Das Schiff geht still im Triebe,
trägt eine teure Last;
das Segel ist die Liebe,
der Heilig Geist der Mast.
[Johannes Tauler]
Seinem neuen Buch „Wenn Spieltag ist – Fußballfans in der Bundesliga“ hat Hardy Grüne das wunderbare Zitat von Eric Cantona voran gestellt, in dem dieser treffend ausformuliert, was jeder Fan ohnehin weiß: „You can change your wife, your politics, your religion – but never, never can you change your favorite football team.“ Besser ist diese absolute Liebe niemals beschrieben worden.
Grüne unterteilt seine 256-Seiten-starke Reise durch die Geschichte der Fußballfans in acht thematische Kapitel, nämlich: Fans – Eine Typologie, Kurve – Die Seele der Fans, Farbe – Aktive Fankultur, Auswärts – Fans auf Reisen, Gewalt – Die dunkle Seite des Spiels, Frauen – Weibliche Fankultur, Kommerz – Moderner Fußball, Ultras – die Rebellen der Kurve. Für die Bereiche Frauen und Ultras hat er sich mit Nicole Selmer und Christoph Ruf zwei Co-Autoren ins Boot geholt, die über das jeweilige Thema bereits zuvor publiziert haben.
Früher hatten neue Bücher einmal diesen besonderen Geruch. Ich weiß nicht, wohin genau der verschwunden ist, denn Druck ist Druck, sollte man meinen, doch die kleinen Softcover von heute verströmen nicht mehr den Duft, mit dem man sich tagelang am Kamin festlesen wollte. Grünes Spieltagsbuch ist von einer üppigen Haptik, die beinah vergessen scheint in Zeiten von Kindle & Co. – nicht nur ist die DinA4-Größe als Format fast ausgerottet, es ist auch ein dickes, schweres Buch – ein Wälzer im besten Sinne –, dabei aber keine Bleiwüste, sondern mit unzähligen Bildern liebevoll gestaltet und aufgewertet durch allerlei Zitate von Fußballgrößen. Und es duftet, lacht ihr ruhig, aber ich hatte vergessen, wie gut so ein neues Buch duften kann… Völlig egal also, ob auf einen Reader etwa zig Hundert Bücher passen, wer Grünes Buch durchblättert, glaubt (wieder) an die Zukunft von Druckerschwärze.
Was am Ansatz des Autors besonders angenehm ist – er betrachtet die Szene gleichermaßen als Aktiver und aus der Distanz. Fan ganz allgemein und auch speziell im Fußball, das ist er vor Jahrzehnten geworden, aber er setzt sich mit der Kultur und Entwicklungsgeschichte eben auch als Journalist und Historiker auseinander. Es ist genau dieser Spagat, der das Buch besonders macht, weil da einer schreibt, der sich ehrlich bemüht, beide Perspektiven auf Fans und Szene zu schildern, sie einander und jedem Leser, der sich weder zu der einen noch der anderen Seite zählt, nahe zu bringen. Das ist keine leichte Aufgabe doch zumeist gelingt der von ihm selbst benannte Spagat.
Bei aller Genauigkeit der Recherche, Aktualität und Liebe zum Detail sind es aber doch vor allem die Fotos, von denen dieses Buch lebt. Bilder aus zig Jahrzehnten Fußballliebe, in die nach und nach die Farbe einfließt, Abbildungen aus den Stadien der Republik, Impressionen begeisterter Fans, Erinnerungen an magische Momente – skurril, erstaunlich und emotional. Sie machen das Buch quasi zum Familienalbum, in dem sich die ganze weit verstreute Sippe wieder findet. Schön!