Am Wochenende hatte ich die große Ehre und noch größere Freude, bei der Gala der Deutschen Akademie für Fußballkultur die Laudatio auf die Weiß-braunen Kaffeetrinker*innen zu halten. Weil ich das Thema so wichtig finde, möchte ich diese hier gern zum Nachlesen veröffentlichen. Kontaktiert die tolle Truppe, wenn ihr ähnliches vorhabt. Und unterstützt ihre tolle Arbeit.
Hallo liebe alle, die Sie und ihr dem Fußball verbunden sind und seid. Ich freue mich wirklich sehr, heute die Laudatio für den easyCredit-Fanpreis 2022 halten zu dürfen. Seit der Jurysitzung hat diese Laudatio eigentlich immer ein bisschen in meinem Kopf und in meinem Herzen gearbeitet – und ich könnte bestimmt zwei Stunden über Fankultur sprechen. Aber ich verspreche, ich fasse mich kurz.
Fußballfans, Menschen, die dem Fußball verbunden sind, sind eine unglaublich heterogene Gruppe. Daran muss man vielleicht mal ganz explizit erinnern in Zeiten, in denen sich in der öffentlichen Wahrnehmung abermals ein Bild vom Fan als grölendem, betrunkenen, immer gewaltbereiten Fan verfestigt. Gibt’s im Stadion Probleme? Sicher. Wie überall sonst auch, wo Zehntausende aufeinandertreffen.
Gemessen an allen Menschen, die ihre Wochenenden in den Stadien verbringen, passiert dort allerdings sehr, sehr wenig, was negativer Schlagzeilen bedürfe. Und trotzdem ist die Aufmerksamkeit bei negativen Themen immens hoch, während all die wunderbaren Dinge, die Fans tun und leisten, ihr Engagement im sozialen, ihre Arbeit für ein inklusives Stadion, gegen Diskriminierungen und Ausgrenzung, viel zu selten im Rampenlicht steht.
Heute Abend wollen wir das Rampenlicht für die Fans ganz besonders hell strahlen lassen.
Die Fangruppen, die sich für den Fanpreis beworben haben, sind vielfältig und engagiert, sie klären auf, helfen vermeintlich Schwächeren, die ja in der Regel nur diejenigen sind, die von der Gesellschaft sonst zu wenig Hilfe bekommen. Sie engagieren sich in ihren Städten.
Eine Vielzahl von Fanclubs engagiert sich seit dem Angriffskrieg Putins auf die Ukraine ganz intensiv für Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten.
Wir waren in der Jury echt überwältigt von der Vielzahl der wunderbaren Einsendungen. Wir danken allen, die sich um diesen Preis beworben haben, für ihr Engagement und rufen ihnen zu: Wir sehen euch!
Und trotzdem. Trotz all der wundervollen Projekte war das eine sehr kurze Jurysitzung. Weil wir alle ein Gespür dafür hatten, dass da eine Gruppe dabei ist, die heraussticht damit, was für ein Thema sie beackert. Deswegen zeichnen wir die Weiß-braunen Kaffeetrinker*innen aus, deren fußballerische Liebe dem FC St. Pauli gehört.
Warum die Kaffeetrinker*innen?
Die Mitglieder des Fanclubs haben am Millerntor das so genannte Trockendock eröffnet, einen Verkaufsstand, an dem es ausschließlich alkoholfreie Getränke gibt. Sie haben aus Eigenmitteln die Finanzierung gestemmt, nachdem der Verein ihren Antrag abgelehnt hat, vier alkoholfreie Stände für alle Fans anzubieten. Der Club duldet den Trockendock heute, das Risiko tragen aber die Kaffeetrinker*innen. Mit dem Preis wollen wir ihr Engagement nicht nur auszeichnen, sondern auch unterstützen – und ihr finanzielles Risiko lindern.
Die Verbindung von Alkohol und Fußball ist sehr intensiv. Bier im Stadion ist für viele von uns total selbstverständlich, auf Auswärtsfahrten ist Alkohol morgens um neun der Standard, ein Spiel, bei dem es nur alkoholfreies Bier gibt, wird leidvoll beklagt. Was macht das mit denen, die eine Suchtkrankheit überwunden haben?
Es geht beim Engagement der Kaffeetrinker*innen nicht um Verbote, nicht darum, Bier aus den Stadien zu verbannen. Es geht darum, sichere Orte innerhalb des Fußballs zu schaffen. Inzwischen sind Menschen mit unterschiedlichen Suchtthematiken vereint unterm Dach der WBKler*innen. Während Vereine mit Wetten und Alkoholika für sich werben, macht dieser tolle Fanclub uns darauf aufmerksam, dass wir wachsam sein müssen beim Thema Sucht.
Das Stadion ist ein Ort für große Gefühle, für wunderbare Gemeinschaft, für das nun schon angesprochene soziale Engagement. Es ist aber zugleich ein Ort, an dem – übrigens gerade auch junge – Menschen extrem selbstverständlich mit Alkohol in Kontakt kommen. Und an dem umgekehrt dem Alkohol nicht leicht zu entkommen ist.
Deshalb ist das Angebot der Weiß-braunen Kaffeetrinker so wichtig und wir hoffen, dass es Schule macht. Und darum, ganz ohne Oscar-Umschlag: Ganz herzlichen Glückwunsch an die Weiß-braunen Kaffetrinker*innen zum easyCredit-Fanpreis 2022.
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