05-Gegnerbetrachtung: Die Krise in Leverkusen verlängern

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins. Diesmal beantwortet Bastian Hahne meine Fragen rund um Bayer 04 Leverkusen.

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Bastian HahneHallo Bastian, danke, dass du dir Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Verrate den Lesern doch bitte erstmal etwas über dich: Was hast du für eine Verbindung zu Bayer Leverkusen? Und wie lange existiert die schon?

Ich bin seit Mitte der 90er Leverkusen-Fan. Das ist damals aus räumlicher Nähe (Bergisch Gladbach) und über Freunde so gekommen. Mein erstes Spiel im Stadion war das 1:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern am letzten Spieltag der Saison 1995/96. Und das hatte es bekanntlich in sich. Nach dem 1:0 von Pavel Kuka war der Bayer abgestiegen, doch Markus Münch rettete uns mit seinem Ausgleichstreffer in der 82. Minute. Grenzenloser Jubel, Platzsturm nach dem Spiel – das hinterlässt einen bleibenden Eindruck auf einen Teenager. Seitdem haben der Verein und ich einiges erlebt. Einen weiteren Fast-Abstieg, haufenweise Vize-Titel, zwei verlorene DFB-Pokalendspiele und ein verlorenes Champions-League-Finale. So bitter das auch klingen mag, waren es doch unvergessliche und schöne Zeiten.

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Stichwort Werksclub: Leverkusen ist ein Verein, der außerhalb der eigenen Fankreise nicht gerade als spannend gilt. Interessiert dich dieses Image? Gibt’s in deinen Augen überhaupt Vereine in der Bundesliga, die grundsätzlich elektrisieren? Und gab es die je?

Das kommt ganz drauf an, in welchen Kreisen man verkehrt. Klar sind wir vielen Fans der sogenannten Traditionsvereine ein Dorn im Auge durch den Bayer-Konzern im Rücken, der natürlich einen gewissen Vorteil darstellt. Auch wenn es längst nicht vergleichbar mit RB Leipzig oder 1899 Hoffenheim ist. Ein Traditionsverein sind wir dagegen auch, immerhin ist kein aktueller Bundesligist außer Bayern und Dortmund länger am Stück in der 1. Bundesliga als Leverkusen. Und das sind jetzt immerhin schon 40 Jahre. Zudem bekommt man von den reinen Fußball-Liebhabern immer wieder Anerkennung für den guten Fußball, der in Leverkusen gespielt wird. Diesen Ruf hat man sich damals unter Christoph Daum erarbeitet und den haben wir bis heute, auch wenn Spielzeiten mit ganz fiesem Fußball dazwischenliegen.

Dimitar Berbatow im Mai 2016. (Foto: Biser Todorov – Eigenes Werk, CC-BY 4.0)

Dimitar Berbatow im Mai 2016. (Foto: Biser Todorov – Eigenes Werk, CC-BY 4.0)

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Die Faszination für den eigenen Verein zu beschreiben, ist keine einfache Sache. Irgendwas mit Liebe – und die lässt sich schwer erklären. Ich bin trotzdem neugierig: Wie hast du dich in Bayer verliebt, was fasziniert dich am Verein? Und was macht eure Fankultur aus?

Das kam durch zuvor beschriebenes prägendes Spiel gegen Kaiserslautern. Außerdem begeistert und identifiziert man sich als Jugendlicher ja mit Spielern, die man toll findet. Das fing mit Ulf Kirsten an, ging über Erik Meijer, Carsten Ramelow und Dimitar Berbatov bis Stefan Kießling, der wohl die größte Vereinsidentifikation aller Spieler gelebt hat, die ich begleiten durfte. Unsere Fankultur unterscheidet sich wahrscheinlich nicht groß von der anderer Vereine. In der Struktur sind doch alle sehr ähnlich, nur in der Größe nicht. „Klein, aber Oho“, würde ich sie nennen. Es hat auch durchaus Vorteile, keine riesige Fangemeinde zu haben. Man ist bei Auswärtsspielen, vor allem international, unter sich. Man kennt die Leute und man muss sich nicht auf dem Schwarzmarkt um Tickets bemühen. Das soll nicht heißen, dass Bayer-Fans nicht in der Lage sind, größere Massen zu mobilisieren. Beim DFB-Pokalfinale 2009 gegen Werder Bremen hat uns das Kartenkontingent im Berliner Olympiastadion nicht ausgereicht.

Als Fan geht man eher noch kritischer mit dem eigenen Verein um als aus neutraler Sicht. Und das ist auch gut so. Bastian Hahne

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Du arbeitest beim WDR und schreibst als Leverkusen-Experte bei Spiegel Online. Wie gehst du als Journalist mit „deinem“ Verein um? Und ist das in deinem Jobumfeld je Thema?

Eigentlich nur bei Frotzeleien unter Kollegen, wenn es gegen den Klub des anderen geht oder der eigene Verein gerade ziemlich schlecht (wie jetzt gerade) spielt. Es hat Vorteile, wenn man sich mit einem Thema auskennt, wenn man darüber schreiben muss. Als Fan geht man eher noch kritischer mit dem eigenen Verein um als aus neutraler Sicht. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Und das ist auch gut so.

Mainzer Fans bei der Auswärtspartie in Leverkusen. (Fotp: Rheinhessen on Tour)

Mainzer Fans bei der Auswärtspartie in Leverkusen. (Foto: Rheinhessen on Tour)

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Am 4. Spieltag empfängt Bayer Leverkusen als Tabellenletzter mit 0 Punkten Mainz 05. Der FSV reist mit 7 Punkten an. Eine Konstellation, die so vor der Saison sicher nicht zu erwarten war. Oder? Wie war dein Gefühl bezüglich der neuen Saison in der Sommerpause?

Kurz nach Saisonende war schon eine gute Portion Vorfreude auf die kommende Saison da. Die Mannschaft hat im letzten Saisonspiel gegen Hannover (3:2) alles gegeben, um es sogar noch in die Champions League zu schaffen. Das hat nicht geklappt, aber der Einzug in die Europa League war nach der verkorksten Vorsaison immerhin das Minimalziel. Es blieb allerdings der Beigeschmack, dass deutlich mehr drin war und man im Laufe der Saison sehr viele Punkte unnötigerweise liegen gelassen hat. Die Vorbereitung hat dann leider nicht gerade Mut gemacht. Wenig überzeugenden Testspielen folgten ein schwacher Pokalauftritt und dann der katastrophale Saisonstart. Das hatte sich angekündigt.

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Auf Twitter hast du während des Spiels gegen München am letzten Samstag geschrieben: „Wenn morgen (16. September) nicht die Notbremse gezogen wird, verstehe ich die Welt nicht mehr.“ Und in der Vorschau aufs Spiel hast du die schwache Rückrunde der Vorsaison angesprochen. Ist eine Trainerentlassung wirklich die beste Lösung?

Im Moment sehe ich keine Alternative. Natürlich würde ich mich gerne irren und Heiko Herrlich das Ruder herumreißen sehen, aber ich sehe das nicht kommen. Die letzten Ligaspiele waren ein Offenbarungseid. So schwach habe ich den Bayer schon sehr lange nicht mehr spielen sehen, was im krassen Gegensatz zu den mutigen Vorsätzen von Spielern, Funktionären und Trainer steht. Jetzt steckt die Truppe in einer Negativspirale, die zur Kopfsache wird. Und da hilft meistens nur ein Neuanfang, in diesem Fall durch einen Trainerwechsel.

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Nach dem Spiel wurde das Foul von Karim Bellarabi heftig diskutiert. Glaubst du, eine solche Aktion ist auch ein Zeichen dafür, dass etwas in der Mannschaft nicht stimmt? Oder ist diese Interpretation Unsinn?

Bellarabi geht gerne mal etwas übermotiviert zur Sache und hat ein durchaus verbesserungswürdiges Zweikampfverhalten. In diesem Fall ist ihm eine Sicherung durchgebrannt und die Strafe (vier Spiele Sperre und Geldstrafe) ist angemessen. Völlig daneben waren allerdings die Äußerungen von Uli Hoeneß („geisteskrank“, „wollte ihn vorsätzlich verletzen“, „gehört drei Monate gesperrt“) zu dem Thema. Aber das ist ein Thema für sich.

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Aus der Ferne wirkte die Verbindung zwischen Leverkusen und Heiko Herrlich ehrlich gesagt sehr gut. Letzte Saison spielte das Team den viertbesten Offensivfußball der Liga, Platz 4 und damit die Champions League Quali wurde nur ganz knapp verpasst. Was läuft diese Saison so viel schlechter? Oder brodelte es in der letzten schon und das wurde nur nicht sichtbar?

„Brodeln“ ist wahrscheinlich nicht der passende Begriff, aber es war schon letzte Saison nicht alles Gold, was glänzt. Wie das Verhältnis zwischen Trainern und Spielern sich entwickelt hat, ist von außen schwer zu sagen. Sicher ist aber, dass die Mannschaft derzeit nichts von dem umsetzt, was der Trainer ankündigt. Und das ist alarmierend. Das 3:2 in der Europa League gegen Ludogorets Rasgrad war aber immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.

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Bayers Sportdirektor Rudi Völler hat, so mein Gefühl, bei einer Hälfte der Fußballfans für immer ein Stein im Brett, die andere kann ihn nicht ausstehen. Wie siehst du ihn und wie beurteilst du seine Arbeit im Verein? Ist er Teil des Problems oder Teil der Lösung?

Definitiv ein Teil des Problems. Das zeigt alleine schon Völlers Trainer-Quote. Zehn Trainer in den letzten zehn Jahren. Abgesehen von Jupp Heynckes hat keiner davon nach seiner Zeit in Leverkusen noch Bäume ausgerissen. Da ist Bruno Labbadia noch der Erfolgreichste. Zudem verpasst Völler gerne den richtigen Zeitpunkt für einen Trainerwechsel. Zuletzt hielt er viel zu lang an Roger Schmidt fest und fand mit Tayfun Korkut alles andere als einen passenden Ersatz. Heiko Herrlich war jetzt dritte Wahl, nachdem laut Völler zwei andere Kandidaten abgesagt hatten. Und möglicherweise zögert er auch jetzt wieder zu lange.

An diesem Wochenende geht es für die 05er nach Leverkusen. (Foto: Meenzer on Tour)

An diesem Wochenende geht es für die 05er nach Leverkusen. (Foto: Meenzer on Tour)

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Am Sonntag wird („Stand jetzt“) weiterhin Heiko Herrlich auf der Bank sitzen. Auf was für ein System muss sich Mainz 05 einstellen? Wie wird er versuchen, den Knoten auf dem Platz zu lösen? Und erwartest du, dass es ihm am Wochenende bereits gelingt?

Nachdem Herrlich in München überraschenderweise mit einer Fünferkette und nur drei Offensivspielern sprichwörtlich den Bus vor das eigene Tor gefahren hat, wage ich keine Prognosen mehr zur Aufstellung. Er wird um seinen Job kämpfen, aber ob das gelingt, ist mehr als ungewiss. Der Sieg im Europapokal hat ihm erstmal etwas Luft verschafft

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Wie ist dein Tipp fürs Spiel? Und wie der für die weitere Saison: Ist Herrlich an Weihnachten noch Trainer? Wenn du dir einen möglichen Nachfolger wünschen würdest, wer wäre das?

Mit einem Tipp tue ich mich sehr schwer. Es ist alles möglich, ein Mainzer Sieg erscheint derzeit noch am wahrscheinlichsten. Aktuell ist es schwer vorstellbar, dass Herrlich bis Weihnachten Trainer bleibt. Über Ersatzkandidaten möchte ich aber nicht spekulieren, solange er noch im Amt ist.

KOMPAKT
Bayer Leverkusen ist der beste Club der Welt, weil … er mein Club ist. Ganz einfach.
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist … dass es mein zweites Zuhause ist.
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig … Dimitar Berbatov. Der wohl talentierteste Spieler, der je das Bayer-Trikot getragen hat.
Wer Leverkusen besucht, sollte unbedingt … drei Punkte da lassen.
Besonders lecker essen Gästefans in … einem der zahlreichen Imbisse entlang der Bismarckstraße. Wir Heimfans haben mit der Schwadbud und dem Stadioneck noch andere Möglichkeiten, die für Gäste aber eher ungeeignet sind.

LETZTE WORTE
Mit breiter Brust treten die Mainzer den Weg nach Leverkusen an. Kein Wunder, nach sieben Punkten aus drei Spielen und dem Weiterkommen im Pokal. „Es soll keinen Spaß machen, gegen uns zu spielen“, sagt Trainer Sandro Schwarz. Umso mehr Vergnügen wünschen sich die eigenen Fans bei der Partie.

05-Gegnerbetrachtung: Der Glubb ist wieder da!

Die Gegnerbetrachtung ist zurück. Vor jedem Auswärtsspiel des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit PodcasterInnen, JournalistInnen oder BloggerInnen aus dem Umfeld des gastgebenden Vereins.
In der Auftaktfolge zur neuen Saison ist das Florian Zenger von Clubfans United.

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Hallo Florian, danke dass du dir Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Verrätst du den Lesern zuerst ein bisschen etwas über dich? Wichtigste Frage, seit wann bist du Club-Fan – und was war dein prägendstes Erlebnis mit dem 1. FC Nürnberg?

346 Richtiger Fan bin ich wahrscheinlich erst seit der Abstiegssaison unter Klaus Augenthaler (2002/03), da hatte ich das erste Mal eine Dauerkarte. An der waren Vater und Brüder meiner damaligen Freundin schuld, die hatten schon länger eine und da bin ich dann mit. Wer richtig rechnen kann (und mein Geburtsjahr kennt), merkt schnell, dass ich damals schon zwanzig war, also war ich quasi Fußballfan, bevor ich Club-Fan wurde. Meine formativen Jahre in Sachen Fußball waren also ohne echte Vereinszugehörigkeit. Ich war zwar immer Sympathisant, fast logisch, wenn man seit 1992 in der Stadt wohnt, aber so richtig gefunkt hat’s nicht, wenn man nur so ab und zu ins Stadion ging. Jetzt gehe ich in die siebzehnte Saison mit Dauerkarte und fühle mich plötzlich sehr alt, wenn ich das so sage. Mit der damaligen Freundin bin ich inzwischen verheiratet und habe zwei Kinder, also auch das hat gehalten und geht in seine siebzehnte „Saison“. Im „echten Leben“ bin ich Oberstudienrat an der Fachoberschule einer Nachbarstadt von Nürnberg, die im Fußballzusammenhang nicht näher erwähnt wird, und unterrichte da Englisch, Sozialkunde, Geschichte und Theater.
Wie für alle Clubfans „meiner“ Generation dürfte der prägendste Moment sicher der Pokalsieg 2007 gewesen sein. Dass der Club je einen Titel holen würde, schien völlig unvorstellbar, deshalb war diese Nacht im Mai in Berlin eine besonders prägende und in Verbindung mit dem Abstieg im darauffolgenden Jahr wiederum eine besonders club-eske Erfahrung.

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Du hast gesagt, du warst Fußballfan, bevor du Club-Fan wurdest. Inwiefern hat das dein Verhältnis zu diesem Sport geprägt oder andersrum gefragt, wie hat es sich durch die Liebe zu einem bestimmten Verein verändert?

Ich finde die erste Formulierung der Frage tatsächlich einfacher zu beantworten. Einer meiner besten Freunde meint, ich hätte deshalb ein eher nüchternes Verhältnis zum Fußball und würde die emotionale Komponente eher als weniger wichtig erachten. Das stimmt insofern, als dass ich tatsächlich eher ein Faible für die „rationale“ Seite des Sports, also Taktik, Statistik, Metrik entwickelt habe. Aber, was es nicht heißt, ist, dass ich während eines Spiels ruhig bleibe. Jubeln, fluchen, zetern, das passiert bei mir schon auch. Wobei mich tatsächlich – wobei das auch eine Berufskrankheit sein kann – Unwissen und Unfähigkeit der um mich herumsitzenden mehr nervt als ein einzelner Fehlpass.

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Heute ist deine Beziehung zum Verein auch eine professionelle: Du schreibst als freier Journalist unter anderem für die Sportredaktionen der Nürnberger Zeitung und der Nürnberger Nachrichten. Wie schaffst du es, die Rolle als Fan und die als Journalist zu trennen? Wo ist diese Trennung für dich besonders wichtig und wann erlaubst du dir vielleicht auch mal den Blick durch die Fan-Brille?

Ich muss in meinem Hauptberuf ja auch zwischen Sympathie und Bewertung trennen können (und es soll sich niemand erzählen lassen, dass Lehrer keine Sympathien oder Antipathien gegen Schüler haben, wichtig ist, dass sie die Notengebung nicht beeinflussen), von daher bin ich da eh relativ geübt, das zu trennen.
Andererseits liegen meine Tätigkeiten im Printbereich ja vor allem bei den Jugendmannschaften, wo es viel drum geht zu erkennen, ob ein Spieler Potential für den Profifußball hat – und dann Stärken und Schwächen aufzuzeigen. Da ist es verhältnismäßig egal, ob man das jetzt mit Fanbrille macht oder nicht. Aber ich schreibe jetzt nicht einen Spieler besser oder schlechter, weil ich will, dass geht oder bleibt. Die Tätigkeit im Jugendbereich ergibt natürlich Konstruktionen, wie dass ich Michael Köllner eben schon vor seiner Zeit als Profitrainer kannte, aber mehr oder weniger kritisch bin ich deshalb nicht, nur weil er mir schon mal auf dem Vereinsgelände zuruft, was ich „da wieder geschrieben hab“.
Das, was ich zur Profimannschaft mache, läuft ja meistens dann auf Clubfans United oder im Podcast unter Total Beglubbt, da ist die Fansicht durchaus eher erlaubt. Wobei ich wahrscheinlich da auch vielen noch zu nüchtern bin, weil ich eben vor allem über die Taktik- und Metrik-Schiene komme.
Was ich mir allerdings nicht nehmen lasse, ist zu sagen, ich bin Vereinsmitglied, ich möchte mitbestimmen. Schließlich ist es – bei allen Distanzgeschichten, die es beim Umgang mit Spielern und Trainern braucht – eben dennoch „mein“ Verein.

Harte Liebe: Fans sind immer auch kritisch mit ihrem Verein. (Foto: Meenzer on Tour)

Harte Liebe: Fans sind immer auch kritisch mit ihrem Verein. (Foto: Meenzer on Tour)

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Ich selbst habe oft die Erfahrung gemacht, dass die Rolle als Fan von außen als unkritisch mit dem Verein charakterisiert wird. Persönlich würde ich da widersprechen. Wie siehst du das?

Da stimme ich Dir vollumfänglich zu. Als Fan ist man an der Entwicklung des Vereins ja besonders interessiert, das heißt, Fehlentwicklungen gegenüber ist man besonders sensibel. Ich glaube, niemand ist kritischer seinem Verein und den Verantwortlichen gegenüber, als der mündige und engagierte Fan. Das sieht man ja auch in Frage der Kommerzialisierung und der Fankultur, da sind die organisierten Fans diejenigen, die ihren Vereinen Paroli bieten.

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Du hast es schon angesprochen: Im Hauptberuf bist du Lehrer. Für das Fußballmagazin Clubfans United hast du zum Ende der letzten Saison Jahreszeugnisse an alle Spieler vergeben. Wer hat dich besonders überzeugt? Von wem warst du enttäuscht? Auf wen sollten wir diese Saison ein Auge haben?

In der letzten Saison waren die herausragenden Spieler sicher Hanno Behrens und Eduard Löwen. Der eine ist als Kapitän vorangegangen, hat 14 Tore erzielt und die Mannschaft auf dem Platz und daneben angeführt. Der andere hat jede Position außer Torwart gespielt, dabei – allen dem jungen Alter geschuldeten Leistungsschwankungen zum Trotz – immer wieder seine Klasse gezeigt, drei Traumtore in zwei Spielen gegen Duisburg geschossen und war ein wenig das Sinnbild der jungen Generation an Clubspielern, die versuchen, ihren Weg zu gehen.
Enttäuscht war ich zum einen von Spielern, die gar nicht mehr da sind. Zum einen Marvin Stefaniak, der im Winter als Hoffnung kam und im Sommer gescheitert ging. Da hatte man immer das Gefühl, er wäre lieber in Dresden als in Nürnberg. Zum anderen darüber, dass sich einige Spieler dann entschieden haben, den Weg nicht weiterzugehen – also Teuchert, Kammerbauer während der Saison und Möhwald danach – obwohl es für die Entwicklung wahrscheinlich klüger gewesen wäre, zu bleiben.
Sollten die oben genannten Behrens und Löwen wirklich fit sein, wären das sicher Kandidaten für die auffälligen Spieler, ich befürchte aber, sie werden durch ihre muskulären Probleme behindert. Daher empfehle ich jetzt einfach Neuzugang Yuya Kubo, der in Berlin schon angedeutet hat, was er drauf hat – und nach einer weiteren Woche Training mit der Mannschaft jetzt noch mehr Bindung zum Spiel haben sollte.

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Für Clubfans United schreibst du seit etwa vier Jahren. Das Fanzine gibt es in verschiedenen Formen bereits seit 1995. Kannst du uns ein bisschen was erzählen über die Schwerpunkte eurer Arbeit, das Team und wie ihr euch organisiert?

Wir sind letztlich vier Mann, die alle so ihre Steckenpferde haben. Stefan macht die Technik und Spielberichte, Alex macht Vereinspolitik, insbesondere Kommunikation des Vereins und auch Spielberichte, Michael ist unser Feuilletonist, der besondere Geschichten schreibt und ich mache die Jugend und die Taktikanalyse. So decken wir eigentlich fast alles ab, was der Verein bietet, außer den originären Kurvengeschichten. Da lassen wir meistens auch die Finger von, weil da einfach keiner von uns (mehr) steht.
Die Aufgabenverteilung ist recht klar und unter der Woche wird sich dann einfach per Onlinekommunikation abgestimmt, wer wann was macht, z.B. auch, wer von uns zu Total Beglubbt, unserem Podcastpartner, in die Sendung geht.

Podcastpartner von Clubfans United ist Total Beglubbt. (Logo: TB/MS)

Podcastpartner von Clubfans United ist Total Beglubbt. (Logo: TB/MS)

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Nach vier Serien in der 2. Liga stand für Nürnberg am 33. Spieltag der Vorsaison die Rückkehr in die 1. Bundesliga fest. Hast du vor der Saison damit gerechnet, dass der FCN im Kampf um den Aufstieg eine Rolle spielen würde?

Jein. Vor der Saison, der ersten vollen von Michael Köllner als Chefcoach, war mein Gefühl: „Es wird entweder großartig oder großartig scheitern.“ (Ein Gefühl, das ich jetzt übrigens wieder habe.) Es gab ein paar Fragezeichen, im Prinzip die gleichen wie vor dieser Saison: Haben wir einen Stürmer, der trifft? Können wir auf den offensiven Außen tauglichen Fußball präsentieren? Wie stabil ist die defensive Zentrale? In der 2. Liga hat sich schnell gezeigt, dass es reicht. Die Initialzündung war damals der Derbysieg in der Nachbarstadt, zum ersten Mal seit 39 Jahren wieder ein Sieg, da hatte man dann das Gefühl, es geht wirklich was.

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Der Kampf um den Aufstieg schien lange relativ offen, erst gegen Ende der Saison konnten sich Düsseldorf und Nürnberg etwas von ihren Verfolgern absetzen. Was waren aus deiner Sicht die entscheidenden Stellschrauben und entscheidenden Personen für den Erfolg?

Wie erwähnt, es war vor allem der Derbysieg als Initialzündung, der war die Krönung einer englischen Woche mit neun Punkten binnen acht Tagen. Danach war man absolut elektrisiert in Nürnberg und hat sich auch nicht wirklich aus der Ruhe bringen lassen, als es phasenweise holperte. Was auffällig war, ist, dass bei der Mannschaft in jeder Länderspielpause – also immer, wenn das Team länger zusammenarbeiten konnte, ohne den Druck eines Pflichtspiels – eine Weiterentwicklung erkennbar war. Das war nicht unbedingt gleich etwas Zählbares, aber schon etwas Spürbares. Da hat das Trainerteam wohl die richtigen Stellschrauben gefunden.
Die Personen, die wichtig waren, habe ich fast alle schon genannt: Hanno Behrens, Eduard Löwen, Michael Köllner, Mikael Ishak wäre mit seinen zwölf Toren 2017 und seiner Fähigkeit, Räume für die Mitspieler zu reißen, zu erwähnen, Enrico Valentini könnte man mit seinen vielen Torvorlagen noch nennen. Ich würde aber gern jemanden herausheben, der vielleicht an der Stelle kaum genannt wird, nämlich den Co-Trainer. Boris Schommers kam zu Beginn der Saison 2017/18 aus Köln und hat sich als absoluter Glücksgriff erwiesen. Die Stärke bei Standards kommt von ihm, für das Training ist er zuständig, er kann Gegner sehr gut lesen und tut wohl – so hört man – der Stimmung im Team auch gut. Quasi ein bisschen ein unbesungener (oder wenig besungener) Aufstiegsheld.

Trainingsauftakt beim Nürnberger Club (Foto: Florian Zenger)

Trainingsauftakt beim Nürnberger Club (Foto: Florian Zenger)

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In die neue Saison ist der Club nun mit einer knappen Niederlage gestartet. Im Spiel gegen Hertha BSC wurde zudem ein Elfmeter verschossen. Was war, auch abseits vom Ergebnis, dein Eindruck vom Team? Wie hoch ist der Druck vor dem ersten Heimspiel und was traust du der Mannschaft diese Saison zu?

Ich war einerseits tatsächlich überrascht, dass der Unterschied zu einem „gestandenen“ Bundesligisten, der Hertha ja ist, doch nicht so groß war, wie ich es erwartet hatte. Das war sicher der Spielweise der Hertha geschuldet, aber man hat schon eine Struktur im Aufbau und auch im Abwehrverhalten erkennen können, die mich etwas positiver gestimmt hat. Über das Remis hätte sich am Ende Hertha nicht mal wirklich beschweren können, auch wenn man beim Club in der Offensive schon klar erkannt hat, dass es da noch deutliche Mängel gibt, vor allem auf den Außenbahnen gibt.
Der Druck ist bei einem Verein wie dem 1.FC Nürnberg irgendwie immer da, jede Niederlage wird vom Fan ja sofort als Beweis der These „der Glubb is a Depp“ gesehen. Außerdem ist das eigene Selbstverständnis der Fans des FCN eben immer noch das eines neunmaligen Deutschen Meisters, auch wenn der letzte Titel 50 Jahre zurückliegt.
Dennoch denke ich, viele verstehen, dass der Klassenerhalt nicht zu erwarten ist bei diesen finanziellen Verhältnissen. Der Club war jetzt vier Jahre zweitklassig, da hat er viel an Boden verloren gegenüber allen anderen Bundesligisten. Seit dem Abstieg 2013/14 waren 12 der 17 anderen Bundesligisten (alle außer Düsseldorf, Leipzig, Freiburg, Stuttgart und Hannover) ununterbrochen erstklassig. Den Rückstand auf die Vereine aufzuholen, erscheint mir unmöglich, da fehlen vier Jahre TV-Gelder. Wenn man sieht, dass Mainz für Jean-Paul Boetius 3,5 Millionen Euro ausgeben kann und der Club insgesamt für acht zu besetzende Planstellen 4 Millionen Euro zur Verfügung hat, sieht man, wie weit der Verein hinterherhinkt. Daher bleibt mein Eindruck trotz des Spiels gegen der Hertha: Wenn der FCN in der Liga bleibt, bin ich überrascht.

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Wie zufrieden bist du mit den Transfers? Wurde die Mannschaft auf Erstligatauglichkeit hin verstärkt? Auf wen bist du besonders neugierig und auf welche Spieler, die schon länger an Bord sind, darf die Liga sich besonders freuen?

Zwischen Verfassen der Zeilen und Publikation wird sich meine Meinung dazu wahrscheinlich noch einmal ändern, denn im Endspurt wird Andreas Bornemann noch zwei Spieler für die Offensive verpflichten. Da ich aber nicht weiß, wer das sein wird, kann ich nur bedingt sprechen. Bisher fehlen starke offensive Außenspieler, das lässt sich nicht leugnen, und das Spiel in Berlin hat das mit einer grandios schlechten Leistung von Edgar Salli auch noch mal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Solange diese nicht da sind, bin ich auch nicht zufrieden und sehe nur eine eingeschränkte Erstligatauglichkeit.
An sich sind die Transfers angesichts des Budgets wohl ganz in Ordnung. Yuya Kubo ist auf jeden Fall jemand, der die offensive Qualität erhöht, hat Ideen, sorgt auch selbst für Torgefahr. Zu sehen, wie er sich entwickelt, wenn er mehr Bindung zur Mannschaft hat, wird sicher spannend. Robert Bauer ist ein recht junger, aber schon erfahrener Bundesligaspieler, der in der Defensive alles spielen kann und daher sicher helfen wird. Für Christian Mathenia gilt ähnliches, auch wenn er das Duell um die Nummer Eins erstmal gegen Fabian Bredlow verloren hat. Die restlichen Transfers (Goden, Tillman, Knöll) sind erst einmal eher welche für die Zukunft, die möglicherweise funktionieren – oder aber eben auch nicht. Wobei ich Törles Knöll tatsächlich zutraue, dass er zu einigen Minuten kommen wird. Tillman ist schon auch spannend, weil er ja als Megatalent galt, den sogar Barca wollte, aber der muss noch ordentlich körperlich zulegen.
Die Liga kann sich auf Eduard Löwen freuen, weil der sicher wieder wie in der 2. Liga jede Position außer Torwart bekleiden wird und als Typ einfach ein wenig anders ist als der durchschnittliche Jungprofi (z.B. sehr religiös, keine Tattoos). Michael Köllners Pressekonferenzen sind immer ein Highlight, nicht nur, weil der geneigte Zuhörer wahrscheinlich nicht alles versteht aufgrund des dicken Oberpfälzer Akzents, sondern auch, weil er Dinge bringt, die mit dem Spiel wenig zu tun haben – vor dem Spiel gegen Hertha driftete er dazu ab, dass er Ärger mit seiner Lebensgefährtin habe, weil er ihr keine Karte für das Spiel besorgt hatte. Das ist nicht immer sonderlich passend, aber für den Außenstehenden sicher etwas, worauf man sich freuen kann. Mein persönlicher „Geheimtipp“ für alle, die es mit deutschen Talenten halten, ist es, mal ein Auge auf Lukas Mühl zu werfen. Er ist Kapitän der U20-Nationalmannschaft und spielt jetzt in der Innenverteidigung, weil Ewerton verletzt ist, aber ich kann mir gut vorstellen, dass er sich festspielen wird und Georg Margreitter, der momentan noch neben ihm spielt, dann auf die Bank weichen muss.

Der Trainer ist beim Club schon eine weiter Strecke gegangen. (Foto: Florian Zenger)

Der Trainer ist beim Club schon eine weiter Strecke gegangen. (Foto: Florian Zenger)

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Mit welcher Taktik geht euer Trainer Michael Köllner in die Saison? Wie variabel ist sein System? Und worauf müssen sich Mainz 05 in der ersten Auswärtspartie einstellen?

Die Standardformation von Michael Köllner beim 1. FC Nürnberg, egal ob in der ersten oder zweiten Mannschaft, egal ob in Liga Eins, Zwei oder Vier, war immer das 4-1-4-1. Das wird mal eher als 4-3-3 interpretiert, aber letztlich ist es so, dass der Club standardmäßig mit Viererkette, einem Sechser, zwei Achtern/Zehnern, einem Neuner und zwei Außenspielern agiert. Das Ziel ist, die drei zentralen Offensivspieler, als Stürmer und Zehner, durch Zuspiele in den Strafraum zum Abschluss zu bringen. Das ist auch der Grund, warum Behrens und Möhwald, die beiden Stammzehner der letzten Saison, zu 20 Treffern kamen. Das war kein Versehen, sondern wirklich so geplant und strukturiert.
Gleichzeitig hat Michael Köllner letztes Jahr schon öfter ein 3-5-2 spielen lassen (z.B. beim 4:1 gegen Aue, 1:0 bei Union, 4:3 bei Darmstadt und 6:1 in Duisburg) und das auch jetzt in der Vorbereitung getan. Aber da wackelte es defensiv (z.B. beim 0:2 im Heimderby, beim 1:2 gegen Ingolstadt) doch immer mal und auch in der Vorbereitung rumorte es dann etwas, weil den Spielern das 4-1-4-1 anscheinend etwas mehr taugt. Aber als Variante hat der FCN das definitiv drauf, und zwar nicht nur, weil Dreierkette grad der „neueste Scheiß“ ist, sondern, weil das durchaus seine Vorteile hat, gerade, wenn es ermöglicht, mit zwei Spitzen zu spielen.
In beiden Grundformationen geht es schon darum, den Ball in den eigenen Reihen zu halten, möglichst wenig hohe und lange Bälle zu schlagen. Das kann an guten Tagen aussehen wie gegen Duisburg oder Aue letztes Jahr, wo die Bälle von außen so in den Strafraum kommen und die Angriffe mit so viel Tempo gespielt werden, dass der Gegner Probleme hat, hinterher zu kommen. Das kann an schlechten Tagen aber so ideenlos aussehen, dass es an die Nationalmannschaft in Russland erinnert, wo einfach der Ball hin- und herläuft und dann irgendwann die Geduld verloren wird und ein ziemlich unsinniger Ball in die Tiefe kommt, der niemanden erreicht. Diesen Stil wird der Club wahrscheinlich auch in der 1. Liga nicht ablegen, obwohl er öfter auf Gegner treffen wird, die selbst das Spiel machen wollen.
Letztlich ist es auch das, worauf sich der Gast am Samstag einstellen muss, eine Mannschaft, die fußballerisch daherkommt, die sicher keinen klassischen Aufsteigerfußball spielt und die an guten Tagen mehr als mithalten kann, an schlechten Tagen aber die eigenen Fans völlig verzweifeln lässt, weil sie gar keine Mittel findet.

KOMPAKT
Der 1. FC Nürnberg ist der beste Club der Welt, weil … es halt „der Club“ ist, heißt ja schon so.
Was ich an unserem Stadion besonders liebe, ist … dass es keine Einheitsbreibude ist, sondern – trotz Laufbahn – einen eigenen Charme hat.
Mein ewiger Lieblingsspieler ist eindeutig … Horst Leupold, obwohl ich ihn nie spielen habe sehen. Aber er ist zum einen der „Erfinder“ des modernen offensiven Außenverteidigers, zum anderen einfach der zuvorkommendste, höflichste und sympathischste Fußballer, dem ich je begegnet bin.
Wer Nürnberg besucht, sollte unbedingt … länger als nur fürs Spiel bleiben und sich Zeit für die Museen in der Stadt nehmen, geschichtliche Bildung ist in diesen Zeiten nicht zu vernachlässigen.
Besonders lecker essen Gästefans in … vielen Restaurants in der Innenstadt. Wobei die einzig richtige Club-Empfehlung natürlich das „Valentini“ in Zabo, also ungefähr einen Kilometer vom Stadion entfernt, ist. Das heißt nicht nur wie der Verteidiger des FCN, es gehört auch seinen Eltern.

Manchmal ist auswärts die bessere Alternative... (Foto: Mainz 05)

Manchmal ist auswärts die bessere Alternative… (Foto: Mainz 05)

LETZTE WORTE
Unbedingt erwähnt werden muss an diesem Spieltag die Hammer-Aktion des 1. FSV Mainz 05, der mit einer tollen Kampagne in der lokalen Tageszeitung und auf sämtlichen Onlinekanälen ganz klar Stellung zu den eigenen Werten bezieht. Hut ab und ganz viel Applaus!

Gegnerbetrachtung: Mainz 05 beim BVB

Neu im Blog: die Gegnerbetrachtung. Vor den Auswärtsspielen des 1. FSV Mainz 05 spreche ich mit Journalisten, Podcastern und Bloggern darüber, was die 05er in der Fremde erwartet. Für die letzte Folge der laufenden Saison habe ich mit Maurice Morth von Schwatzgelb.de gesprochen.

Maurice von Schwatzgelb.de ist der Junge mit dem Ball. (Foto: privat)

Maurice von Schwatzgelb.de ist der Junge mit dem Ball. (Foto: privat)

Hallo Maurice, danke, dass du dir die Zeit für meine Fragen nimmst. Du schreibst regelmäßig für schwatzgelb.de, das BVB-Online-Fanzine, das weit über die Vereinsgrenzen bekannt ist. Wie organisiert ihr euch untereinander und wie viele Redakteure und Freie machen mit?
Aktuell sind wir an die 50 Mitglieder bei Schwatzgelb.de. Fest besetzt werden bei uns im eigentlichen Sinn nur die Vor- und Spielberichte. Wem etwas auf der Seele brennt, der kann in die Tasten tippen und sich so gut wie sicher sein, dass sein Text auch auf der Homepage erscheinen wird. Wir profitieren davon, dass ein größerer Teil der Mitglieder sich kennt und/oder in Dortmund und Umgebung miteinander vernetzt ist. Organisiert sind wir aber grundsätzlich über das Online-Tool „Slack“.

Du kommst ja aus Hessen, also nicht dem direkten Dortmunder Einzugsgebiet. Wie bist du selbst zum BVB-Fan geworden – und gibt es eine Saison, die dich mit deinem Verein bisher besonders geprägt hat?
Ich weiß noch ganz genau, dass mir im Alter von drei Jahren die Farbe Gelb sehr gut gefallen hat und das in meinem Heimatort der Großteil der Kinder Fans des FC Bayern waren. Da hat das als Pendant damals ganz gut gepasst. Sich eine besondere Saison herauszupicken ist schwer, prägend war für mich aber besonders mein erster Besuch im Westfalenstadion. 1997 in der Champions League gegen Auxerre. Ich war stolz wie Oskar, dass meine Mutter Karten besorgen konnten und für mich war die Fahrt in den Ruhrpott damals wie eine halbe Weltreise. Die Borussia gewann danach den Pokal und um mich war es allerspätestens nach dem Spiel geschehen.

Hinter dem BVB liegen bewegte Jahre mit zwei ehemaligen Mainzer Trainern. Wie oft denkst du noch an Jürgen Klopp? Verfolgst du seine Arbeit mit Liverpool? Und war die Lücke, die er emotional gerissen hat, größer als gedacht? (Für Mainz würde ich das definitiv bejahen.)
Ich denke mittlerweile sehr selten an Jürgen Klopp. Speziell die erste Meistersaison 2011 liegt allerdings gut konserviert zum Abruf bereit, sollte ich mal einen schlechten Tag haben. Wehmut empfinde ich dann allerdings nicht mehr. Ich freue mich, wenn ich sehe, wie erfolgreich er nun auch in Liverpool arbeitet – die Champions League würde ich ihm von Herzen gönnen. Mit der emotionalen Lücke ist das aber eine schwierige Sache. Klopp hat eine Benchmark gesetzt, die Aufgrund seiner stark ausgeprägten Attribute wohl einzigartig ist. Das macht es natürlich für seine Nachfolger schwierig. Ich vergleiche das manchmal mit dem Ende einer Beziehung – erst, wenn du nicht mehr vergleichst, bist du richtig bereit für was Neues. Ich glaube, in Dortmund könnte diese Phase nach Jahren der Entwöhnung jetzt so langsam starten.

In einem eurer aktuellen Artikel sprecht ihr an, dass auch in der Mannschaft die emotionalen Antreiber und Identifikationsfiguren fehlen. Inwieweit haben die Bosse da Fehler gemacht?
Im Erfolg macht man die größten Fehler. Ich glaube, es wurde zu lange auf Pferde gesetzt, mit denen man sich aufgrund ihrer Geschichte emotional verbunden sah, die aber ihre beste Zeit bereits hinter sich haben. Zusätzlich wurden wiederum teurere Spieler verpflichtet, die längst nur noch von ihrem Namen, aber nicht mehr von ihrer Leistung profitieren. Insgesamt eine schwierige Gemengelage beim BVB, die bei uns auf der Homepage ja schon massenhaft Seiten gefüllt hat. Den Ursprung des Verlangens nach Identifikation finde ich selbst seltsam. Liegt es daran, dass der große Menschenfänger Klopp nicht mehr da ist? Fühlen sich die Leute in der immer rasanteren Internationalisierung verloren? Schwierig. Ich kann mich zumindest nicht daran erinnern, dass jemand in der Zeit unter Thomas Doll groß nach Identifikation schrie.

Wie viel Identifikation braucht der Fußball? Mainzer Fans beim Auswärtsspiel in Dortmund. (Foto: Meenzer on Tour)

Wie viel Identifikation braucht der Fußball? Mainzer Fans beim Auswärtsspiel in Dortmund. (Foto: Meenzer on Tour)

Die Ära Thomas Tuchel zerfällt in mehrere Puzzleteile. Lass uns zunächst auf den Sport schauen. Wie hat Tuchel den BVB deiner Meinung nach weiterentwickelt? Welche guten Entscheidungen sind unter seiner Ägide getroffen worden?
Er hat es innerhalb weniger Monate geschafft, den Fußball des BVB umzukrempeln. Ich mochte seine Idee des Ballbesitzfußballes, denn ich hatte persönlich den Eindruck, dass sich dieser raidkale Pressingansatz unter Klopp zumindest in der Bundesliga in den letzten Jahren etwas abgenutzt hatte. Lösungen wurden im letzten Spielfelddrittel deutlich weniger gefunden und tiefstehende Gegner bereiteten weitaus größere Probleme als beispielsweise noch 2012. In der ersten Tuchel-Saison zahlte sich die Umstellung zum kleinteiligen Kurzpassspiel aus, der BVB wurde der beste Zweitplatzierte der Geschichte und sezierte die Gegner phasenweise in seine Einzelteile. Nach den Abgängen von Gündogan, Hummels und Mkhitaryan wurde es nach dem Sommer dann natürlich schwierig. Hier hat gerade Dembélé viel dazu beigetragen, dass sich die Saison nicht zu einem fußballerischen Offenbarungseid entwickelt, wie wir sie aktuell erleben (immer daran gemessen, wie viel Geld man investiert).

Neben dem Platz war es für und mit Tuchel in Dortmund, so schien es, von Anfang an eher schwierig. In Mainz gab es zwischen Kloppo und Tuchel natürlich auch eine Art emotionalen Bruch, weil beide sehr unterschiedlich sind. Bei euch schien mir das aber tiefer zu gehen.
Auf der einen Seite der Menschenfänger Klopp und auf der anderen Seite Thomas Tuchel, dem etwas Klinisches und Wissenschaftliches anhaftet. Ich habe ja eben schon angesprochen, vor welche Probleme Nachfolger von Klopp gestellt werden. Das konnte auf Dauer einfach nicht gut gehen. Gerade die Nähe zu den Fans war vielen Leuten unter Klopp sehr wichtig. Tuchel konnte das durch seine distanzierte Art schlicht nicht bieten – wollte es vielleicht auch gar nicht.

Ende Legende: Jürgen Klopp ist beim BVB längst Vergangenheit. (Foto: Christopher Neundorf/Wikipedia)

Ende Legende: Jürgen Klopp ist beim BVB längst Vergangenheit. (Foto: Christopher Neundorf/Wikipedia)

Wir beide haben schon mehrfach festgestellt, dass wir beim Thema Thomas Tuchel recht weit auseinanderliegen. Vielleicht haben wir ihn unterschiedlich erlebt, sicher hat er auch hier und dort nicht identisch agiert. Woher kommt deine kritische Haltung?
Gleich vorab zwei Dinge: Sportlich bin ich von Thomas Tuchel absolut überzeugt. Ein toller Taktiker, der sich bis zum Zerreißen Gedanken darüber macht, in welcher Variation er seine elf Spieler jeden Spieltag aufstellen sollte. Wir von schwatzgelb.de sind in Dortmund eben auch ganz gut vernetzt. Intern sind Dinge vorgefallen, die nicht den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben und auch nicht finden sollten, als Ausnahme sei zum Beispiel die Causa-Mislintat genannt, dem Tuchel den Zugang zum Trainingsgelände verwehren wollte. Innerhalb des Vereins machen sich Manche mittlerweile Vorwürfe, im Fall Tuchel nicht viel früher die Notbremse gezogen zu haben – weit vor dem Anschlag. Intern wurde die Trennung von dem Großteil der Mitarbeiter mitgetragen – also von den Leuten, die Tuchel täglich erlebten. Ich finde da einen Aspekt ganz wichtig: Je näher die Leute am Verein dran sind, desto mehr Verständnis besteht für die Trennung von Tuchel. Dass der BVB mittlerweile mehr Leute hat, die ihm aufmerksam folgen und dadurch die Entlassung nicht nachvollziehen konnten, ist eben dem Erfolg und Wachstum des letzten Jahrzehnts geschuldet.

Du hast das Ereignis gerade schon angedeutet: Vor etwas mehr als einem Jahr wurde auf den Mannschaftsbus des BVB ein Anschlag verübt. Der beschäftigt den Verein auf verschiedenen Ebenen noch heute. Zunächst abschließend zu Tuchel: Glaubst du, der finale Bruch zwischen ihm und dem BVB wäre auch ohne das, was um den Anschlag herum passiert ist, gekommen? Oder wäre er dann zu verhindern gewesen?
Das kann ich knapp beantworten: Ja, der Bruch war schon weit vor dem Anschlag da.

Damals musste sehr schnell entschieden werden, wann das Champions League-Spiel gegen AS Monaco stattfindet und es fiel die Entscheidung, es bereits am Folgetag, dem 12. April, nachzuholen. Wie kam das damals bei den Fans an und wie beurteilst du es heute?
Ich hätte jedenfalls nicht in der Haut der Entscheider stecken wollen. Es bestand keine Klarheit, ob es sich um einen islamistisch motivierten Anschlag handelte oder nicht – dementsprechend der Druck auch aus den obersten Regierungsreihen der Bundesrepublik. Da wurde dann davon gefaselt, dass man ein Zeichen gegen den Terror setzen müsse. Nur so als Beispiel. Dazu Spieler, die in diesem Moment sicherlich nicht einmal selbst wussten, was für sie das Beste ist. Und das wiederum in einem Business, in dem Schwäche nicht toleriert wird. Im Nachhinein ist man immer schlauer. Wir hätten einfach nicht antreten und ausscheiden sollen – statt die Spieler dieser absurden Situation auszusetzen.

Aktuell läuft in der Angelegenheit der Prozess. Die wie ich finde sehr offenen und mutigen Aussagen von Spielern wie Weidenfeller oder Schmelzer offenbaren, was eigentlich jedem empathischen Menschen hätte klar sein müssen, nämlich, dass der Anschlag längst nicht verarbeitet worden ist. Aus der Ferne wirkt es, als böte der Verein seinen Profis da wenig Hilfe an, auch die Kommunikation ist dürftig. Was glaubst du, woran das liegt?
Der Anschlag hat im Jahr 2017 einen Präzedenzfall geschaffen. Es gibt kein Beispiel dazu, wie man den Leistungsbetrieb aufrechterhält und gleichzeitig den Opfern die beste Betreuung bietet. Die Kommunikation des Vereins mag sicherlich nicht optimal sein – vielleicht ist es auch schlicht etwas Hilflosigkeit. Intern wird aber jedem Einzelnen Hilfe angeboten, es liegt an den Menschen, diese Hilfe anzunehmen oder die Sache mit sich zu klären.

Schwatzgelb.de bietet einen intensiven Blick auf die Borussia. (Foto: Schwatzgelb.de)

Schwatzgelb.de bietet einen intensiven Blick auf die Borussia. (Foto: Schwatzgelb.de)

Ihr habt kürzlich einen sehr interessanten Artikel darüber veröffentlicht, dass dieses Thema natürlich auch die Fans betrifft: Wie geht man mit der Mannschaft um, wie kann man sie am besten unterstützen. Seid oder kommt ihr darüber, vielleicht auch von schwatzgelb.de, auch in einen Dialog mit Spielern?
Mir ist kein solcher Dialog bekannt. Wenn man sich die neuerliche Reaktion auf die Druck-Aussage von Per Mertesacker ansieht, dann verwundert das aber nicht weiter. Im Fußball ist keine Schwäche erlaubt. Würde ein Spieler offen zugeben, dass er der Belastungssituation, jeden Spieltag im Bus sitzen zu müssen, nun nicht mehr standhält, dann wäre seine Karriere mit einem Schlag vorbei. Wer würde ihn nach dem Auslaufen seines Vertrages noch verpflichten? Marc Bartra wurde bei dem Anschlag schwer verletzt. Er hat vor Gericht zugegeben, dass er noch Probleme habe, nach dem Gerichtstermin revidierte er seine Aussage schleunigst per Social Media und teilte mit, dass er falsch zitiert worden sei. Er sei nur gewechselt, weil Stöger ihn so wenig eingesetzt hätte. Dabei ist es in dem Fall auch einfach naheliegend, dass eine räumliche Veränderung erwünscht war.

Auch wenn der Anschlag nun ein Jahr zurückliegt, wird man das Gefühl nicht los, der Verein insgesamt müsste sich nochmal mit dem Thema auseinandersetzen, quasi den erneuten Neustart in vielen Belangen auch abseits des Platzes. Wie siehst du das und was könnten Maßnahmen sein, die da helfen?
Ich bin leider kein Psychologe und Traumaspezialist. Dementsprechend schwer fällt es mir auch, etwas zu diesem Thema zu sagen. Welch schwerer Schlag den gesamten Verein getroffen hat, das wird man vielleicht erst in einigen Jahren ganz genau sehen. Eine psychologische Betreuung ist aber sicherlich im jetzigen Moment das A und O.

Kredit verspielt, ja. Kredit aufgebraucht, mitnichten: Michael Zorc. (Foto: Tim Reckmann/CC-BY-SA-3.0)

Kredit verspielt, ja. Kredit aufgebraucht, mitnichten: Michael Zorc. (Foto: Tim Reckmann/CC-BY-SA-3.0)

Wie stehen aktuell eigentlich Aki Watzke und Michael Zorc bei den Fans da? Hat sich die Sicht auf die beiden im vergangen Jahr verändert? Und welche Fehler haben auch sie aus deiner Sicht gemacht?
Beide haben Fehler gemacht, beide haben aber auch durch ihre vorherigen Leistungen einen ordentlichen Kredit. Sie sind sicherlich wieder mehr in die Schussbahn geraten, als es noch unter Klopp der Fall war, die Kritik erfolgt meiner Meinung nach aber in geregeltem Maße. Ich hatte mich vor nicht allzu langer Zeit in einem Artikel ausführlich mit den Fehlern und fehlerhaften Entwicklungen auseinandergesetzt. Das würde an dieser Stelle etwas den Rahmen sprengen. So viel sei aber gesagt: Borussia musste über eine Dekade kontinuierlich die besten Spieler abgeben, irgendwann konnte man den Leistungsverlust mit den Zukäufen nicht mehr gänzlich abfangen. Eben steigende Kaderkosten bei stagnierender und/oder fallender Leistungsfähigkeit. Hohe Ablösesummen für Spieler, die die beste Zeit hinter sich haben, wurden auch gezahlt. Und nach Klopp hat der der Verein keinerlei Idee mehr ausgearbeitet, für welchen Fußball der Verein Borussia Dortmund allumfassend stehen möchte. In den Zusammenhang fällt dann auch der Zuwachs an spielerischer Armut.

Zur neuen Saison kam Peter Bosz, der wirkte, als könne er gleich zwei Paar Schuhe füllen, also emotional an die Zeiten unter Kloppo anknüpfen und sportlich an Tuchel. Letztlich war die Aufgabe aber zu groß und er musste bereits im Dezember gehen. War Bosz einfach ein Missverständnis? Oder ist er (auch) an den Langzeitwirkungen des Anschlags gescheitert?
Bosz’ Idee vom Fußball benötigt Spieler, die bis auf den letzten Mann gewillt sind, den Weg mitzugehen. Während der radikalen Umsetzung dieses Spielsystems hat Bosz die Mannschaft ab einem gewissen Zeitpunkt verloren. Man glaubte nicht mehr daran, mit diesem System erfolgreich zu sein. Inwieweit da der Anschlag eine Rolle spielte, das kann ich nicht sagen und darüber möchte ich auch nicht spekulieren. Ich war zu Saisonbeginn schon skeptisch, ob sich dieser Spielstil so implementieren ließe, aber als Konsequenz des totalen Einbruchs war die Trennung vom sympathischen Bosz dann leider folgerichtig.

Die Verpflichtung von Peter Stöger, der kurz zuvor bei Köln gehen musste, hat dann viele überrascht und inzwischen ist auch klar, dass er nicht über die Saison hinaus bleiben wird. War er für dieses halbe Jahr trotzdem die richtige Idee? Warum? (Oder eben, warum nicht?)
Auf dem Trainermarkt war im Winter sehr wenig zu holen. Erst recht niemand, der eine langfristige Lösung für Borussia Dortmund gewesen wäre. Ich bin Peter Stöger sehr dankbar, dass er direkt nach dem harten Niedergang mit Köln bei uns anheuerte, glaube aber auch, dass er keine langfristige Lösung der Probleme bewerkstelligen wird. Entweder macht die Mannschaft nicht das, was er möchte, oder der Fußball, die Flexibilität und die Vorgaben sind arg limitiert.

Entscheidend ist auf dem Platz. Aber damit es da klappt, müssen die Bedingungen stimmen. (Foto: Meenzer on Tour)

Entscheidend ist auf dem Platz. Aber damit es da klappt, müssen die Bedingungen stimmen. (Foto: Meenzer on Tour)

Was ist aus deiner Sicht nun besonders wichtig bei der Suche nach einem neuen Trainer? Und wie kann es gelingen, generell wieder Ruhe in den Verein zu bringen?
Meiner Meinung nach muss ein Trainer gefunden werden, der Flexibilität verkörpert. Der aber gleichzeitig auch ein Spielsystem mitbringt, in dem sich der Kader wiederfindet und das allen Spielern wieder mehr Sicherheit auf dem Feld gibt, zum Beispiel durch klar einstudierte Laufwege. Ruhe wirst du in den Verein nur bekommen, wenn wieder Erfolg eintritt. Das ist leider die negative Seite, wenn einmal langfristig am Erfolg geschnuppert wurde.

Sportlich ist der BVB in dieser Saison sicher hinter den Erwartungen, auch den eigenen, zurückgeblieben. Weil die Liga insgesamt schwächelt, steht man trotzdem auf dem 3. Platz. Inwieweit kann das Erreichen der Champions League der erste Schritt sein, um wieder zurück in die Spur zu finden?
Es ist einfach ein wichtiger Faktor, um Spieler nach Dortmund zu locken. Der Verein und sein Stadion haben immer noch genügend Strahlkraft, aber gerade für jüngere Spieler ist es doch toll, wenn man sich bereits in dem Alter auf dem höchsten internationalen Niveau beweisen kann. Mit der Europa League dürfte das etwas schwieriger werden.

Über die Bedeutung des Anschlages haben wir gesprochen. So wichtig da eine Aufarbeitung ist, hat der sportliche Schluckauf sicher auch andere Gründe. Welche siehst du und wie kann eine Wiederholung eventueller Fehler vermieden werden?
Ich hatte es schon erwähnt: Der gesamte Verein braucht endlich eine klare Vorstellung davon, wie er wieder Fußball spielen möchte. Dementsprechend müssen dann auch Veränderungen im Kader vollzogen werden. So lange man sich nur darüber im Klaren ist, dass die einzige Idee der Erfolg ist, wird es in Dortmund nicht in Ruhe weitergehen.

Mainz 05 und den BVB verbindet die Unruhe der letzten beiden Jahre und der Wunsch nach neuer Konstanz. (Foto: Meenzer on Tour)

Mainz 05 und den BVB verbindet die Unruhe der letzten beiden Jahre und der Wunsch nach neuer Konstanz. (Foto: Meenzer on Tour)

Wie zufrieden warst du mit den Transfers vor und innerhalb der Saison und welche Mannschaftsteile müssen aus deiner Sicht im Sommer besonders verstärkt werden?
Viele Spieler waren langfristig verletzt, haben allerdings gute Ansätze gezeigt. Genannt werden können hier vor allem Maximilian Philipp und Jadon Sancho. Vielversprechend sind auch die Leistungen von Akanji gewesen. Großes Problem ist aber das zentrale Mittelfeld des BVB. Julian Weigl findet sich seit seiner schweren Verletzung nicht richtig zurecht, Dahoud ist neu und zeigt vielversprechende Ansätze, Castro und Sahin fehlt es an Geschwindigkeit. Gemeinsam mit dem Sturm, wo der ausgeliehene Batshuayi bis zu seiner Verletzung gute Leistungen zeigte, wird das zentrale Mittelfeld eine der größten Baustellen werden.

Das Rückspiel im Derby hat der BVB auf Schalke mit 0:2 verloren. Natürlich tun im Kampf um die internationalen Plätze die verlorenen Punkte weh. Wie sehr bitter ist es darüber hinaus aber auch emotional, nach der Schalker Aufholjagd im Hinspiel diese Partie zu verlieren bzw. wie viel Rückenwind hätte umgekehrt ein Sieg für den Saisonendspurt gebracht?
Die Mannschaft tritt in dieser Saison insgesamt so verunsichert auf, dass auch ein Sieg im Derby keinen großen Unterschied gemacht hätte. Beim BVB geht es in dieser Rückrunde ganz stark darum, mit welchen Mitteln auch immer, die Champions League zu erreichen. Aus diesem Grund hat mir die Niederlage auch nicht bedeutend mehr weh getan als andere.
Richtige Antworten wurden dann aber nach dem Derby in den Spielen gegen Leverkusen und Bremen gegeben. In beiden Spielen zeigte der Kader endlich wieder, zu welchem Fußball er eigentlich fähig ist. Dementsprechend zuversichtlich gehe ich auch in die letzten zwei Saisonspiele.

Aus den beiden genannten Spielen hat der BVB vier Punkte geholt. Mainz hat in Augsburg verloren, am Sonntag aber eine starke Partie gegen Leipzig gezeigt und drei Punkte geholt. Wie erwartest du den BVB nach diesen beiden Leistungen im letzten Heimspiel der Saison am Samstag gegen die 05er und was erwartest du von Mainz?
Mit einem Sieg im Heimspiel gegen Mainz wäre der BVB sicher für die Champions League qualifiziert und es wäre fatal, sollte er diese Chance nicht wahrnehmen. Der Sieg der Mainzer gegen Leipzig sollte ihnen zwar für die letzten Partien Aufwind geben, geht der das Spiel mit der nötigen Ernsthaftigkeit an, gibt es für mich aber nur einen logischen Spielausgang.

Danke für das Gespräch!

|| Mit großem Dank an Meenzer on Tour für seine tollen Fotos im Saisonverlauf! ||

Gegnerbetrachtung: Mainz 05 beim FC Augsburg

Neu im Blog: die Gegnerbetrachtung. Vor den Auswärtsspielen des 1. FSV Mainz 05 spreche ich künftig mit Journalisten, Podcastern und Bloggern darüber, was die 05er in der Fremde erwartet. Diesmal habe ich mit Andreas Riedl über den FC Augsburg gesprochen.

Sehr lesenswert: die Rosenau Gatette. (Foto: Screenshot)

Sehr lesenswert: die Rosenau Gatette. (Foto: Screenshot)

Hallo Andy, danke, dass du dir die Zeit für meine Fragen nimmst. Normalerweise bloggst du zum FC Augsburg in der Rosenau Gazette. Die Erklärung für den Namen des Blogs finde ich wunderschön. Magst du meinen Lesern davon erzählen?
Die Rosenau ist die Heimat des FC Augsburg. Im Rosenaustadion trug der FCA bis 2009 seine Heimspiele aus, bevor er in die neue Arena umzog. Das Wort „Gazette“ hat für mich eine starke Verbindung mit Italien. Helmut Haller, der beste Spieler, der je für den FC Augsburg spielte, wechselte vom FCA nach Italien. Daher gibt es auch dort eine Verbindung, die in der Vereinshistorie ihren Ursprung hat. Außerdem verbinde ich mit einer „Gazette“ auch immer etwas Boulevard im besseren Sinne, das heißt eine Meinung abseits des rein faktenbasierten Journalismus. Denn am Ende ist es hauptsächlich mein persönlicher Blog, auf dem sich meine persönliche Meinung – und die anderer Autoren – wiederfindet.

Alleine für den Begriff „Fußballromantik“ muss man heute ja schon damit rechnen, belächelt zu werden. Was glaubst du, wieso Romantik oder auch Wurzeln für diesen Sport – und nicht zuletzt seine Fans – wichtig sind?
Ich bin nun selbst kein talentierter Sportler, aber habe während meiner Jugend aktiv Fußball gespielt. Mein damaliger Trainer, Horst Bergsträßer, hat mich dann irgendwann gefragt, warum ich mir das denn antun würde. Ich habe salopp etwas in der Art geantwortet: „Es ist Fußball. Jede Mannschaft kann gewinnen.“ Und das macht für mich immer noch den großen Reiz dieses Sports aus. Auch wenn deine Woche schlecht läuft und du nicht gut drauf bist, kannst Du dich aufs Wochenende freuen, denn dein Club spielt und kann gewinnen. Und wenn er das tut, dann ist die Woche gerettet. Das alles basiert auf Fairness, denn nur so ist der Sieg am Ende des Tages auch etwas wert. Diese Romantik und die Basis der sportlichen Fairness ist für mich die Essenz des Sports.

Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem FCA: Andy Riedl. (Foto: privat)

Beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem FCA: Andy Riedl. (Foto: privat)

Es ist nicht neu, dass es im Fußball um Geld geht. Die Summen wurden zuletzt aber immer noch absurder und generell überwiegt an vielen Stellen der Zirkus. Für viele Fans stellt sich die Frage, was sie dem noch entgegensetzen können. Wie würdest du das beantworten?
Prinzipiell haben Fans in Deutschland noch einen erheblichen Einfluss. 50+1 sichert in den meisten Clubs den Mitgliedern eine Stimmmehrheit. Über Selbstorganisation und entsprechende Einflussnahme finden Fans immer wieder Gehör und können Entscheidungen in ihrem Sinne treffen. Dennoch stelle ich mir mehr und mehr die Frage, ob es nicht ein Kampf gegen Windmühlen ist. Selbst wenn man einen Teil der großen schweigenden Masse mobilisiert bekäme, kämpft man gegen DFB und DFL, die überkommerzialisiert und korrupt sind. Ich bin leider mittlerweile etwas desillusioniert.

Zu den Themen, die vielen Fans schwer auf der Brust liegen, gehört die stetige Erweiterung des Spieltages, zuletzt um fünf Partien pro Saison am Montagabend. In Mainz wurde bei der Partie gegen Freiburg lautstark dagegen protestiert. Was hältst du von solchen Aktionen?
Ich halte sie für dringend notwendig. Nachdem wir uns in der ersten Saison der Montagsspiele befinden, muss es jetzt noch Protest geben. Es ist ansonsten wie bei Elfmetern, die nicht gegeben werden: Es wird von Spielern und Mannschaft erwartet, dass sie protestieren. Ohne Protest wird schweigende Zustimmung angenommen. Wenn der Protest dazu noch originell und friedlich ist, dann hat das Ganze zudem einen gewissen Unterhaltungswert und freut mich noch mehr.

Ihr hattet gegen Dortmund selbst ja auch ein Montagsspiel. Wie haben sich die Fans des FCA in der Thematik positioniert und wie eng verfolgst du da von deinem Wohnort Frankfurt aus auch die Aktivitäten der Szene?
Die organisierte Augsburger Fanszene hat das Spiel – genau wie viele Dortmunder Fanclubs – boykottiert und setzt sich lange schon für fanfreundliche Anstoßzeiten und entsprechende Kilometerbegrenzungen bei Auswärtsspielen ein. Ich verfolge die Aktivitäten von Frankfurt aus doch recht aufmerksam, wobei die organisierten Fans auch in Augsburg nicht zu übermäßiger Transparenz tendieren.

Apropos Frankfurt: Fehlen dir in der Fremde die Besuche im Stadion? Und was hat dich einst zu einem Fan der Augsburger werden lassen?
Ja, die Stadiongänge sind mit Sicherheit das, was mir am meisten fehlt. Es lässt sich auch nicht ersetzen. Ich kann nicht einfach zur Eintracht oder zum FSV gehen und habe das gleiche Erlebnis. Ich identifiziere mich mit den Clubs nicht annähernd so, wie mit dem FCA und lasse es entsprechend gleich bleiben. Ich bin dann eben doch kein Eventfan. Dann hätte ich auch gleich meiner Jugendliebe, dem FC Bayern München, treu bleiben können. Der Zirkus dort hat mich allerdings irgendwann verloren und ich damit auch meine Beziehung zum Fußball zum größten Teil. In 2006 hatte ich dann die Möglichkeit, bei der WM in München zu arbeiten, bei der viele Menschen enthusiastisch diesen Sport gefeiert haben. Da hatte ich dann wieder richtig Lust. Zufällig stieg der FCA damals in die zweite Bundesliga auf und meine Familie beschloss, sich geschlossen Dauerkarten zu holen. Ich bin mir nicht sicher, ob die Bundesligajahre an diese Jahre in der Rosenau jemals heranreichen können. Damals habe ich den Fußball in seiner eigentlichen Art wiederentdeckt und bin seitdem dem FCA treu geblieben.

Mainzer Fans in Augsburg im September 2016. (Foto: Meenzer on Tour)

Mainzer Fans in Augsburg im September 2016. (Foto: Meenzer on Tour)

Du hast es gerade schon erwähnt, der FC Augsburg ist 2006 in die 2. Bundesliga aufgestiegen. Seither schreibt der Verein, so nehme ich es aus der Ferne war, eine ähnliche Geschichte wie Mainz 05, will heißen, man macht aus wenig viel und die handelnden Personen sowie der Zusammenhalt sind wichtige Erfolgsfaktoren. Wer sind die wichtigsten Macher im Verein?
In Augsburg bestimmt seit vielen Jahren ein Dreigestirn aus Trainer, Manager und Präsident des e.V. bei wichtigen sportlichen Entscheidungen. Dies sind momentan Manuel Baum, Stefan Reuter und Klaus Hofmann. Wobei der wichtigste Mann beim FCA wohl Stefan Reuter ist, der die sportlichen Fäden zusammenführt und in dieser Hinsicht die Richtung vorgibt.

Als Markus Weinzierl vor der vergangenen Saison den Verein verlassen hat, haben etliche Beobachter dem FCA prophezeit, ohne den Erfolgscoach zu straucheln. Dirk Schuster war dann offenbar auch ein großes Missverständnis, aber Manuel Baum führt die Mannschaft souverän und besonnen. Warum ist er der perfekte Mann für den FCA?
Manuel Baum erfüllt zwei extrem wichtige Kriterien, die als Trainer beim FCA unerlässlich sind. Einerseits harmoniert er sehr gut mit Stefan Reuter und seinem Team. Andererseits hat er zwar eine klare Idee wie er Fußball spielen will, ist aber lernfähig, als dass er diese an die Möglichkeiten seines Teams mittlerweile anpassen kann. Wie auch in Mainz ist es in Augsburg nicht möglich, dass ein Team die Ideen seines Trainers vollständig umsetzt. Die Qualität im Kader ist hierfür nicht auf allen Positionen vorhanden. Das Team abhängig von Personal und Gegner einzustellen, ist eine große Kunst, die Manuel Baum sehr gut beherrscht.

Stichwort Missverständnis: Wieso hat es eigentlich mit Schuster und Augsburg nicht funktioniert? Und warum ist Markus Weinzierl auf Schalke nicht angekommen?
Dirk Schuster hatte keinen Erfolg, weil er seine Idee von Fußball nicht an den Kader in Augsburg angepasst hat, der deutlich mehr Potential gehabt hätte, als er aus ihm rausgeholt hat. Und Markus Weinzierl ist aus meiner Sicht zur falschen Zeit nach Schalke gewechselt. Mitten im Umbruch, ohne klare fußballerische Idee aus dem Management, dazu mit einem komplizierten Kader, musste man zu diesem Zeitpunkt noch attestieren, dass Schalke damals einfach noch Schalke war. Man sollte allerdings in diesem Zusammenhang den Einfluss von Stefan Reuter auf den Erfolg in den Weinzierl-Jahren in Augsburg berücksichtigen. Weinzierl war vor allem im Gespann mit einem sportlich kompetenten Manager, der seine Ideen und Konzepte ergänzte, sehr erfolgreich.

Die 05-Spieler bejubeln den Führungstreffer durch Jhon Córdoba. (Foto: Meenzer on Tour)

Die 05-Spieler bejubeln den Führungstreffer durch Jhon Córdoba. (Foto: Meenzer on Tour)

Was Mainz 05 und den FC Augsburg definitiv verbindet, ist der Umstand, dass richtig gute Spieler schnell zu einem größeren Verein wechseln. Ein Weg, um in der Liga trotzdem zu bestehen, ist gute Nachwuchsarbeit. Wie seid ihr da aufgestellt?
Die Nachwuchsarbeit war bei uns über viele Jahre unterentwickelt. Einerseits lag das an fehlender Infrastruktur, die erst über viele Jahre aufgebaut werden musste. Andererseits hat Markus Weinzierl den Spielern aus dem Jugendbereich auch keine Chance gegeben. Dies hat sich schon unter Dirk Schuster rapide geändert. Spätestens unter Manuel Baum zeigt sich nun, dass der Aufbau des Nachwuchsleistungszentrums sich gelohnt hat und wir in Zukunft mit mehr Spielern aus dem eigenen Nachwuchs rechnen können.

Welche Spieler haben es in den letzten Jahren aus eurem Nachwuchs bis hoch in die Bundesliga geschafft?
Die Liste ist überraschend lang, zumindest für unsere Verhältnisse. Neben Kevin Danso, Tim Rieder, Julian Günther-Schmidt und Raphael Framberger, die in der letzten Saison ihr Debüt gefeiert haben, hat in diesem Jahr Marco Richter den Sprung geschafft und scheint sich zu etablieren.

Aktuell steht der FCA mit 37 Zählern auf Rang 11 und der Klassenerhalt ist so gut wie sicher. Zwischendurch schien mal mehr drin zu sein, da schnupperte Augsburg an den europäischen Rängen. Drückt das die Stimmung im Verein oder gilt der Klassenerhalt als erste Priorität?
Manuel Baum hat letztens auf einer Pressekonferenz erneut betont, dass der Klassenerhalt unsere Meisterschaft ist. Vor der Saison sind wir von sehr, sehr vielen Experten auf Platz 18 der Tabelle getippt worden. Der Saisonverlauf und vor allem die frühe Sicherheit sind für uns eine unglaubliche Leistung. Wenn mir jemand vor ein paar Jahren erzählt hätte, was wahrscheinlicher ist: Der FC Bayern wird Serienmeister oder wir halten sieben Mal die Klasse, dann hätte ich auf die Bayern getippt. Mit dem Klassenerhalt sind alle Ziele mehr als erfüllt.

Das Ziel des FCA am Sonntag: 40er-Marke knacken. Das Ziel der 05-Fans: 3er holen. (Foto: Meenzer on Tour)

Das Ziel des FCA am Sonntag: 40er-Marke knacken. Das Ziel der 05-Fans: 3er holen. (Foto: Meenzer on Tour)

In der Saison 2016/2016 hat Augsburg in der Europa League gespielt, Partien wie die gegen Liverpool wurden begeistert gefeiert. Hat sich durch diesen Erfolg das Anspruchsdenken bei den Fans verändert? So eine tolle Saison wirkt da ja manchmal mehr als Fluch denn Segen.
Ich glaube nicht, dass sich grundsätzlich das Anspruchsdenken der Fans in Augsburg verändert hat. Das ist schon immer noch sehr familiär und bedacht. Aber klar, die normalen Mechanismen sind auch in Augsburg erkennbar. Auch bei uns wird manchmal zur Halbzeit gepfiffen und die Menschen wollen unterhalten werden.

Wie nimmst du generell das Verhältnis zwischen Fans und Vereinsführung wahr und wie intensiv ist der Austausch? Wie stark sucht auch der Verein die Kommunikation mit dem Anhang? Und wie aktiv ist eure Szene?
Es gibt Austausch, allerdings bin ich mir nicht sicher, ob es ein gegenseitiges Verständnis gibt. Auch bei uns ist diese Beziehung nicht unkompliziert. Inwiefern der Verein aktiv Themen vorantreibt und angeht, ist mir nicht bekannt. Unsere Szene ist aktiv und engagiert sich in vielerlei Hinsicht in bemerkenswerter Weise. Anstatt auswärts nach Leipzig zu fahren wird zum Beispiel eine Blutspendenaktion organisiert, es gibt Engagement für Obdachlose und einen Arbeitskreis Soziales. Dazu gibt es eine Initiative, die Stehtribüne in Uli-Biesinger-Tribüne umzubenennen, nach einem der großen Augsburger Fußballhelden.

Einer der prominenten Neuzugänge vor der Saison war Michael Gregoritsch vom HSV. Und natürlich ragt der aktuell verletzte Alfred Finnbogason heraus. Wen würdest du sonst noch aus dem Kader hervorheben wollen in Sachen Leistungsstärke?
Wir haben in dieser Saison viele Spieler, die auf einem sehr guten Niveau spielen. Held der Saison ist bisher für mich Philipp Max, der für einen Linksverteidiger offensiv sehr gute Bälle spielt und so viele Torvorbereitungen auf dem Konto hat, wie noch kein Verteidiger in der Bundesliga zuvor. Darüber hinaus spielen Routiniers wie Marwin Hitz und Daniel Baier eine sehr gute Serie und unsere Innenverteidigung um Jeffrey Gouweleeuw und Martin Hinteregger ist ein Prunkstück. Zusätzlich muss ich bei Caiuby Abbitte leisten, der nochmals einen Leistungssprung gemacht hat. Offensiv setzt er unheimlich viele Akzente und auch defensiv hat er sich verbessert. Jünger wäre er für den FCA nicht zu halten.

Auch, wenn Andy Riedl etwas dagegen hat: So wollen die 05er am Sonntag wieder jubeln. (Foto: Meenzer on Tour)

Auch, wenn Andy Riedl etwas dagegen hat: So wollen die 05er am Sonntag wieder jubeln. (Foto: Meenzer on Tour)

Die letzten Heimspiele gegen Hoffenheim, München und Werder hat Augsburg verloren. Die Ziele gegen Mainz 05 sind klar: 40 Punkte erreichen und den Fans einen Heimsieg bescheren. Abgesehen davon, dass ihr es starke Gegner waren: Woran hat es daheim zuletzt gehapert?
Es mangelt an der Kaderbreite. In der Spitze haben wir einen sehr guten Kader, wenn mehrere Leistungsträger ausfallen, wie in diesen Spielen, dann können wir das nicht über mehrere Spiele auffangen. Dann stimmen die Abläufe nicht und die Routine fehlt. Außerdem mag ich nicht ausschließen, dass das letzte Quäntchen gefehlt hat, nachdem der Klassenerhalt quasi sicher ist.

Zwischen den letzten beiden Heimniederlagen gab es je einen Punkt auswärts in Wolfsburg und Leverkusen sowie nach der Niederlage gegen Hoffenheim den Dreier gegen Hannover. Was macht dich zuversichtlich vor der Partie gegen Mainz? Was macht dir Sorgen?
Sorgen machen mir der anhaltende Tinnitus von Daniel Baier und die Wade von Alfred Finnbogason. Der Trend macht mir allerdings Hoffnung. Bis zum unberechtigten Platzverweis war gegen Wolfsburg auch deutlich mehr drin und gegen Bayern haben wir deutlich besser ausgesehen, als das Ergebnis das suggeriert. Insgesamt hat die Leistung der Mannschaft gepasst und nur die Ergebnisse spiegeln das nicht ganz wieder. Zusätzlich kommt uns eure Situation entgegen, denn den Druck habt ihr, aus Augsburg etwas mitnehmen zu müssen. Mit all der gebotenen Ruhe bin ich da sehr zuversichtlich.

Welche Marschroute erwartest du am Sonntag, worauf sollte 05-Trainer Sandro Schwarz seine Mannschaft taktisch einstellen?
Insgesamt stehen wir defensiv nach der Rückkehr von Jeffrey Gouweleeuw wieder sehr gut. Offensiv werden sich die Mainzer die Zähne ausbeißen und Geduld brauchen. Nach vorne könnte Marco Richter seine Chance von Anfang an bekommen. Er hätte sie sich verdient und wir damit haben einen zusätzlichen Spieler auf dem Feld, der wie Gregoritsch durch seine individuelle Klasse den Unterschied machen kann. Ich glaube das wird am Samstag eine zähe Partie, die durch individuelle Aktionen eventuell entschieden wird. Da sehe ich uns dann allerdings vorne.

Und wie geht das Spiel aus?
2:0 für uns. Richter und eine Torvorbereitung von Max werden den Unterschied machen.

Danke für das Gespräch!

|| Danke an Meenzer on Tour für die wunderbaren Bilder aus Augsburg. ||

Gegnerbetrachtung: Mainz 05 beim 1. FC Köln

Neu im Blog: die Gegnerbetrachtung. Vor den Auswärtsspielen des 1. FSV Mainz 05 spreche ich künftig mit Journalisten, Podcastern und Bloggern darüber, was die 05er in der Fremde erwartet. Diesmal habe ich Axel Goldmann nach seiner Liebe zum 1. FC Köln und den Chancen auf den Klassenerhalt gefragt.

Zurück in Liga 1. Da war die Welt noch in Ordnung. (Foto: Axel Goldmann)

Zurück in Liga 1. Da war die Welt noch in Ordnung. (Foto: Axel Goldmann)

Hallo Axel, wir wollen heute über deinen Verein sprechen und das ist zurzeit sicher nicht so leicht für dich. Fangen wir deswegen an mit dem Blick zurück: Wie bist du FC-Fan geworden?
Hallo Mara, vielen Dank für die Einladung in Deinen Blog. Ach, die Geschichte, wie ich FC-Fan geworden bin, habe ich schon so oft erzählt, das wird ja langsam alt. ? Die Kurzfassung: Meine Großeltern hatten einen Kleingarten in Köln-Müngersdorf und als kleiner Junge waren wir mit der Familie dort an den Wochenenden oft zu Gast. Man konnte den Lärm aus dem Stadion hören und ich muss sehr neugierig gewesen sein, was da denn wohl los ist. Mein Opa nahm mich dann mal mit zum Stadion und seitdem bin ich dem 1.FC Köln mit all seinen Unzulänglichkeiten verfallen. Manchmal kann man es sich eben wirklich nicht aussuchen.

Axel Goldmann (Bild: privat)

Axel Goldmann (Bild: privat)

Welche Begegnungen wirst du niemals vergessen? Welche Spieler haben dich in deiner Fan-Karriere besonders fasziniert?
Es gibt sicher einige Begegnungen, die für immer gespeichert sind. Ganz frisch zum Beispiel der erste Auftritt seit 25 Jahren im Europapokal in London. Ich stand völlig fassungslos im Emirates, mir lief es heiß und kalt den Rücken runter und als die Mannschaften auf das Feld kamen, wurden die Augen schon etwas feucht. Oder das 2:0 am letzten Spieltag der vergangenen Saison gegen „euch“. Als Yuya Osako in der 88. Minute alleine auf das Tor zuläuft, das ist ein Moment für die Ewigkeit. Stellvertretend für den 1. FC Köln möchte ich aber ein anderes Spiel erwähnen, welches ich niemals vergessen werde: Mittwoch, 14. Februar 1996. Kalt und nass ist es in Müngersdorf. Der moderne Fußball ist noch nicht mal in Planung, der Rasen ist gefroren, es gibt weder Komfort noch Erlösung. Der Gegner ist Fortuna Düsseldorf. Ausweichlich von Fußballdaten besuchten neben mir wohl noch 19.999 andere Menschen dieses Spiel und, Junge, Junge, was haben wir es bereut. Bis zum heutigen Tag das schlechteste Fußballspiel, das ich je in einem Stadion live sah. Es war furchtbar. Zur Pause überlegten wir kurz, ob wir nicht lieber gehen sollten aber natürlich blieben wir und schauten auch die zweiten 45 Minuten. Fröstelnd, fluchend, die Welt und das Schicksal beschimpfend. Aber genau deshalb ist dieses Spiel ein Paradebeispiel für meine Beziehung mit dem 1.FC Köln. Natürlich sehe ich deutlich mehr schlechten Fußball als guten und natürlich bricht mir der Verein manchmal das Herz, aber deswegen nicht mehr hingehen? Nicht mehr mitfiebern? Ausgeschlossen.

Kannst du uns den Kölner Hype um Poldi erklären? Und dessen umgekehrte innige Liebe zu eurem Verein?
2003 hatte Trainer Marcel Koller wenige Alternativen zu Poldi, die er zum Tore schießen bringen konnte. Eigentlich gab es mit dem Andriy Voronin nur einen Spieler, der wusste wo das Tor stand. Okay, vielleicht noch Matthias Scherz, aber das ist die Krux: Wenn du Mattes Scherz als Hoffnungsträger hast, dann hast du Probleme. In der U21 spielte damals ein junger Typ, der in der U19 Nationalmannschaft in drei Spielen sechs Tore in der EM-Quali geschossen und damit schon ein wenig Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Koller ging das Risiko ein, brachte Lukas Podolski nach oben – und seitdem ist er eben der Prinz, der Poldi, einer von uns. Ein wenig selbstbesoffen, verklärt, wenn es um die Stadt geht, eine unpolierte Schnauze und eben jemand, mit dem man sich identifizieren kann. Er nahm anfangs noch seine Trainingsklamotten mit nach Hause, weil die Oma die waschen sollte, bis man ihm beim FC sagte, dass das nicht nötig ist. Er ist einfach ein feiner Kerl. Jedenfalls bilde ich mir das ein, ich kenne ihn ja nicht persönlich. Tja, und dann ist da eben seine Liebe zum FC, die – ich glaube, darüber gibt es keine zwei Meinungen – nicht gespielt und kein Marketinggag ist. Hier liebt jemand den Club und die Fans und wir lieben ihn. Warum das so ist? Nein, das weiß ich nicht. Er konnte es sich wahrscheinlich auch nicht aussuchen.

Als Betroffene darf ich die Frage ja stellen: Wie nervig findest du es eigentlich, dass vor den Begegnungen unserer Teams immer und überall vom Karnevalsduell gesprochen wird?
Ich überhöre es. Es gehört halt dazu, es ist Folklore. Loss se schwaade, sagen wir dazu in Köln.

So oder so, die Fastnacht in Mainz und der Karneval in Köln tragen viel zur Identifikation der Clubs bei. Kannst du mit diesem Aspekt der Vereinsseele etwas anfangen oder graust es dich eher davor, wenn die Jecken im Stadion loslegen?
Ich bin jedes Jahr froh, wenn der Karneval vorbei ist. Natürlich geh ich Donnerstag und Montag auch raus und feiere den Anlass, aber im Stadion kann ich damit wenig anfangen. Ich kann auch zum Beispiel unsere Torhymne und die ach so gefeierte Höhner-Vereinshymne nicht mehr hören. Herrjeh, die hat ein Leverkusener geschrieben! Aber, naja, ich rette die Welt nicht, da muss sie selbst durch.

In Mainz gab es bei einer Zusammenkunft von Fans, Trainer und Vereinsführung letztens die Frage an Trainer Sandro Schwarz, wie es sein könne, dass die Spieler in einer eher schlechten Saison Rosenmontag feiern. Wie weit darf die Kontrolle des Privatlebens gehen?
Wir sollten nie vergessen, dass Profi-Fußballer junge Menschen sind. Größtenteils in ihren Zwanzigern, die neben ihrem Beruf auch leben dürfen müssen. Natürlich sollen die auch mal feiern gehen, und wenn dann ein Bier getrunken wird, ist das eben so. Sie sollten vielleicht nicht am Spieltag um sechs Uhr morgens von der Polizei nach Hause gebracht werden, aber insgesamt sehe ich das sehr locker. Die meisten Jungs sind doch mittlerweile eh so diszipliniert, dass Ausfälle und Skandale immer weniger werden.

Ventil: Der eigene Podcast. (Logo: der 4. Offizielle)

Ventil: Der eigene Podcast. (Logo: der 4. Offizielle)

Du betreibst rund um deinen Verein den Blog Der vierte Offizielle. Wie lange machst du das schon und was motiviert dich, so viel Zeit in die Beschäftigung mit dem Verein zu stecken?
Den Blog gibt es jetzt über zehn Jahre. Er ist eine Therapie, eine Möglichkeit, die Wand anzuschreien, ohne zwingend eine Wand zu haben. Die Motivation kommt genau daher, ich brauche ab und an ein Ventil, eine Möglichkeit, mich auszudrücken.

Das Thema Podcasts ist in den letzten Jahren stark gewachsen, das war in den Interviews zur Gegnerbetrachtung schon mehrfach Thema. Du betreibst mit drei Kompagnons den Podcast drei90, der mittlerweile fast Kultstatus genießt. Habt ihr diese Entwicklung kommen sehen?
Jetzt ist Kultstatus ein Wort, welches ich bei uns für arg übertrieben halte. Wir sind immer noch ein sehr, sehr kleines Medium, aber natürlich sind wir von der Entwicklung von drei90 selbst überrascht. Wir hatten gehofft, dass wir ein paar Hörer haben, die genauso wie wir Bock auf deutliche Wort und Spaß haben. Das ist in Erfüllung gegangen – und jetzt schauen wir, wo es uns hintreibt. Der „Erfolg“ von drei90 ist für uns überwältigend.

Zum Universum rund um den Podcast gehören immer mehr Personen und Institutionen, die von Außenstehenden gerne mal als echte Personen wahrgenommen werden. Wie weit kann diese Entwicklung gehen? Was plant ihr für Neuheiten? Was blüht dem dubiosen Clown Johannes?
Knast. Im Ernst, die Dynamik, wie sich die Maskottchen-Hysterie oder das Universum rund um BW Mittelstadt entwickelt hat, die kommt ja von unseren Hörern, die den Spaß mitmachen, sich immer neue Ideen und kreative Twitter-Accounts einfallen lassen und die mit ständigem Input dafür sorgen, dass uns auch nie langweilig wird. Über Planungen kann ich gar nicht viel sagen, da wir eh nie planen. Die Dinge entwickeln sich spontan und ohne Masterplan. Aber wir hoffen und sind uns fast sicher, dass da noch einiges kommt.

Bei den Fans bereits absoluter Kult: drei90. (Bild: Screenshot)

Bei den Fans bereits absoluter Kult: drei90. (Bild: Screenshot)

Kommen wir zum 1. FC Köln. Die vergangene Saison war ein Traum für alle Kölner, aber die Bruchlandung in dieser scheint unaufhaltsam. Wie erklärst du dir die sportliche Situation?
Tja, das ist jetzt ein weites Feld. Ich versuche, es zu verkürzen: Der 1. FC Köln 2017/18 ist ein direktes Resultat der vergeudeten Sommerpause. Wir haben durch die EL-Quali etwas Geld in die Hand bekommen, das verschleudert und aus dem Fenster geworfen wurde. Die Mannschaft war schon letztes Jahr kein originärer Kandidat für Europa, lebte aber von der größeren Unfähigkeit anderer – und vorne von Tony Modeste. Im Sommer wurde keine Baustelle geschlossen, es wurden Spieler verpflichtet, die den Verein kein Stück nach vorne brachten (außer vielleicht Meré, den ich ganz gerne mag) und die Spannungen im Innenverhältnis zwischen Peter Stöger und Jörg Schmadtke sowie ein zahnloser Vorstand brachten auch keine Besserung. Dazu viel Verletzungspech (womit du aber rechnen musst, und wenn dann der Kader nicht anständig geplant ist, sind wir wieder am Anfang), ein paar Pech-Momente – und dann biste eben da unten.

Welche Fehler waren es aus deiner Sicht in der Planung der Saison konkret? Über den Cordoba-Transfer in der Höhe kichern wir in Mainz bis ans Ende aller Fußballtage…
Naja, klar. Cordoba ist ein Witz, darüber müssen wir gar nicht sprechen. Der Junge ist halt auch die ärmste Sau, weil er verpflichtet wurde, um einen Spieler zu ersetzen, der – in der damaligen Form – gar nicht zu ersetzen war. Und der auch einen völlig anderen Spielstil hat, der gar nicht in die Mannschaft passt. Dazu kommt, dass er kein deutsch oder englisch spricht, was ich – für einen Profi, der jetzt in seinem vierten Jahr in Deutschland spielt und arbeitet – für eine unfassbare Nachlässigkeit und Arbeitsverweigerung halte. Das ist schon eine Posse, das kann man gar nicht anders beschreiben. Aber Cordoba ist nur die Hälfte der Geschichte.
Auch neben ihm wurde nichts getan, um die Mannschaft besser zu machen. Wir haben seit Jahren Probleme im Spielaufbau, hier wurde ebenfalls nichts getan, wir suchen seit Ewigkeiten Stabilität auf rechts, auch das wurde komplett ignoriert. Stattdessen wird ein Jannes Horn für ebenfalls unglaubliche sieben Millionen Euro aus Wolfsburg geholt. Sein Talent hätte man sicher auch in der eigenen U23 finden können. Über den Panikkauf Pizarro möchte ich auch lieber den Mantel des Schweigens legen. Der Mann verdient bei uns 2 Millionen im Jahr. Das war ein teures Tor bisher und verhinderte die Niederlage gegen Stuttgart dennoch nicht. Zusammengefasst ist die Kaderplanung vollkommen in die Hose gegangen. Im Winter konnte mit Vincent Koziello ein Spieler geholt werden, der dem Spielaufbau eine neue Qualität geben kann und soll. Mal schauen. Bisher gefällt er mir sehr gut, weil er einer der wenigen Spieler des 1.FC Köln ist, der den Ball nicht zum Feind hat. Das sind ja schon mal gute Voraussetzungen.

Also ist der Kader unterm Strich gar nicht so schwach, wie er sich jetzt darstellt?
Der Kader ist nicht so schwach, dass er zwingend absteigen muss, da in der Liga genug schwache Mannschaften rumlaufen. Aber er ist so schwach, dass der Abstiegskampf auf jeden Fall sein Leistungsvermögen widerspiegelt. Es kommt sicher auch etwas Pech hinzu, aber darauf alleine kann ich es nicht schieben. Wer nach 16 Spielen drei Punkte im Haben hat, der hat generelle Fehler gemacht.

Mainzer Fans in Köln am 34. Spieltag der Vorsaison. (Foto: Meenzer on Tour)

Mainzer Fans in Köln am 34. Spieltag der Vorsaison. (Foto: Meenzer on Tour)

Köln hatte, das darf man so sagen, kein Glück mit dem neu eingeführten Videobeweis. Wie sehr hadert ihr auch mit diesem Punkt? Wäre die Saison sonst anders verlaufen?
Natürlich hadert man von Entscheidung zu Entscheidung immer mehr mit dem VAR, aber mittlerweile habe ich das komplett ausgeblendet. Die stümperhafte und arrogante, an jeder Lebenswirklichkeit vorbei geplante Umsetzung der DFL, der Verve, mit dem der VAR verteidigt wird, die unbefriedigende Situation für den Stadionbesucher, das alles passt wie Faust aufs Auge zum Zustand des deutschen Profi-Fußballs 2018. Die DFL und der DFB sind halt immer noch ein Taubenzüchter-Verein. Es macht mir Spaß, dieser Selbstdemontage zuzuschauen. Da kommt der Katastrophen-Tourist in mir hoch.

Welche Rolle spielt der Abgang von Jörg Schmadtke? Hast du das zu diesem Zeitpunkt damals verstanden? Wie beurteilst du die Gründe für seinen Weggang?
Ich möchte über Jörg Schmadtke nicht reden. Das können wir vielleicht mal persönlich bei einer kleine Fanta und ohne Aufnahmegerät besprechen, aber ich werde nichts weiter schreiben zu dieser Frage. Es gibt ja eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist Jörg Schmadtke gar nicht so ein guter Manager – oder er wollte dem FC bewusst schaden. Mehr Lösungen sehe ich hier nicht. Du?

Das besprechen wir dann vielleicht wirklich bei einer Fanta, obwohl das Thema vermutlich eine große verträgt… Kurz darauf musste jedenfalls mit Peter Stöger doch der Kölner Erfolgstrainer gehen. Für viele Fans war das trotz des schlechten Saisonverlaufs nicht nachvollziehbar. Wie beurteilst du diese Trennung im Nachhinein?
Ich wäre mit Peter Stöger liebend gerne in die zweite Liga gegangen.

Auffällig ist von außen betrachtet, dass euch die Konstanz fehlt. Nach bewundernswerten kämpferischen Leistungen folgt regelmäßig der nächste Einbruch. Spielt da inzwischen der Kopf auch eine immer größere Rolle?
Der Kopf ist ja auch eine Qualität. Ja, klar merkt man, dass ab und an die Angst die Beine schwermacht. Das liegt aber auch daran, das sollten wir nicht vergessen, dass der FC – womit ja im Winter niemand mehr rechnen konnte – auf einmal wieder eine klitzekleine Chance hat, die Liga doch zu halten. Da wiegt jeder Fehler natürlich nochmal schwerer.

Hast du Einblicke, wie abseits des Platzes mit der Mannschaft gearbeitet wird? Was tut der Verein, um die Truppe einzuschwören, zu unterstützen, aufzubauen?
Nein, keine Idee. Ich denke, unser Vorstand weiß nicht, in welcher Liga die erste Mannschaft gerade spielt.

„Für mich war Europa alles.“ (Foto: privat)

„Für mich war Europa alles.“ (Foto: privat)

Wie ist die Stimmung unter den Fans? Ketzerisch gefragt, ist der drohende Abstieg als Preis für das Europawunder für die Fanseele tragbar?
Hier kann ich nur für mich sprechen und ich sage ganz klar: Ja. Ich habe doch lieber einmal alle 25 Jahre so ein Highlight, als ständig zwischen Platz 9 und 15 rumzukrebsen. Für mich war Europa alles. Mehr werden wir nie wieder erreichen können (jedenfalls in der Geschäftsform 100% Anteile beim e.V.), das ist systemisch ausgeschlossen. Und dann, wer sagt denn, dass Europa für die Hinrunde verantwortlich ist? Ich weigere mich, das einzugestehen. Die Mannschaft wäre auch ohne Europa jetzt in der Situation. Aber, wie gesagt, das ist nur meine Meinung, es gibt da sicherlich abweichende Gedanken.

Wie eng ist die Verbindung und wie gut ist die Unterstützung aus der Fankurve aktuell?
Die Unterstützung der Fans ist weiterhin phänomenal. Die Fans und Mitglieder sind der Faustpfand des Vereins. Umso bedauerlicher, dass die aktuell Verantwortlichen alles tun, um das Verhältnis zwischen Fans und Verein nachhaltig zu zerstören. Es wird aktiv gegen die Anhänger gearbeitet, es werden Kampagnen gefahren, es wird intregiert, wo es nur geht. Bisher allerdings ohne Erfolg, wollen wir hoffen, dass dies so bleibt.

Gefühlt wird in der Liga seit dem 25. Spieltag permanent von Endspielen gesprochen. Für die Begegnung zwischen Köln und Mainz ist der Begriff aber sicher nicht falsch, denn sollte einer Mannschaft der 3er gelingen, wäre das ein Ausrufezeichen. Wie viel Hoffnung hast du?
Wenn ich keine Hoffnung mehr hätte, könnte ich ja gleich irgendeine billige Netflix-Eigenproduktion gucken. Natürlich habe ich noch Hoffnung. Ein Sieg gegen euch und schon sind wir auf drei Punkte ran. Dann haben wir noch Hertha, Schalke, Freiburg, München und Wolfsburg am letzten Spieltag. Sieben bis Neun Punkte sind da mit viel Glück noch drin. Und Mainz hat als letzte fünf Spiele Freiburg, Augsburg, Leipzig, Dortmund und Bremen. Ganz ehrlich, da sehe ich nicht mehr als maximal sechs Punkte. Es könnte schon noch spannend werden. Doof ist natürlich, dass wir uns mit der 0:6 Niederlage in Hoffenheim das Torverhältnis komplett zerschossen haben, so dass wir eigentlich sieben Punkte aufholen müssen. Aber, um auf die Ausgangsfrage zurück zu kommen: Klar habe ich noch Hoffnung, was bleibt mir sonst?

Hoffnung ist das eine, aber glaubst du tatsächlich auch noch an euren Klassenerhalt? Und wo erwartest du die Mainzer am Saisonende?
Glauben? Ich weiß nicht so recht. Nein, ich glaube nicht mehr daran. Dafür haben wir uns in der Hinrunde in ein zu tiefes Loch gegraben. Mainz steigt mit uns ab, da der HSV aus den letzten sechs Spielen noch 13 Punkte holen und damit 32 Punkte und das bessere Torverhältnis gegenüber dem FSV haben wird. Das ist noch nicht mal im Scherz gemeint. Meine Abschlusstabelle sieht so aus:
16. HSV 32 Punkte | – 14 Tore
17. Mainz 05 32 Punkte | – 16 Tore
18. 1.FC Köln 32 Punkte | – 18 Tore
Und dann denken wir alle nochmal an Pablo de Blasis im Hinspiel und tanzen einen Regentanz.

Der Pablo-Stachel sitzt bei vielen FC-Fans tief, das bekomme ich online oft mit. Aus unserer Mainzer Sicht trifft das natürlich den Falschen. Es war vermutlich seine einzige unsaubere Situation, seitdem er für uns spielt. Pablo ist ein ganz feiner Kerl. – Wortpiratin vs. 4. Offizieller

Auch für die 05-Fans gilt es am Samstag in Köln. (Foto: Meenzer on Tour)

Auch für die 05-Fans gilt es am Samstag in Köln. (Foto: Meenzer on Tour)

Der FC hat angesichts der Pleite in Hoffenheim sicher das Bedürfnis nach Wiedergutmachung. Mainz hat sich gegen Gladbach gut präsentiert, aber erneut kein Tor geschossen. Was für eine Begegnung erwartest du?
Ich erwarte eine Wiedergutmachung der Pleite in Hoffenheim. Ich erwarte einen engagierten, lauffreudigen 1.FC Köln, eine defensive Mainzer Mannschaft und viel Gebolze zwischendurch. Leckerbissen gibt es wohl eher wenige.

Und wer hat das glücklichere Ende für sich?
Der FC muss das Spiel gewinnen, das steht ja außer Frage. Wenn nicht zu Hause gegen Mainz, gegen den wen denn dann? Wahrscheinlich schießt aber Tony Ujah drei Tore in acht Minuten. Ach, ich weiß es doch nicht, ich hoffe einfach auf eine Wiederholung des 20.05.2017. 2:0 für uns.

Danke für das Gespräch!
Danke Dir!

|| Ein großes Dankeschön gilt mal wieder dem wunderbaren Meenzer on Tour für seine Bilder.||