Freitag + Ikea + Tchibo = Singlefrust³

Als Single durchläuft man verschiedene Phasen. Mal findet man diese Lebenssituation mehr, mal weniger toll. Manchmal drängen sich die Vorteile geradezu auf, dann wiederum lassen sich die Nachteile nicht übersehen. Sich nach niemandem richten zu müssen kann unheimlich entspannend sein – beizeiten würde man aber seinen ganzen Stundenplan auf einen anderen Menschen einstellen, nur, um sonntags nicht alleine zu sein. Vermutlich die selben Schwankungen, die man in einer Beziehung auch durchmacht – nur von der anderen Seite betrachtet.

Der Frust ist trotzdem ein anderer. In einer Beziehung hat man diesen mit etwas, das einen stört, ärgert, verletzt oder nervt – und womit man in irgendeiner Form umgehen muss, damit die eigene Seele, das eigene Leben wieder Gleichgewicht findet. Der Frust beim Single hat hingegen mehr mit Mangelverwaltung zu tun, damit, dass etwas fehlt – und bekommt so manchmal etwas Hektisches: Wer sich alleine fühlt, kann keinen Menschen aus dem Ärmel schütteln, dasselbe gilt für Nähe und Zweisamkeit. Entweder stopft man also die Lücke mit etwas, wovon man weiß, es passt nicht, ist nur Ersatz(handlung) – oder aber, man arrangiert sich irgendwie mit dem tauben Gefühl, dass da etwas fehlt.

Wer sich gerade in der „Leben-mit-Lücke“-Phase befindet, sollte eines auf jeden Fall meiden: Ikea-Warenhäuser; speziell an einem Freitagabend. Für die Solo-Dame ist ein Ikea-Besuch ohnehin schon grenzwertig, zumindest, wenn sie nicht mit außerordentlichem handwerklichen Geschick gesegnet ist. Ich für meinen Teil kann in der Wohnung ziemlich viel alleine regeln, aber spätestens, wenn Strom ins Spiel kommt, muss ich passen.

Ikea

Natürlich sehe ich beim Bummel durch die Katalogwohnungen in aller Regel Lampen, die wundervoll in meine Wohnung passen würde – aber bestenfalls direkt eine neue Leitung bräuchten; wenigstens eine Kabelkürzung. Oder große, sperrige, schwere Sachen, die ich alleine nicht einmal zum Auto bekäme. Wieso die Jungs bei Ikea nicht für ein paar Euro Tüten- und Kistenträger anbieten, ist mir ein Rätsel; was erstmal im Kundenkofferraum verschwindet, ist doch verkauft – und wie das Zeug dann in die heimischen Wohnungen kommt, darüber müssen die Schweden sich ja keine Gedanken mehr machen…

Nun also, Ikea. Und Hotdogs, das alleine ist schon ein Grund; und es hat Ausflugscharakter, das blaue Gebäude mit den gelben Buchstaben zu betreten. Wie früher, als Kind, nur dass ich mir heute Dinge kaufen kann, statt darum bitten zu müssen. Dafür muss ich sie natürlich auch selbst bezahlen. Und außerdem, außerdem war ich als Kind auch niemals alleine hier, so wie heute, mutterseelenallein, noch nichtmal ein Hotdog – die Schlange war zu lang.

„Schatz, guck mal, die Kissen würden doch super ins Wohnzimmer passen, oder?“ Na klar, direkt neben mir positioniert sich ein Pärchen, offenbar kurz nach Bezug der ersten gemeinsamen Wohnung. Noch ein bisschen high und mit viel Zucker in der Stimme.

Er: „Hmmh.“
Sie: „Guck mal, das lindgrün, ganz toll zu der roten Wand.“
Er: „Joah.“ (nimmt ein Kissen, guckt skeptisch)
Sie: „Gefällt dir nicht, Bärchen?“

Bärchen? Also ehrlich! Lindgrüne Kissen? Ach komm! Rote Wände? Nicht euer Ernst… Kommt, jetzt mault euch mal ein bisschen an, damit ich auch was davon habe.

Er (betrübt): „Ich finde die halt nicht so schön.“
Sie (tröstend): „Das macht doch nix, du. Dann nehmen wir andere.“
Heftiges, von ihr initiiertes Knutschen.
Sie: „Alles okay, mein Bär?“
Er (lächelnd): „Mhm!“
Greift die lindgrünen Kissen, packt sie in den Wagen.
Sie: „Aber was machst du denn?“
Er: „Wenn sie dir doch gefallen, Puppe.“
Erneut heftiges Knutschen.

Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause. (Foto: WP)

Wir geben ihrer Zukunft ein Zuhause. (Foto: WP)

Mir ist ein bisschen übel. Ich will keine lindgrünen Kissen und keine rote Wand. Ich will bei Gott keinen Typen, der sich Bärchen nennen lässt – und ich bin auch ziemlich weit entfernt von der Vorstellung einer Bärchen, äh: Pärchenwohnung. Aber dieses eeeklige Glitzern, was die beiden gerade in den Augen hatten… Seufz. Und dann natürlich: knutschen.

Stattdessen tröpfle ich an die Kasse, wo ich genau die zwei Teile zahle, die auf meinem Einkaufszettel standen – alleine das ist ein Zeichen dafür, dass ich es am Ende eilig damit hatte, aus dem Laden zu kommen. Nicht einmal einen Hotdog habe ich mir noch geholt, das will wirklich etwas heißen. Stattdessen, so beschließe ich, gibt es einen Blaubeermuffin von Tchibo: Niemand backt Blaubeermuffins wie Tchibo, zumindest niemand, der sie hinterher zum Verkauf in der Mainzer Innenstadt anbietet.

In dem kleinen Laden rückt mir bei der Betrachtung der Wochenangebote die Verkäuferin auf die Pelle, und ich fange unmerklich an, mit den Zähnen zu knirschen. Ich habe mal gelesen, in solchen Situationen solle es hilfreich sein, sich Goethes Zauberlehrling vorzusagen: Walle, walle undsoweiter – aber den habe ich leider niemals auswendig gelernt. Also: Flucht. Aber nicht ohne meinen Blaubeermuffin.

„War es das bei ihnen?“
„Nein, ich hätte gerne noch einen Muffin, Blaubeer.“
„Da gibt es heute zwei zum Preis von einem.“
„Danke, aber einer reicht mir.“
„Aber Sie müssen nur einen zahlen und bekommen zwei.“
„Das habe ich schon verstanden.“
„Also zwei?“
„Nein, danke.“

Die Verkäuferin mustert mich, als sei sie sich immer noch nicht sicher, ob ich ihr Angebot begriffen habe.

„Es macht keinen Unterschied. Ich berechne Ihnen jetzt einen – und sie können dafür zwei mitnehmen.“
„Das ist sehr freundlich, aber ich kann eh’ nur einen essen.“
„Dann verschenken Sie doch den zweiten.“

Ich habe das Gefühl, aus den Augenwinkeln sehen zu können, wie meine Pulsader arbeitet. Entweder drücke ich mich verdammt unverständlich aus, oder die Verkäuferinnen werden hier ordentlich darauf gebrieft, ihre Sonderangebote zu bewerben.

Blaubeermuffin

„Ich möchte bitte nur einen Muffin. Sie können ja einen verschenken.“
„Ich versuche ja gerade, Ihnen einen zu schenken.“

Und dann, zielsicher:

„Wieso bringen Sie ihn nicht Zuhause jemandem mit, der sich darüber freut?“

In solchen Momenten setzt die Realität für einen kurzen Moment aus und dafür ein kleiner Film ein. Darin springe ich über die Theke, schüttle die Verkäuferin an ihrer steifgebügelten Bluse und brülle: „Sagen Sie mal, sind Sie vollkommen bescheuert, oder was? Wie oft soll ich denn noch sagen, dass ich den dämlichen Muffin nicht will? Und schon gar nicht, um ihn Zuhause jemandem mitzubringen, sie Schnalle! Da ist nämlich niemand, kapiert? Ich wohne allein, ich bin allein und niemand, niemand interessiert sich, wenn ich gleich heimkomme, für meinen zweiten Blaubeermuffin, du aufdringliche, doofe Grinsebacke!“

Stattdessen lächle ich.
Nicke kurz.
Und verlasse den Laden mit zwei Muffins.

Von wegen Mangelverwaltung…

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