Must I paint you a Picture?

Must I paint...
die ungeschminkte nacht
hat ihre spuren
auf dem kopfkissen hinterlassen
als sei das hässliche geheimnis
ihr aus den augen gefallen
sich eine leinwand zu suchen.

im immer des Meer

Im immer des Meer
im immer des Meer
ist mein Herz dir in die Augen gefallen
und fand dort, auf dem grünen Grund
deiner Angst das Echo seines Schlages

immer im Meer
wurde das Salz mir in die Haut gebrannt
und suchte dort
unterm schlagenden Dach
deiner Sehnsucht die Ruhe meiner Seele

im immer des
schlugen die Augen dir am Boden auf
und flüchteten dort, in furchtloser Nacht
meinem Schlagen, der Hitze, deiner Liebe.

Dein letzter Tanz

Niemals werde ich die Stille der Nacht vergessen, in der du gestorben bist. Wenn ich die Augen schließe rieche ich den Schnee – und alles ist wieder da. Ich war noch nicht lange Zuhause, als das Telefon klingelte. Nachts um zwei, ein gutes Zeichen ist das selten. Es war die Nummer meiner kleinen Schwester, die mir aus dem Display des Handys entgegenfunkelte, doch als ich das Telefon abnahm, grüßte mich die Stimme ihres Mannes. Spätestens da wusste ich, dass etwas passiert war, sein musste; konnte nur noch nicht ahnen was. Ob mit meiner Schwester alles in Ordnung sei, wollte ich wissen, gepresst verließ die Frage meinen Mund, ängstlich. Ja, alles gut.

Aber? „Dein Vater hatte einen Herzinfarkt.“ Fast erleichtert war ich in diesem Moment, was seine Worte bedeuteten habe ich nicht begriffen. Denn dein Herz schlug unruhig, seit einundzwanzig Jahren. Mit der Regelmäßigkeit von Schaltjahren, muckte der lebensstiftende Muskel immer wieder auf – und ich habe nicht verstanden, warum mein Schwager so schrecklich ernst klang. Kannte er denn deine Krankenakte nicht? Bis dann seine Antwort auf meine Frage fiel, wo ich hinkommen sollte, in welchem Krankenhaus an deinem Bett sitzen. Schimpfen, liebevoll. Dir die Zigaretten aus dem Nachttisch klauen. „Du brauchst nirgendwo hinkommen. Er ist tot, Mara.“ Und ich unendlich langsam begriff, dass dein Vaterherz sich diesmal nicht bloß verschlagen hatte, nicht nur aus dem Takt gekommen war – sondern Stille eingekehrt war in deiner Brust.

Dein letzter Tanz

Solange ich denken kann, bist du immer wieder krank gewesen. Dass du irgendwann sterben musst, stand für uns trotzdem nie zur Debatte. Wir Kinder hatten gelernt, mit deinen Krankheiten zu leben, weil alles andere bedeutet hätte, daran verrückt zu werden. Du, der unverbesserliche Optimist, hattest uns beigebracht, ihnen lachenden Auges entgegenzutreten. Deswegen wussten wir, dass du alles überleben kannst. Mochte dein Herz auch eine organische Schwäche haben, sie wurde zig Mal ausgeglichen durch seine liebende Größe. Denn wie kann ein Herz, das so tief und aufrichtig liebt, dermaßen schwach sein und schließlich brechen. Wie kann der Ort, der dich so lebendig macht, der gleiche sein, der dich tötet?

Die Menschen, die auf dem Fest waren, das dein letztes werden sollte, wussten hinterher viele Geschichten über deinen Tod zu erzählen. Die schönste war, du hättest einen Witz erzählt, Zigarette in der einen Hand, Bier in der anderen, bevor du plötzlich einfach umgefallen bist. Keine davon erwies sich als wahr, doch sie trugen in sich die positiven, frohen Bilder, die alle, die dich gekannt haben, von dir hatten. Dein bester Freund hatte dich eingeladen an jenem Abend. Auf deiner Beerdigung stand er vor uns, die Tränen in seinen Augen dunkel und feucht. „Es tut mir so leid!“ Doch es gab nichts, wofür er sich zu entschuldigen hatte. Vielmehr schuldeten wir ihm Dank, dafür, dass er dich auf das Fest gebracht hatte.

Denn du hast zwar keinen Witz erzählt, als du gestorben bist. Doch dein Herz ist froh und ausgelassen gewesen. Du hast getanzt und Rotwein getrunken, gefeiert und viel gelacht. Als dein Freund das Fest verlassen wollte, kamen just zwei junge Frauen an euren Tisch, um euch aufzufordern. „Den nehmen wir noch mit!“, hast du da gesagt. Es sollte dein letzter Tanz werden. Die Ärzte, die zu dir geeilt kamen, als du beim Verlassen der Tanzfläche umgekippt bist, konnten dich nicht retten. Dein warmes, liebendes Herz war zu müde geworden zum Kämpfen, und hat in dieser Nacht für immer aufgehört zu schlagen. Zuvor aber ist es tanzen gewesen. Und so durftest du sterben, wie du immer gelebt hast: lachend, liebend – und irgendwie glücklich.

Club der toten Väter

„Es gibt da einen Club. Den Club der toten Väter. Und du kannst nicht Mitglied werden, bevor du nicht dazugehörst. Ich meine, natürlich kannst du versuchen, es zu verstehen. Du kannst mitfühlen. Aber – bevor du diesen Verlust nicht selbst erlebt hast… Es tut mir so leid, dass du jetzt dazugehören musst.“
„Ich weiß einfach nicht, wie ich in einer Welt ohne meinen Paps existieren soll.“
„Ja, das ändert sich auch nie wirklich.“
[Frei übersetzt aus Grey’s Anatomy – 3. Staffel]

Ich konnte das nicht begreifen: Es war zu groß für mich. (Foto: Marieke Stern)

Ich konnte das nicht begreifen: Es war zu groß für mich. (Foto: Marieke Stern)

Im Herbst 2002 war ich mit meinem damaligen Freund, meiner Besten und einigen guten Bekannten im Sonnenurlaub in Spanien. Das Wetter verwöhnte uns, es war heiß und trocken, die Abende lang, lau und lustig. Wir tranken spanisches Bier aus kleinen, braunen Flaschen und spielten Karten, jeden Abend, als seien wir auf Klassenfahrt. An einem dieser Abende zeigte mein Handy eine neue SMS an. Sie war von einer guten Freundin, die, so glaubte ich, daheim ungeduldig auf meine Rückkehr wartete: Bereits im letzten Jahr hatten wir gemeinsam zwei Kurzfilme verwirklicht, nach meiner Rückkehr sollte der dritte folgen und wir tauschten täglich aufgeregte Nachrichten aus.

In der SMS ließ meine Freundin mich wissen, dass sie leider ausscheren müsse aus den Plänen, was sie sehr bedaure. So heftig betonte sie diesen Umstand, sich entschuldigen zu wollen für ihre Absage, dass ich einen langen Moment brauchte, um zu verstehen, was doch eigentlich nur zählte: Ihr Vater lag im Krankenhaus, bei ihm war Krebs festgestellt worden. Er starb am Ende des folgenden Winters. Ich erinnere mich an meine Ohnmacht, wenn ich nie die richtigen Worte fand, um sie hinter ihrem abwesenden Gesichtsausdruck zu erreichen. An die riesige Wut auf Gott und die Welt, wenn sie am Telefon immer nur neue Hiobsbotschaften zu verkünden hatte. Und erinnere mich besonders an eine Feier bei mir Zuhause, das hilflose Gefühl, als sie leeren Blickes mitten im Trubel abwesend auf meinem alten Sofa saß – wie sie darin zu versinken schien. Immer schmaler wurde. Und mein Herz warf eine große, traurige Falte, als er schließlich gehen musste. Die intensivste Erinnerung die ich habe aber ist, dass ich es nicht verstehen konnte. Wie das sein muss, seinen Vater zu verlieren. Ich konnte das nicht begreifen: Es war zu groß für mich.

Im Sommer des folgenden Jahres war ich mit einer Freundin auf der Autobahn unterwegs, als wir das Ausfahrtsschild Bad Nauheim passierten. Ich schreckte zusammen, wie man als Kind zusammenzuckt, wenn man gegen die Warnungen der Eltern an einen Zaun greift, der leicht unter Strom steht. „Alles o.k.?“, fragte jene Freundin in mein blasses Gesicht. „Ja. Ich wusste bloß nicht, dass – dieses Schild gerade. Das hat mich etwas erschreckt.“ „Bad Nauheim?“, hakte sie nach und fügte hinzu: „Ja, das finde ich auch immer erschreckend.“ Sie lachte rau. „Wieso?“, war es nun an mir, nachzuhaken. „Mein Vater ist dort gestorben“, entgegnete sie leise; ihr Blick schweifte in eine Ferne, die mir unbekannt war. Mein Vater war auch in Bad Nauheim gewesen, nach seinem Herzinfarkt; doch er hatte überlebt.

Im Sommer 2004 bereiste ich mit meinem damaligen Freund die Südstaaten der USA. Es war der letzte, ernsthafte Versuch, unsere Beziehung noch zu retten – und ausgerechnet er, dessen Planeten sonst nur um seine eigene Sonne kreisten, hatte vorgeschlagen, dass wir mein Mississippi bereisen sollten, wo ich vor fast zehn Jahren die elfte Klasse besucht hatte. Eine Woche von vieren verbrachten wie bei einer lieben Freundin, mit der ich ein Jahrzehnt zuvor die Highschool gemeinsam durchlitten hatte. Und sie: hatte noch mehr gelitten, als ich schon längst wieder in der Heimat weilte. Schwanger mit siebzehn, war sie durch eine Hölle aus Ablehnung und prüder Entrüstung gegangen – doch hatte überlebt. Und wohnte nun mit ihrem Lebensgefährten, dem Sohn und ihren beiden Schwestern im Haus ihres Vaters. Allerdings – ohne den Vater, der kurz zuvor an Krebs gestorben war.

Ich erinnere mich an unsere vielen Gespräche am Tisch in der großen Küche. Sehe die Muster des dunklen Holzes vor mir, zu dem ich herabstarrte, auf meiner verzweifelten Suche nach den richtigen Worten. An meine Tränen, die mit einem leisen Platschen auf das Holz klatschten, und wie töricht ich mir vorkam – wo doch sie es war, die den Vater verloren hatte. Doch wieder überstieg die Situation meine Vorstellungskraft. Ich wollte für sie da sein, ihr Trost spenden – und hatte doch das Gefühl, dabei nie übers Stammeln hinauszukommen. „Guck doch mal“, wisperte ich meinem Freund zu, wenn wir vor den Familienfotos standen, „das war an Ostern. Und sechs Wochen später, zack, ist er tot. Wie soll man das verstehen, ohne wahnsinnig zu werden?“ Er zuckte mit traurigem Gesicht die Schultern – da standen wir: wortlos, hilflos, ahnungslos. Weil es Dinge gibt, die man nicht begreifen kann, bis man sie nicht selbst durchgemacht hat. Und Situationen, in denen man auch dann immer hilflos bleiben wird, wenn man sie schon erlebt hat. Weil es Erlebnisse gibt, in denen kein Wort passt, sondern nur stumme Gesten gegen die lärmende Stille sprechen.

„Es gibt da einen Club. Den Club der toten Väter. Und du kannst nicht Mitglied werden, bevor du nicht dazugehörst. Ich meine, natürlich kannst du versuchen, es zu verstehen, du kannst mitfühlen. Aber – bevor du diesen Verlust nicht selbst erlebt hast…“ An einem 30. Januar wurden meine Geschwister und ich Mitglied im Club der toten Väter. Überraschend. Über Nacht. Und, wie immer: viel zu früh. Ich weiß jetzt, wie sich das anfühlt. Aber „ich weiß einfach nicht, wie ich in einer Welt ohne meinen Paps existieren soll.“ „Ja, das ändert sich auch nie wirklich.“

Spuren im Schnee

Es hatte über Nacht geschneit, obwohl in der Wettervorschau zuletzt steigende Temperaturen angekündigt worden war. Ihre Laune hätte besser nicht sein können, als sie wach wurde; doch wenig schlechter, als sie zunächst realisierte, wo sie sich befand. Und dann den weißen Puderstaub wahrnahm, der sich wie eine Decke über der Landschaft ausgebreitet hatte. Nur, dass es für sie keine schützende war, die wohlige Geborgenheit spendete, sondern eine, unter der alles an ihr zu ersticken drohte. Der Morgen kam und ging, änderte dabei nichts an ihrer Laune; zumal sie versäumt hatte, etwas zu besorgen, um ihn sich aufzuwerten. Diese englische Marmelade vielleicht, oder den neuen indischen Tee? Es schien, als sei sie auf kleinen Helfer angewiesen, um durch die Tage zu kommen. Immerhin, Kaffee hatte es gegeben, ein Vorteil gegenüber gestern. Es war nicht gut, die Nacht im Bett eines Fremden zu verbringen, zu oft konnten die Knaben am Morgen danach nicht mit Kaffee dienen. Aber wer einen Joint als den perfekten Wachmacher ansah, dem verursachte Koffein wohl ohnehin Herzrhythmusstörungen.

Spuren im Schnee

Sie hatte sich mit dem Kiffen nie angefreundet, wenn auch vermutlich nur, weil ihr bei den wenigen Versuchen, die sie mit der Droge gestartet hatte, übel geworden war. Dass sie grundsätzlich etwas gegen Drogen hätte, war so nicht haltbar; die meisten riefen nur bei ihr nicht die Wirkung hervor, für die andere die Rauschmittel schätzten. So blieb sie über die Jahre lediglich dem Rauchen treu; eher ungewöhnlich für eine Leistungssportlerin, aber, wie ihre letzten Wettkampfwerte gezeigt hatten, offenbar kaum abträglich. Sie brachte es auf etwa 30 am Tag, unbeeindruckt vom nun verstummten Wehklagen ihres Trainers, den scharfen Warnungen des Arztes und dem verständnislosen Kopfschütteln ihres Freundes. Freund, das sagte sich so, aber wo der eigentlich geblieben war – sie hatte keine Ahnung. Vielleicht trieb er sich mit anderen Frauen durch die Stadt, aber was sollte sie dagegen sagen? Immerhin trieb sie es in der einzig wahren Bedeutung des Wortes seit Wochen mit einem Kerl nach dem nächsten, allesamt ziemlich jung. Warum die Jungen, war ihr selbst nicht klar, immerhin konnte sie mittlerweile zwischen weniger gutem und schlechtem Sex unterscheiden – im Gegensatz zu den meisten dieser Anfänger.

Das Telefon klingelte, und obwohl ihr nicht der Sinn nach Unterhaltung stand, beantwortet sie sein Schrillen. „Hi, ich bin’s!“ Ihr Bruder schien aus Gründen, die sich ihr nicht erschließen wollten, der Meinung zu sein, er sei der einzige Mann, der sie mit Anrufen nervte. Dabei war ihr AB voll von „ich bin’s“ – und weiß Gott nicht alle von ihm. Andererseits, wie sollte er wissen, dass es all die Knaben gab, neben dem einen, den sie mitbrachte zu Familienfesten. „Was hältst du von ’nem Spaziergang?“ Der Schnee lockte sie nicht, dennoch sagte sie nicht ab und wenige Minuten später stand er vor ihr. „Was macht der Tennisarm?“ „Witzig, Jo! Wenn du willst, dass ich sofort wieder gehe, nur weiter so.“ „War doch nur ein Witz, stell dich nicht so an. Schmerzen?“ „Wie denn, du Depp?“ „Ich dachte, dass man…“ „Nein! Und ich will auch nicht drüber reden.“ Sie liefen schweigend die Straße hinunter, zum Wasser, dorthin zog es sie stets. Er hatte nie eine Richtung gehabt; niemand in ihrer Familie hatte eine Richtung. „Ist dir mal aufgefallen, dass im Schnee immer nur Spuren von Kindern sind? Also, nicht auf dem Gehweg, aber so daneben, in den Wiesen und so?“ Sie sah den schlaksigen Kerl betont desinteressiert an. Ein hübscher Junge, keine Frage.

„Du bist ein Trottel“, stellte sie fest, ohne auf seine Frage einzugehen. Er reagierte mit einem albernen Kichern, so als ob sie ihm ein Kompliment gemacht hätte. Schweigend gingen sie weiter. Sie dachte nach, in einer Intensität, dass sie glaubte, er müsse die Rädchen in ihrem Hirn bei jeder Bewegung quietschen hören. Aber nichts deutete darauf hin, dass er sie beobachtete oder auf eine ernsthafte Antwort auf seine eindringlich gestellte Frage wartete. Sie beantwortete sich diese im Stillen, als wolle sie ihn nicht daran teilhaben lassen, was ihr Kopf an Ergebnissen produzierte. Erwachsene glaubten, einen Weg erkannt zu haben, dem sie folgen mussten, dabei hatten sie nichts als ihre Unbeschwertheit verloren. Kinder, die wichen vom Wege ab, stürmten in die weiße Pracht, als ob es nichts Schöneres gäbe; nichts faszinierender sei als die Abdrücke ihrer kleinen Füße im leuchtenden Weiß. Je unterschiedlicher die Schuhprofile ihrer Gefährten, umso besser, es erhöhte den Zauber beim Spurenlesen. Nur unwillig erinnerte sie sich, dass als Kind auch sie den Schnee gemocht hatte.

„Schnee ist eh doof. Genau wie du. Und kleine Kinder.“ „Man, hast du eine Laune. Wie hält denn Mark das aus?“ Gar nicht, schmerzte sie, er legt meine ehemaligen Teamkolleginnen flach, während ich vom Hausmeister bis zum Vereinspräsidenten allen die Schwänze lutsche und wir uns beim Frühstück ins Gesicht lächeln und so tun, als wäre alles in Ordnung. „Och, der verträgt das ganz gut.“ „Marie, wieso willst du denn mit niemandem darüber reden?“ „Worüber?“, stellte sie sich dumm. „Den Unfall. Dass du keinen Schnee mehr magst. Und deine Klamotten bei einer Schneiderin darauf warten, abgeholt zu werden. Schreibst du mit links?“ Ich mache alles mit links, dachte sie bei sich, null Problemo, gar kein Ding, besten Dank. „Weil es nicht euer Problem ist.“ „Doch“, insistierte er, was ungewöhnlich war. „Denkst du, ich weiß nichts von Marks Affären? Oder glaubst du, deine hätten sich nicht rumgesprochen? Warum lässt du dir nicht helfen? Wieso hast du aufgehört, zum Arzt zu gehen?“

Marie spürte unvermutet ein heftiges Pochen in der rechten Schulter. Es fühlte sich an, als ob die Wunde aufplatzen wollte, auch wenn sie wusste, das war unmöglich. Jos Gequatsche machte sie wütend. Warum akzeptierte niemand, dass sie beschlossen hatte, das Thema nicht anzusprechen. Allein der Gedanken, dass ihre Sachen überhaupt bei der verdammten Schneiderin lagen, war unerträglich. Es gab Dinge, die konnte man nicht flicken. „Du willst wissen, warum ich aufgehört habe zu meinem Arzt zu gehen, du Affe?“ Jo nickte und schien tatsächlich aus ihrem Mund eine vernünftige Antwort zu erwarten; irgendwie rührend. „Weil er ein Dieb ist, Jo. Deswegen.“ „Was hat er dir denn geklaut? Geld?“ Marie verdrehte die Augen. Mit der Hand deutete sie auf ihre offenen Schnürsenkel. „Mach mal zu“, bat sie den Bruder barsch. „Wieso ich?“ „Weil ich mit links noch nicht binden kann, du Arsch“, murmelte Marie leise, und mit der Hand griff sie nach dem luftigen rechten Jackenärmel und wedelte ihrem Bruder damit vorm Gesicht.