dein Tipp fürs Spiel? Und wie der für den weiteren Saisonverlauf: Wird Schalke 04 die Liga überraschen und genug Geduld aufbringen, um mit Tedesco die Wende zu schaffen?

Weil ich ein positiver Mensch und Berufsoptimistin bin, tippe ich auf einen befreienden 3:0-Sieg, ähnlich wie am sechsten Spieltag 2016/17 gegen Gladbach. Da haben wir übrigens auch Zuhause gespielt. Ja, ich bin hoffnungslos optimistisch. Ikarus, Sonne und so. Zum weiteren Saisonverlauf: Wer, wenn nicht Tedesco?! Ein klares Ja. Ohne Einschränkungen. Diesen Vertrauensbonus haben er und die Mannschaft sich redlich erarbeitet. Jetzt müssen sie liefern. Und das werden sie.

KOMPAKT
Schalke 04 ist der beste Club der Welt, weil … Hey, es ist Schalke. Da stellt sich die Frage gar nicht.
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist … dass es bald komplett dem Verein gehört. Zumindest rechtlich ab Anfang 2019, wenn die letzte Rate bezahlt ist. Außerdem: Wie cool sind bitte die beweglichen Teile wie Rasen, Dach oder Südtribüne?
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig … Benedikt Höwedes. Oder Ralf Fährmann. Nein, beide!
Wer Gelsenkirchen besucht, sollte unbedingt … zur Zeche Nordstern fahren und sich den Nordsternpark angucken. Ich habe dort erst richtig verstanden, was „Glück Auf!“ für die Region und die Stadt der 1.000 Feuer bedeutet.
Besonders lecker essen Gästefans im … Süden der Stadt, im Steakhaus Witte. Aber auch rund um den Schalker Markt gibt es die ein oder andere kulinarische Entdeckung zu machen. Und sei es ein Veltins im Schalke-Ambiente.

LETZTE WORTE
Kaum startet dein Verein gut in die Saison, wird nach Abpfiff schon wieder auf deutlich höherem Niveau gemeckert. Gut und wichtig, dass Trainer Sandor Schwarz und seine Mannschaft nach dem torlosen Unentschieden gegen Wolfsburg unter der Woche in die selbstkritische Analyse gehen. Die Fans dürfen sich aber ruhig freuen über das Wissen, letzte Saison hätte man eine derartige Partie vermutlich in einem unachtsamen Moment verloren. Oder wie Jürgen Klopp einst eine Weisheit des ewigen Wolfgang Frank an seinen Spieler Schwarz übermittelte: Wenn man eine Partie schon nicht gewinnen kann, darf man sie zumindest nicht verlieren.

Gewonnen hat am Mittwochabend ganz offensichtlich ein junger Mann, der von Klaus Hafner während des Spiels aufgerufen wurde: Er ist Vater geworden. Glückwunsch an die ganze Familie!

|| Vielen Dank an Rheinhessen on Tour und Meenzer on Tour für die Fotos. ||