Die Woche am Bruchweg (22/15): Widersprüche aushalten

Ambiguitätstoleranz. So wunderschön das Wort, so wenig verbreitet die Fähigkeit. Widersprüche aushalten. Sich von Schwarz-und-Weiß trennen. Anerkennen können, das mehrere Dinge gleichzeitig wahr sein können, gut oder schlecht. Eine Eigenschaft, die in diesen Zeiten immer wichtiger wird, aber eine Bereitschaft erfordert, hinter die Fassade zu schauen, die leider nicht allen Menschen gegeben ist.

Große Worte zum Einstieg, I know. Aber bekanntlich finden gerade auch mal wieder ziemliche Verschiebungen statt auf der Welt – und irgendwie suchen wir wohl alle unsere Wege, damit umzugehen. Ist ja nicht so, als wären wir im dritten Jahr einer weltweiten Pandemie, immer noch, als Grundrauschen, unter allem anderen.

Frustrierende Punktausbeute

Und Fußball? Vereint manchmal auch scheinbar Widersprüchliches. Wie den berechtigten Frust über die geringe Punktausbeute der 05er in diesen drei Spielen binnen sechs Tagen. Das Hadern mit einer unerklärlichen Schwäche nach Standards und dem fehlenden Quäntchen Glück. Aber auch das Wissen darum, wenn Mainz 05 nach 29 Spieltagen mit 38 Punkten auf dem 10. Platz steht und mit dem Abstieg nichts mehr zu tun hat, dann sprechen wir von einer guten Saison.

Bedient nach nur einem Punkt aus drei Partien: Bo Svensson. (Foto: Screenshot Mainz 05)

Vielleicht würde der Cheftrainer selbst dem widersprechen. Weil er sich mit dem Team nicht den Klassenerhalt als Ziel gesetzt hat, sondern – so muss man seine Worte verstehen – sie im Kollektiv nach Höherem streben. Und ist das nicht ein weiterer Grund zur Freude? Ein Coach, der mit seinem Staff und der ehemals völlig blockierten Mannschaft sensationell die Klasse hält, möchte mit den Jungs in der Folgesaison mehr als das. Ich kann dem extrem viel abgewinnen.

Warum die Störgeräusche?

Die Nebengeräusche sind dennoch bereits wieder laut und eindringlich. Wohin ich in diesen Tagen gehe, als Eine, die immer auch mit Mainz 05 assoziiert wird, stellen die Menschen mir die Frage: „Woher kommt diese Unruhe im Umfeld des Clubs? Warum sind Teile der Fans scheinbar immer unzufrieden?“ Ich kann das ehrlich nicht beantworten, glaube aber, es ist einem Verein nicht zuträglich, wenn seine Anhänger*innenschaft so wahrgenommen wird.

Talente: Weiper und Schulz. (Foto: Mainz 05)

Ein gern behandeltes Thema ist die Frage danach, wie viel Zeit die NLZ-Spieler für die Erste Mannschaft aufs Feld bringen. Ich glaube ehrlicherweise, den Wert eines Nachwuchsspielers für seinen Verein nur an den Einsatzminuten im Profiteam zu messen, ist, wie einen Stürmer nur nach seinen Toren zu bewerten. Kann man machen, führt aber nicht wirklich irgendwo hin.

Die Spieler im Nachwuchsleistungszentrum wissen um ihre Aufstiegschancen. Sie werden frühzeitig mit Profiverträgen ausgestattet und spüren, dass sie in einem Club spielen, der ihnen eine Chance geben wird. Die Aufmerksamkeit Svenssons für den Nachwuchs, eine gemeinsame Linie in Taktik und Ausbildung, Training mit den Profis und Kaderzeiten lassen diese jungen Spieler nicht unberührt. All das hat einen Wert, der nicht immer sichtbar ist.

Und es gehört auch dazu, mit sich selbst ein bisschen ehrlicher zu sein. Was, wenn nun die Jugendspieler vermehrt auf dem Platz stehen und die Leistung nicht wie erhofft liefern würden? Die Vorwürfe an Svensson, er verspiele die Chance auf Europa, würden imho schnell laut. Ein bisschen mehr Ruhe würde bei diesem Thema guttun.

Hofmann ab Mai im Hauptamt

Stefan Hofmann bei den Dreharbeiten zu Wortpiratin rot-weiß. (Foto: Malino Schust)

Ruhig bleibt es auch im Vorstand des Vereins, wo Stefan Hofmann ab dem 1. Mai seine Arbeit hauptamtlich ausführen darf. Das einstimmige Votum des Aufsichtsrates kommt nicht überraschend, zuvor hatte bereits die Mitgliederversammlung ihr Okay für die derzeitige Amtsperiode gegeben. Als neue Zuständigkeitsbereiche kommen die Bereiche Organisation, Personal und Recht hinzu.

Das von den Mitgliedern und dem Aufsichtsrat gleichermaßen entgegengebrachte Vertrauen ehrt mich. Mainz 05 ist für mich bisher kein Teilzeitjob gewesen, sondern schon immer eine Herzensangelegenheit, der ich mich ganz und gar verschrieben habe.“

Stefan Hofmann, Vereinsvorsitzender

Und eine weitere Personalentscheidung hat der Club bekanntgegeben. Die seit dem Abgang von Michael Welling vakante Position als Direktor Marketing wird mit Christoph Reisenauer als Direktor Marketing und Vertrieb neu besetzt. Der Veranstaltungsmanager war zuvor 16 Jahre bei Eintracht Frankfurt tätig. Es wird spannend, zu beobachten, wie der Wechsel vom Main an den Rhein ihm gelingt.

Don’t call it „Frauenfußball“

Apropos Wechsel, erschienen ist in dieser Woche meine Videokolumne mit SCHOTT-Kapitänin Heiðrún Sigurðardóttir. Wir sprechen über die Kooperation von Mainz 05 mit den Fußballfrauen, was es ihr bedeutet, bald in Rot-Weiß aufzulaufen, warum der Begriff „Frauenfußball“ sie nervt und wie es war, als kickender Drilling aufzuwachsen. Eine ausführliche Audioversion des Interviews findet ihr hier.

Ich verabschiede mich in eine kleine und dringend notwendige Osterpause und hoffe, ihr könnt in den nächsten Tagen ebenfalls ein bisschen Zeit und Abstand gewinnen. Passt auf euch und auf einander auf.

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