Die Woche am Bruchweg (23/5): Geile Herausforderung

„Berlin, Berlin, wir fahren nach …“ Nun ja. Die 05er fahren tatsächlich nach Berlin am Wochenende, mit dem DFB-Pokal haben sie allerdings nach dem Spiel am Mittwoch nichts mehr zu tun. Für die seltsam mut- und leblose erste Hälfte drängt sich keine wirkliche Erklärung auf, bis auf diese: Spiele, in denen die Mannschaft von Bo Svensson nur phasenweise ihre Stärken ausspielt, sind nicht neu. Genau dieser Punkt sei deshalb auch in der Nachbetrachtung noch mal Thema gewesen, sagte Svensson am Freitag in der Pressekonferenz. Selbstkritik hatten Spieler und Trainer schon nach Abpfiff gezeigt.

Bo Svensson in der Pressekonferenz vor der Partie in Berlin. (Screenshot: Youtube Mainz 05)

Da stand freilich noch ein ganz anderes Thema im Fokus, nämlich die Rote Karte für den 05-Trainer. Der erklärte am späten Mittwochabend, er habe sich bei Deniz Aytekin entschuldigt, der Schiedsrichter selbst sagte, das Thema sei damit für ihn erledigt. Zufrieden wirkte dabei niemand so wirklich. Aytekin hatte zunächst behauptet, Svensson habe „Blinder“ gesagt, sich aber später korrigiert. Der Coach ließ später durchblicken, er fühle sich in Sachen Karten unter besondere Beobachtung – und habe definitiv niemanden beleidigt. Gesperrt ist er nun wegen Unsportlichkeit.

Das Thema mag leidig sein, es ist aber vielschichtig. Den Eindruck, dass Svensson unter besonderer Beobachtung steht, hat er nicht exklusiv. Wer sieht, wie Julian Nagelsmann oder Christian Streich regelmäßig an der Seitenlinie explodieren, muss sich fragen, wieso andere Trainer seltener Karten kriegen: Erfolgsverein? Kultcoach? Svensson hat sich seinen Ruf diesbezüglich natürlich selbst erarbeitet – und weiß das auch. Letztlich müssen Schiedsrichter*innen aber lernen, zu honorieren, wenn Teamverantwortliche an sich arbeiten. Und sollten auch ihre eigenen Worte vorsichtig abwägen, wie das Beispiel von Aytekin in der Mixed Zone illustriert.

Ich war anfangs gar keine Freundin der Karten für Trainer*innen & Co., weil ich nicht glaube, dass sich alles über Belehrung lösen lässt. Andererseits ist die Bundesliga nun mal Vorbild für den Jugend- und den Amateur*innenbereich – und gibt da kein gutes Bild ab: Gerade das Bedrängen von Referees durch Spieler*innen, aber auch das lautstarke Beschweren vom Seitenrand, erreicht teils ein wirklich nerviges Level. Und eines, das nicht hinnehmbar ist. Es geht in keinster Weise darum, Emotionen aus dem Sport zu halten, denn die sind wichtig. Es kommt aber darauf an, wie man sie zeigt. Persönlich finde ich die Spieler (m) da deutlich häufiger drüber als sportlich Verantwortliche, Stichwort Rudelbildung.

Worauf es außerdem ankommt, ist, wie man Emotionen, speziell negative, artikuliert. Und damit sind wir wieder beim Mittwoch. „Seid ihr blind?“ mag nicht böse gemeint sein, bei Sprache geht es aber um mehr als das. Die Redewendung ist ableistisch, denn hier wird das Wort „blind“ genutzt, um jemanden abzuwerten. Mag für den einen oder die andere erstmal erstaunlich klingen, aber jede*r von uns hätte den Ableismus direkt erkannt, wenn Svensson „Seid ihr behindert?“ gerufen hätte. Unterm Strich gibt’s da keinen Unterschied, der 05-Trainer hat, wenn auch unbewusst, diskriminierende Sprache genutzt. Deswegen finde ich übrigens das Urteil in der Begründung nicht wirklich zufriedenstellend. Wer sich zum Thema diskriminierungsfrei Sprache bilden möchte, kann das auf der famosen Seite Sprachkick tun. Weiterführende Infos zu Ableismus finden sich unter anderem hier.

Und nun zum Sport? Aber sicher, und damit tatsächlich: nach Berlin. Dem Team von Urs Fischer sprach Svensson in der Pressekonferenz am Freitag zu, jenes zu sein, das wohl am klarsten spiele in der Liga. Die Partie sei insofern eine „große Herausforderung“, aber auch etwas, worauf man sich freue. Das Hinspiel habe gezeigt, man könne Union Berlin durchaus vor Probleme stellen.

Fehlen wird neben den Langzeitausfällen am Samstag auch Silvan Widmer. Ehrlich gesagt hatte ich bei ihm seit der langen Winterpause noch in keinem Spiel den Eindruck, dass er seine Normalform erreicht hat. Insofern bin ich gespannt darauf, wie Danny da Costa an der Alten Försterei auftreten wird.

Brutal schlechte Neuigkeiten gibt’s im Umfeld des Vereins für das Fanprojekt Mainz, dem – wie die AZ berichtet – voraussichtlich per sofort 44.000 Euro fehlen werden. Der Landkreis Mainz-Bingen hat angekündigt, die Förderung in Höhe von 22.000 Euro einzustellen, was bedeuten würde, dass die DFL dieselbe Summe an Aufstockung abzieht. Wer die großartige Arbeit des Fanprojekts mit Jugendlichen kennt, kann sich nur wundern über diese grotesken Sparpläne. Noch kann der Kreistag (Abstimmung über den Haushalt am 10. Februar) anders entscheiden. Es wäre dringend notwendig.

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