Die Woche am Bruchweg (22/19): Spielt’s noch einmal, 05!

Noch einmal Eintracht Frankfurt schlagen – und schon ist die Saison vorbei. Mich macht das ja schon ein wenig melancholisch. Andererseits werde ich diesen Sommer nach zwei Jahren endlich mal wieder für eine längere Zeit freimachen, und wenn ich meine müden Äuglein in den letzten Videokolumnen sehe, wird das auch Zeit. Der Schoppen ist also halbvoll.

Erfolgreich zum Abschluss gebracht wurde die laufende Saison bereits von der U19 des 1. FSV Mainz 05. In Abwesenheit ihres erkrankten Cheftrainers Benjamin Hoffmann (gute Besserung!) holte das Team, angeleitet von den Co-Trainern Christof Babatz und Stanko Sremac, mit einem 4:1 gegen den 1. FC Kaiserslautern den A-Junioren-Verbandspokal. Damit hat sich die Truppe für den DFB-Pokal der Junioren der kommenden Saison qualifiziert. Ein toller Erfolg.

Noch vor der 1. Mannschaft bringt am Freitag im Bruchwegstadion auch die U23 diese Saison zu Ende. Gegen die TSG Balingen gelang den Jungs von Bartosch Gaul im Hinspiel im November ein 1:0-Auswärtssieg, nun möchte das Team die Saison mit einem erneuten 3-fachen Punktgewinn beenden. Am liebsten vor möglichst vielen Fans, Anpfiff ist um 17.30 Uhr, es werden rund um die Partie auch einige Spieler verabschiedet.

Abschiede und frohe Botschaften

Ein weiterer Abschied, der seit Mittwoch feststeht, ist jener von Jeremiah St. Juste von Mainz 05. Nach der von Verletzungen, OPs und Reha geprägten Saison wechselt er zu Sporting Lissabon. In seinen drei Jahren im Verein seit 2019 hat St. Juste 69 Pflichtspiele (drei Tore, drei Assists) für die Mainzer absolviert.

In Lissabon unterschreibt der Verteidiger einen Vier-Jahres-Vertrag, die kolportierte Ablöse beträgt 9,5 Millionen Euro, die Vereine haben dazu aber Stillschweigen vereinbart. Beim Sieg gegen Hertha BSC war St. Juste bereits im Kader, vielleicht läuft er am Samstag noch ein paar letzte Minuten für Mainz 05 auf. Der Abschied hatte sich abgezeichnet, spannend ist nun die Frage, ob es gelingt, Moussa Niakhaté zu halten.

Tolle Neuigkeiten gibt es von den Meenzer Dynamites, deren Trainerin Niki Nagy diese Woche in meiner Videokolumne „Wortpiratin Rot-Weiß“ zu Besuch ist. Nach zwei niederschmetternden Pleiten zuhause gegen Ketsch und Heide holt die kämpferische Truppe am Mittwochabend einen überlebenswichtigen 28:27-Sieg in Bremen.

Damit wahrt das Team bei drei noch ausstehenden Partien die Chance auf den Klassenerhalt. Der schier unbändige Wille, mit dem diese Spielerinnen mit einer Saison voller Rückschläge umgehen, ist wirklich großartig.

Überhaupt streifen in den verschiedenen Sparten des Vereins derzeit in hoher Dichte Menschen das Trikot dieses Clubs über, die man gerne so lange wie möglich darin sehen würde. Sportlich, ja, aber auch, weil sie zielsicher das Gefühl vermitteln, für die richtigen Dinge zu stehen.

Ein herausragendes Beispiel dafür ist Kapitän Moussa Niakhaté, der nun im Video für das Sondertrikot wieder vorangeht.

Gemeinsam mit der „Better World Stiftung“ von Haupt- und Trikotsponsor KÖMMERLING setzt Mainz 05 damit ein Zeichen für den Frieden in der Ukraine. Je verkauftem Trikot gehen 10 Euro zugunsten der Ukraine-Hilfe an die Stiftung. Es ist eine runde Sache, wenn Verein, Spieler und Sponsor so etwas gemeinsam und glaubwürdig umsetzen.

Dreharbeiten für die Videokolumne am Bruchweg. (Foto: Felix Ostermann)

Was Moussa Niakhaté betrifft, so ist er der nächste Gast in meiner Videokolumne. Am 25. Mai erscheint die neue Folge, in der er unter anderem über seinen Spontanwechsel nach Mainz, die besondere Beziehung zu den Fans und den Wert von Familie spricht. Patrick Zeilmann, im Club zuständig für Integration und Dolmetschen, hat ihn dabei wie immer treffsicher übersetzt.

Wir lesen uns nach dem Saisonabschluss wieder. Passt auf euch und auf einander auf.

Die Woche am Bruchweg (22/18): Dynamites anfeuern!

Es gehört zu meiner persönlichen guten Tradition, hin und wieder ein spektakuläres Spiel zu verpassen. So war das auch mit dem Sieg der 05er gegen Bayern München am vergangenen Samstag. Das Wochenende habe ich in Glarus verbracht, wo Wolfgang Frank dereinst Spieler und Trainer war. Ich glaube nach dem letzten Jahr sagen zu können, dass die Menschen nirgendwo mit so viel Zärtlichkeit von Frank sprechen, wie dort.

Natürlich liegt es auch daran, dass sie ihn alle „Wolfi“ nennen, aber er war unglaublich präsent an diesem Tag – und das nicht nur, weil Jürgen Klopp die Glarener in einer Videobotschaft herzlich grüßte und dabei von seinen Erinnerungen an Frank erzählte.

Livebericht von Mainz nach Glarus

Mitbekommen habe ich das Spiel #M05FCB in einer besonderen Liveberichterstattung durch den Zauberneffen, der zum ersten Mal in seinem Leben ohne mich, nur mit einem Kumpel im Stadion war – und mir beinahe im Minutentakt Fotos, Videos und Jubelarien schickte. Außerdem hat der geschäftstüchtige Kerl die Bayernfans im S-Block ausgemacht, die ihre Becher wild schmissen, diese nach dem Sieg eingesammelt und 48 Euro Pfand verdient. Schlau!

Zauberneffes Becherberg. (Foto: privat)

Für Bo Svensson und sein Trainerteam ebenso wie für die Mannschaft hat mich der Sieg gegen den Meister extrem gefreut. Taktisch ist an diesem Tag alles aufgegangen, was sich Svensson und sein Staff überlegt haben – und endlich konnten die Spieler es auch mal wieder über die vollen 90 Minuten umsetzen. Martin Schmidt, mit dem ich für meine Videokolumne bei der Allgemeinen Zeitung gedreht habe, meinte bei dem Gespräch dafür so treffend: Fast alle 50/50-Spiele, die in der Vorsaison für Mainz ausgegangen sind, habe man in dieser verloren. Da ist was dran – und umso wichtiger war dieser auf allen Ebenen erarbeitete und verdiente Sieg.

Nun sind es tatsächlich nur noch zwei Spiel bis zum Ende der Saison und über die Wehmut, die das bei mir auslöst, habe ich in dieser Woche in meiner AZ-Kolumne geschrieben. Ein offenes Transferfenster ist wirklich so gar nichts für mich, da bin ich ehrlich. In den letzten Tagen habe ich oft über die Spieler nachgedacht, die man so mitbekommt in einem Leben im und mit dem Fußball. Mir geht wirklich jedes Mal das Herz auf, wenn ich andere Partien als die der Mainzer schaue und dabei ehemalige 05er entdecke. Und diejenigen, die Mainz nicht halten kann, dürften, wenn es nach mir geht, alle zu Liverpool wechseln, um so quasi in der Familie zu bleiben.

Profivertrag für Eniss Shabani

Eniss Shabani mit Martin Schmidt bei der Vertragsunterschrift. (Foto: Mainz 05)

Im Verein selbst drängt derweil weiter der Nachwuchs in den Profikader – und das ist eine gute Nachricht. Mit Eniss Shabani hat nach Lasse Rieß, Ben Bobzien, Nelson Weiper und Philipp Schulz das fünfte NLZ-Talent in dieser Saison einen Profivertrag unterschrieben.

Schweizer Einfluss in Mainz

Kleine Anekdote von Dreh dazu: Als Martin Schmidt, damals noch Trainer im 05-Nachwuchs, bei einem Vortrag in der Schweiz vor einigen Jahren von der Arbeit im Nachwuchsleistungszentrum erzählte, wurde er dort aufgezogen, es sei wohl nicht der FSV Mainz 05, sondern der SSV, weil so viel von der Schweizer Nachwuchsphilosophie in den Konzepten steckte. Die kleine Schweiz wird im Fußball oftmals unterschätzt, dabei wurde dort schon mit Raumdeckung und Viererkette gespielt, als die Deutschen noch mit Libero und Manndeckung agierten.

Mit dem Spiel in Berlin am Samstag steht für Mainz die letzte Möglichkeit an, die Auswärtsbilanz aufzupolieren. An Motivation wird es der Truppe sicher nicht mangeln. Eine tolle Sache übrigens, dass die Supporters zum Spiel einen Sonderzug organisieren, wie die vollständige Rückkehr der Fans in die Stadien überhaupt eine wunderbare Neuigkeit ist. Es waren zwei seltsame Saisons mit Geisterspielen und Minimalbesetzung, hoffentlich liegen diese Zeiten hinter uns.

Handballerinnen im Abstiegskampf

In der zweiten Hälfte mehrten sich gegen Ketsch die kleinen Fehler. (Foto: WP)

Ein bisschen unglücklich ist die Ansetzung zum Spätspiel mit Blick auf die Meenzer Dynamites. Die Handballerinnen stecken nach einer durch Verletzungen, Corona-Wellen und viel Pech unglaublich komplizierten Saison tief im Abstiegskampf, noch haben sie aber alles selbst in der Hand. Das Spiel gegen MTV Heide (Samstag 19.30 Uhr) könnte für die Truppe von Niki Nagy nach der Niederlage gegen die Kurpfalz Bären im Derby am Mittwoch zum ersehnten Turnaround werden. Wer kann, sollte das Team dabei unbedingt unterstützen.

Passt auf euch und auf einander auf und bis nächste Woche!

Die Woche am Bruchweg (22/17): Nostalgie und Realismus

Die Woche war lang, ich halte mich kurz. Zunächst gleich zwei Hinweise in eigener Sache. In meiner Videokolumne für die Allgemeine Zeitung ist in dieser Woche Horst-Dieter Strich zu Besuch. In der Saison 1962/63 hütete er das Tor der 05er, ließ sich dann aber vom FCK abwerben, der in der neu geschaffenen 1. Bundesliga dabei war. Als Trainer kehrte er 1984 zum Verein zurück und schaffte mit der Mannschaft in der Saison 1987/88 den Aufstieg in die 2. Bundesliga.

Dieter gehört zu den Menschen, die wirklich viele spannende und wunderbare Geschichten über den Club zu erzählen haben – und bei denen ich mich frage: Wieso hört denen nicht viel öfter und intensiver jemand zu? Es lohnt sich wirklich sehr, mit den Leuten in den Austausch zu gehen. Der Drehtermin war jedenfalls inspirierend und angenehm, kein Wunder bei einem Gesprächspartner, der so witzig und engagiert erzählt.

Die zweite Nachricht ist leider weniger schön, die Veröffentlichung meiner Frank-Biografie wird sich abermals verschieben. Ich bin ziemlich geknickt darüber, aber leider sind im Druck Dinge schiefgelaufen, die weder in meiner noch der Hand des Verlages liegen. Erstmal halte ich mich nun mit Terminansagen zurück, die Hoffnung wäre aber schon: Im Laufe des Mais.

Ansonsten war überall, wo ich mich dieser Tage virtuell oder persönlich aufgehalten habe, die heftige Niederlage in Wolfsburg Thema. Ich habe dazu ja am Wochenende schon etwas geschrieben und widme mich dem Thema, was ein solcher Abend eigentlich generell über das Team und die Trainer aussagt, diese Woche auch in meiner Kolumne für die AZ. Deswegen möchte ich an dieser Stelle nicht mehr allzu viele Worte dazu verlieren, sondern lieber den Trainer zitieren, der auf meine Frage dazu bei der Pressekonferenz aus meiner Sicht ein paar sehr kluge Dinge gesagt hat.

Man könne, erklärte Svensson, bezüglich dieser Saison die klassische Frage stellen: „Ist die Flasche halb leer oder halb voll? Und ich kann beide Sichten verstehen. Es ist auch in mir selbst so drin.“ Trotzdem sei es bei ihm so, dass er großen Respekt davor verspüre, wo man als Club und Mannschaft vor 18 Monaten gewesen ist. „Aber es hat sich natürlich so entwickelt über die Saison, dass man gesehen hat, dass mehr drin war.“

Ich finde es wirklich okay, Kritik auszuüben und ehrgeizig auch zu bleiben als Fan. Ich wünsche mir nur, dass bei aller Kritik und Ehrgeiz ich auch weiß, dass es das Wichtigste ist, die Mannschaft und den Verein zu unterstützen und auch ein Stück weit die Mannschaft zu lieben und dafür tun wir dann auch alles.“

Bo Svensson über die Stimmung im Umfeld

Was die Einschätzung, aber auch die Sehnsucht bezüglich dieses „Mehr“ ausmacht, arbeitete der Coach heraus, dass Fans natürlich unterschiedliche Geschichten mit dem Verein haben und sagte: „Die Ausgangslage für jeden Menschen ist auch anders.“ Wer nur die letzten Jahre erlebt habe, wünsche sich vielleicht mehr, wer die Geschichte von Mainz 05 kenne, habe eine andere Sichtweise auf Phasen wie die derzeitige.

Bo Svensson bei der PK am 28. April. (Foto: Screenshot/Mainz 05)

Svensson ordnete das so ein: „Ich finde es wirklich okay, Kritik auszuüben und ehrgeizig auch zu bleiben als Fan. Ich wünsche mir nur, dass bei aller Kritik und Ehrgeiz ich auch weiß, dass es das Wichtigste ist, die Mannschaft und den Verein zu unterstützen und auch ein Stück weit die Mannschaft zu lieben und dafür tun wir dann auch alles.“

Für mich zeigt diese sehr ausführliche und emotionale Einschätzung vor allem das: Bo hat diesen Verein absolut verstanden, er kann verschiedene Sichtweisen sehr gut zulassen und ist enorm ehrgeizig. Er ist bereit, sehr viel zu geben, fordert dabei auch viel von der Mannschaft – und er hat eine Erwartung ans Umfeld: Zusammenhalt. Mir gefällt das.

Ich hoffe nun aber, niemand kommt auf die Idee, das Team am anstehenden Spiel gegen Bayern München zu messen. Natürlich birgt die Partie eine Außenseiterchance, verlorene Begeisterung wieder zu entfachen, aber ich plädiere an einen gesunden Realismus in Sachen Anspruchshaltung.

Ich selbst werde das Spiel verpassen, weil ich am Wochenende ins Glarener Land fahre. Zwar ohne eine Kiste voll Exemplaren der Frank-Biografie, aber mit sehr viel Vorfreude, beim „Legendenfest“ des FC Glarus, Franks erster Trainerstation, viele Menschen persönlich zu treffen, mit denen ich dafür gesprochen habe.

Meine Dauerkarte hat sich in Vertretung der Zauberneffe gesichert, der dann zum ersten Mal überhaupt nicht mit seiner ollen Tante ins Stadion geht sondern mit einem Kumpel – und es war ganz allein seine Idee. My work here is done. ❤️

Passt auf euch und auf einander auf und bis nächste Woche!

SCHOTT goes Mainz 05 (22/16): Rundenstart geglückt

Mit einem souveränen 7:0 sind die Frauen des TSV SCHOTT Mainz am Sonntag, 24. April, gegen den saarländischen SV Dirmingen in die Abstiegsrunde der Regionalliga Südwest gestartet. Den Frust darüber, auf den letzten Metern den sechsten Platz – und damit die fast sicher geglaubte Berechtigung zur Teilnahme an der Aufstiegsrunde für die 2. Liga – verpasst zu haben, hatte sich das Team schon in der 2. Runde des Verbandspokals Südwest vom Leib geschossen.

Dort gelang gegen die Wormatia aus Worms, die sich in der Liga an SCHOTT vorbei auf den 6. Platz geschoben hatte, am Ostermontag ein überzeugendes 9:3. Gegen den SV Dirmingen, vor der Partie mit fünf Punkten auf Rang 12 der Tabelle, knüpften die #SCHOTTgoes05-Frauen zuhause nahtlos an die torreiche Pokalpartie an. Bereits in der 12. Minute netzte Kapitänin Heiðrún Sigurðardóttir zur 1:0-Führung. Nur drei Minuten später erhöhte Lisa Gürtler auf 2:0.

Gürtler, im Pokalspiel am Montag noch Eigentorschützin ebenso wie Doppelschützin ins richtige Tor, gelang diesmal ein lupenreiner Hattrick, ihrem 2:0 ließ sie auch das 3:0 (17.) sowie das 4:0 (20.) folgen. Mit diesem Zwischenstand ging es nach einer überlegenen ersten Hälfte in die Pause.

In der 56. Minute wechselte das Trainerteam doppelt, für Inga Joest (12) und Aicha Dali (25) kamen Jana Loeber (5) und Lisa Hering (20) aufs Feld. Die optische Überlegenheit bestätigten die Frauen quasi zeitgleich mit dem 5:0 durch ein weiteres Tor: Maren Michelchen traf und verließ kurze Zeit später den Platz für Annabel Rink, die prompt das 6:0 besorgte (70.). Quasi mit dem Abpfiff schoss Jule Stendebach in der 90. Minute gegen chancenlose Gegnerinnen das 7:0. Glückwunsch!

Bevor ich mich uffresch ist es mir lieber egal – or is it?

In der letzten Woche habe ich mit mehreren Leuten darüber gesprochen, ob nach dem bisherigen Saisonverlauf die Karten bei den Schiedsrichtern besonders locker sitzen, wenn es um Bo Svensson geht. Meinungen dazu gingen auseinander, persönlich vermute ich jenen Effekt, den manche von uns womöglich aus der Schule erinnern oder wiederum bei ihren Kindern beobachten: Wer einmal negativ aufgefallen ist, kommt aus der Schublade schwerlich wieder raus. Nicht ganz zufällig wurde das Thema dann auch bei der Pressekonferenz unter der Woche diskutiert, an der ich wegen eines parallelen Drehtermins nicht teilnehmen konnte.

Es scheint jedenfalls kaum vorstellbar, dass Svensson nicht mindestens Gelb, wenn nicht gar Gelb-Rot gesehen hätte, wäre er an der Seitenlinie am Freitagabend ähnlich ausgerastet wie Florian Kohfeldt, dessen massives Einfordern einer Roten Karte absolut unsportlich war. Die Erkenntnis ist ärgerlich, Svensson weiß aber selbst am besten, wie schwierig es für ihn sein wird, seine Rolle da wieder loszuwerden.

Ich glaube, dass ich mittlerweile bei den Schiris einen Ruf habe, das habe ich mir selbst erarbeitet.“

Chefcoach Bo Svensson zu seinen Gelben Karten

Insgesamt bin ich durchaus der Meinung, auch die Entwicklung mit den Karten für Trainer darf mal allgemeiner diskutiert werden, sprich: Was ist mittlerweile die Intention? Wenn es nicht darum geht, Respektlosigkeiten zu unterbinden und ahnden, sondern jede negative Emotion, jedes Widerwort abgestraft wird, kann man das durchaus kritisch ansprechen. Jürgen Klopp hätte mit dem derzeitigen Verfahren in seiner Bundesligazeit wohl jedes fünfte Spiel verpasst. Ist das die Idee?

Ein echter Nackenschlag in Wolfsburg

Die Partie am Freitag in Wolfsburg hallt natürlich ins Wochenende nach. Ganz überraschend kommt der Nackenschlag aus meiner Sicht nicht. Die „Auswärtswoche“ hat Mainz 05 Körner gekostet, vor allem in Sachen Selbstzutrauen. Mit einer bisher insgesamt ergebnisschwachen Auswärtsbilanz in der Saison nun drei Spiele am Stück auf unterschiedliche Arten ärgerlich und in Teilen auch etwas unglücklich zu verlieren, kann an einem Team kaum spurlos vorbeigehen, das war schon gegen Stuttgar zu sehen. Noch so eine ärgerliche Erkenntnis, keine Frage.

Eine Frage, die aus meiner Sicht aber gestellt werden muss, ist, wie ein guter Umgang damit ausschaut. Persönlich kann ich nur wiederholen, dass ich erschrocken bin darüber, wie wenig Kredit Trainer, Team und Staff offenbar in einigen Teilen des Umfeldes genießen. Es ist eine Sache, sich zu ärgern und das zu formulieren, auch Kritik ist vollkommen okay: Die sich wiederholende Behauptung, in Mainz sei es verboten, zu kritisieren wird nicht wahrer, je öfter man sie aufstellt. Aber es ist schon eine Frage des „Wie“ und eine der Grundhaltung in Sachen Erwartung.
Ein Thema, das wir auch in der Gästekurve gestreift haben:

Christian Heidel hat seinerzeit bei der PK zur Verpflichtung von Bo Svensson als Coach etwas gesagt, woran ich oft denke: In Mainz machen die Verantwortlichen Leute zu Trainern, von denen sie glauben, diese haben das Talent für die Bundesliga. Und: „Wir wollen mit Bo ein neues Projekt bei Mainz 05 starten.“ Wie gut sind bitte diese beiden Sätze? Menschen, die bei Mainz 05 arbeiten, dürfen sich entwickeln. Sie dürfen Fehler machen, auch mal in Entscheidungen danebenliegen. Man gibt ihnen den Raum, um besser zu werden. Sie dürfen lernen und wachsen.

Niederlagenserien mit Jürgen Klopp

Kann sich eigentlich niemand mehr erinnern, wie schlecht einige Saisonphasen in den Zeiten mit Jürgen Klopp waren? Und wie ist der zu dem Trainer geworden, der er heute ist? Weil Menschen ihm vertraut und an ihn geglaubt haben. Ohne wäre das so nicht möglich gewesen. Wenn ich in Interviews danach gefragt werden, wie es sein kann, dass Trainergrößen wie Klopp und Tuchel gerade aus Mainz kommen, muss ich immer genau daran denken: Weil sie sich entwickeln durften.

Es gab Zeiten, in denen auch weite Teile des Umfeldes diese Entwicklung mitgetragen haben, zu der Rückschläge dazu gehören. Gemeckert wurde immer, ist doch normal, Fußball ist emotional. Aber der Ton blieb so, dass man sich wieder in die Augen schauen konnte – und beim nächsten Spiel standen natürlich alle hinter ihrem Team. Ist das noch so? Persönlich halte ich es für keine gute Entwicklung, wenn der Verein das Gefühl hat, nach einer Niederlage – und sei sie noch so heftig – mit einer Nachricht wie dieser reagieren zu müssen.

Bo Svensson spricht über die Niederlage in Wolfsburg. (Foto: Screenshot Mainz 05)

Grundtugenden bei den Fans

Einige haben gestern bei Kigges darüber philosophiert, am Ende der Saison drohe die Relegation, während andere scheinbar genussvoll das Eintreffen ihrer negativen Prophezeiungen feierten. Ich habe das diese Woche schon mal angesprochen, aber: Wie kann es sein, dass dieser Club die Klasse hält – und Fans es teilweise nicht mal mitbekommen? Diese scheinbare Lust am Untergang, die bei einigen herrscht, ist mir einfach unbegreiflich.

Wenn die Spieler kommen und gehen, wenn Verantwortliche irgendwann weiterziehen, dann ist die Art und Weise, wie die Menschen im und um den Verein miteinander umgehen das, was Mainz 05 im Kern ausmacht. Es wird sportlich gerne von Grundtugenden gesprochen, die von dem Team in jedem Spiel erwartet werden. Stimmen die Grundtugenden derzeit bei den Anhänger*innen noch? Vielleicht ist gerade ein guter Zeitpunkt, um darüber mal nachzudenken – und sich selbst neu zu justieren im Saisonendspurt.