Ein Stück Geschichte: Heile, heile Gänsje aus Mainz

In Mainz grüßen aktuell „Gänsje“ von Brücken, Gebäuden und dem Balkon des Staatstheaters. Während in der goldenen Stadt die Symbolkraft des possierlichen Tieres nicht erklärt werden muss, runzeln andere erstaunt die Stirn. Dies umso mehr, nachdem Q-Block und Supporters ein Merchpaket mit dem Gänsje aufgelegt haben, dessen Erlös dem Verein Armut und Gesundheit in Deutschland, Kochen für Helden Mainz und Ärzte ohne Grenzen zugute kommt. Damit auch alle Auswärtigen wissen, was es mit dem Gänsje eigentlich auf sich hat, hier der Grund Nummer 6 aus „111 Gründe, Mainz 05 zu lieben“.

Das Staatstheater Mainz hat den Balkon schön. (Bild: Rheinhessen on Tour)

Am 27. Februar 1945 wurde die Mainzer Innenstadt in Schutt und Asche gebombt. Sieben Jahre später, die Stadt lag immer noch in Trümmern, sang zur Fastnacht der Dachdecker Ernst Neger (Annäherung zur einzig zulässigen Aussprache: „Ännst Nejschä“ mit einem langen e und einem sehr weichen sch) das alte Fastnachtslied „Heile heile Gänsje“ um eine neue Strophe erweitert.

„Wär’ ich emol de Herrgott heit, dann wüsste ich nur eens. Ich nähm’ in meine Arme weit mein arm’ zertrümmert’ Meenz. Ich streichelt’ es ganz sanft und lind und sagt: Hab nur Geduld! Ich bau dich wieder auf geschwind, ei, du warst doch gar nit schuld. Ich mach’ dich wieder wunderschön. Du kannst, du derfst nit unnergehn!“ Der Saal war vollständig in Tränen aufgelöst, Ernst Neger augenblicklich unsterblich – und Mainz endlich wieder am Leben.

Tu Gutes und quake darüber. (Bild: Supporters Mainz e.V.)

1955 begann die Fernsehfastnacht. 1964 brach der ganze Sendeplan zusammen, verantwortlich war wieder Ernst Neger: Sein Lied „Das Humbta Täterä“, ein Gassenhauer über Blasmusik mit der wunderbaren Zeile „Und schießt bei uns der Sportverein am Sonntag mal ein Tor, steht alles auf dem Kopf, denn das kommt selten vor“, war ein Riesenerfolg, das Publikum stand auf den Stühlen, verlangte die Zugaben im Dutzend, beruhigte sich erst nach einer Stunde wieder einigermaßen.

Wer sich schließlich das „Gebt mir ein H“-Spiel fürs Fußballstadion ausgedacht hat, darüber streiten sich die Gelehrten. Uns ist das letztlich egal, denn wir wissen, wer die ältesten Rechte daran hat. Ernst Neger wäre 2009 hundert Jahre alt geworden. Vor dem Fastnachtsspiel gegen Hansa Rostock, ein paar Wochen nach seinem runden Geburtstag, bekam er von den 05-Ultras verdienterweise seine eigene Choreographie. Und als Einlauflied gab’s ausnahmsweise „Das Humbta Täterä“.

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