Gegnerbetrachtung: Mainz 05 bei der TSG Hoffenheim

Neu im Blog: die Gegnerbetrachtung. Vor den Auswärtsspielen des 1. FSV Mainz 05 spreche ich künftig mit Journalisten, Podcastern und Bloggern darüber, was die 05er in der Fremde erwartet. Im Vorfeld der für Mainz 05 sehr wichtigen Partie gegen die TSG Hoffenheim habe ich mit deren „guten Geist“ Marco Ripanti gesprochen.

Hallo Marco, danke, dass du dir Zeit für die Gegnerbetrachtung nimmst. Du lebst mit deiner Familie in Weinheim, hast aber italienische Wurzeln. Gibt es auch einen Verein in Italien, für den dein Herz besonders schlägt?
Hallo Mara, ich danke Dir dafür, dass ich mich hier zum Spiel äußern darf. Natürlich gibt es auch in Italien einen Verein der meine Emotionen bewegt. Mit Inter Mailand habe ich hier einen Verein der – wie die TSG – viele Höhen und Tiefen erlebt hat.

Marco Ripanti

Wie würdest du aktuell die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen der italienischen und der deutschen Liga beschreiben?
Die italienische Liga hat in den letzten Jahren viel von ihrer Größe verloren. Die glorreichen Zeiten, in denen Vereine wie AC Milan und Juventus Turin in Europa regiert haben, liegen lange zurück. In diesen Jahren wurde bei vielen Vereinen der Umbruch versäumt. Ein wenig habe ich die Hoffnung, dass man dies seit letzten Jahr in viele Vereinen erkannt hat und man sich langsam aber sicher wieder auf eine starke Serie A einstellen kann. Die Leistungsdichte in der Liga ist enger und auch die jetzige Pause in Sachen WM kann dem italienischen Fußball nur guttun. Eine Chance die man jetzt nur noch nutzen sollte.

Erzähl uns doch mal, seit wann du die TSG Hoffenheim als Fan verfolgst und wie der Verein dein Herz gewonnen hat.
Es war in der Saison 2007/08. Ein Verein quasi vor der Haustür, noch ohne historische Schrammen schickt sich an die Bundesliga zu meistern. Das klang interessant. Die offensive Spielweise und der attraktive Fußball schafften es dann schnell, mich zu fesseln. Spätestens nach der ersten Vorrunde in der Bundesliga war es dann passiert. Ich war Hoffenheim-Fan.

Bekenne Farbe

In deiner Twitter-Biografie beschreibst du dich selbst als „Guter Geist der TSG Hoffenheim“. Wie ist das gemeint? Und warum braucht die TSG einen guten Geist?
Nun, ich denke jeder Verein braucht einen „guten Geist“, oder? Es ist als TSG-Fan nicht immer leicht, aber da erzähle ich ja nichts Neues. Anders als viele andere, sehe ich manche Dinge rund um die TSG auch kritisch und bin wachsam wenn die Stimmung mal wieder am Kippen ist. Unterm Strich denke ich, dass die TSG eine absolute Bereicherung ist und viele gute Geister in ihrem Umfeld weiter an der Medientauglichkeit des Vereins arbeiten.

Mit Mäzen Dietmar Hopp im Rücken hat die TSG sich von der Kreisliga bis in die Bundesliga hochgearbeitet und dort etabliert. Diese finanzielle Unterstützung wurde von vielen Seiten kritisiert. Wie hast du das damals empfunden?
Gute Frage… Habe ich vorher noch nie gehört! ;) Ganz ehrlich? Ich denke, jeder Verein hätte diese Unterstützung angenommen. Wie sonst sollte ein Verein heute noch nach oben kommen? Gäbe es diese Unterstützer nicht, würden wir wohl bis ans Ende unserer Tage mit denselben Vereinen in Liga 1 und 2 spielen. Wäre das nicht langweilig? Ich denke, die lautesten Kritiker waren die, die bedauern, nicht selbst für ihren Verein eine ähnliche Unterstützung zu haben.

Kannst du mit Begriffen wie Retortenclub oder Traditionsverein etwas anfangen? Wie viel Romantik gestehst du dem Fußball selbst zu? Und wie positionierst du dich in Diskussionen um das Image deines Vereins?
Wir sollten aufhören, zu träumen. Wie in jeder „Branche“ hat sich auch im Profifußball sehr viel verändert. Alle Vereine sind Unternehmen, die unterm Strich Geld verdienen müssen. Geld für die Spieler, Geld für den Komfort im Stadion, Geld für die Mitarbeiter im Verein und so weiter. Ja, es muss sogar Geld dafür her, um den Fans das Gefühl von Tradition zu vermitteln. Geld gehört zum Profi-Fußball heute einfach mit dazu. Fans wünschen sich auch Jahr für Jahr den einen oder anderen TOP-Transfer. Wie soll der denn kommen, ohne das passende Kleingeld? Die TSG geht offen mit ihrem Standing als Ausbildungsverein um. Das ist kein Fehler – und wir Fans sollten schon früh damit umgehen können, dass Spieler bei uns nur auf einer Durchgangsstation sind.

Golden Moments

Kritisiert wurde in den Jahren des Aufstiegs vor allem, dass die bis dahin gute Jugendarbeit der TSG zugunsten einer raschen Entwicklung in den Hintergrund geraten sei. Wie siehst du diesen Vorwurf und wo steht die TSG in Sachen Jugendarbeit heute?
Dem kann ich so nicht zustimmen. Wir sind ganz klar die Nummer 1 in der Bundesliga, was den Durchsatz an Jugendspielern zum Profi angeht (https://www.transfermarkt.de/tsg-1899-hoffenheim/jugendarbeit/verein/533). Jahr für Jahr führen wir Jugendspieler an die Profis ran. Nicht selten schaffen es welche davon in den Stammkader für die Bundesliga.

An welchen Spielern lässt sich das Engagement in diesem Bereich verdeutlichen?
Blicken wir zurück auf einen Süle und schauen in diesem Jahr auf einen Geiger, werden alle erkennen, dass die TSG hier absolut vorbildliche Arbeit leistet.

Mit Julian Nagelsmann steht der jüngste und zugleich einer der begehrtesten Trainer der Bundesliga an der Seitenlinie in Hoffenheim. Ist das Interesse anderer Vereine an eurem Trainer der Fluch des Erfolges oder Bestätigung und Segen?
Das Thema ist mittlerweile schon langweilig geworden. Es ist doch klar, dass ein Trainer – wenn er erfolgreich ist – das Interesse anderer Vereine weckt. So war es bei Julian keine Ausnahme. In den letzten – weniger erfolgreichen – Wochen, hat sich das ja schon wieder normalisiert. Ich denke, dass keiner davon ausgeht, dass Julian bis an sein Karriereende bei der TSG bleibt, aber ein Abgang zum Ende der aktuellen Saison halte ich ebenso für ausgeschlossenen. Je eher hier Ruhe einkehrt, umso besser ist das für alle.

Spieler

Du sprichst es ja an: Wie sehr nerven die Meldungen zu angeblichen Abwerbeversuchen und glaubst du, Nagelsmann wird in seiner Arbeit dadurch beeinflusst, gar gestört?
Spurlos geht das an keinem vorbei.  Sicher macht man sich da so seine Gedanken. Es wäre seltsam, wenn nicht. Julian ist ein junger intelligenter Mann, der natürlich auch an seine Zukunft denken muss. Manche Chancen bekommt man nicht mehrfach im Leben. Er ist jedoch auch Profi genug, um sich durch die Nebengeräusche nicht von der Arbeit ablenken zu lassen.

Was würdest du Julian Nagelsmann empfehlen, wenn du sein Berater wärst?
Mich früher als seinen Berater geholt zu haben! Nein, im Ernst, ich schätze Julian klug genug ein, um durch diese Lebensphase selbst zu segeln. Die eine oder andere Welle wird ihn kentern lassen, aber er hat immer wieder die Kraft, das Boot auf Kurs zu bringen. Auf jeden Fall rate ich ihm zur Vorsicht, wenn die falschen Berater mit „guten Ratschlägen“ kommen.

In der vergangenen Saison hat die TSG sich mit dem 4. Platz der Liga fürs internationale Geschäft qualifiziert. In den Playoffs verpasste man die Qualifikation für die Champions League, auch in der Europa League konnte man nicht überwintern. Wie beurteilst du im Nachhinein die europäische Erfahrung, musste man da einfach Lehrgeld zahlen?
Die Quali war natürlich ein Traum und das Heimspiel gegen Liverpool hätte mit ein wenig mehr Glück auch ganz anders laufen können. Ab dann war es eigentlich ein „nice to have“. In der Europa League hat man natürlich viel Lehrgeld bezahlt. Spiele, die man deutlich gewinnen muss, verliert man aufgrund fehlender Cleverness und Erfahrung. Bekommen wir irgendwann mal wieder die Chance auf die Teilnahme, werden wir uns sicher besser anstellen und die gewonnen Erkenntnisse in die Waagschale werfen.

Aktuell steht Hoffenheim auf dem 9. Tabellenplatz und ist von der Relegation (8 Punkte) ähnlich weit entfernt wie vom internationalen Geschäft (5). War diese Saison – auch durch die europäischen Spiele – so zu erwarten, oder hinkt die TSG den Erwartungen hinterher?
Viele Fans haben sicher gedacht, dass man das Level aus der letzten Saison nun immer halten kann. Ich nicht! Wir haben die Abgänge nicht 1:1 ersetzen können, die Stürmer laufen nicht so rund wie in der letzten Saison und ganz ohne Verletzungspech sind wir auch nicht geblieben. In einigen Spielen haben wir – mal wieder – ohne Not Führungen verspielt und so kommt es eben, dass man da steht, wo man steht. Und eine Tabelle lügt bekanntlich nicht.

USM

Wie ist die Stimmung derzeit im Umfeld? Hast du das Gefühl, die Fans erwarten die erneute Qualifikation für Europa oder gesteht man dem Team einen Entwicklungsprozess zu?
Hier teilt sich das Lager wohl auf. Wie gesagt gehen viele Fans davon aus, dass man mit dem Kader auch in Europa spielen muss. Für mich sieht es ganz klar nach einer weiteren Entwicklungsstufe aus. Der Verein muss durch ein kleines Tief, um von dort wieder gestärkt angreifen zu können. Aktuell scheint es mal wieder so, dass man sich eigene interne Querelen schafft.

Mit Eugen Polanski trägt in dieser Saison erneut ein ehemaliger 05er eure Kapitänsbinde. Welche Rolle spielt er für das Team?
Leider aktuell keine mehr. Eugen ist Muster-Profi, der für jeden Verein von großer Bedeutung sein kann. Ganz gleich, ob er spielt oder nicht. Als Profi will er jedoch auch mehr Einsatzzeiten und so ist es bedauerlich, dass er nicht in das System-Nagelsmann auf den Platz passt. Zu euch würde er jetzt sehr gut passen.

Nach zuletzt zwei Pleiten gegen Bayer und die Bayern konnte die TSG in Berlin in einer hart umkämpften Partie einen Punkt entführen, mit ein bisschen Glück wäre auch der Sieg drin gewesen. Was für einen Auftritt erwartest du im Heimspiel gegen den FSV?
Es ist die Chance für die TSG, den Bock umzustoßen. Blickt man auf die letzten drei Spiele, muss ich sagen, dass in keinem Spiel ein Sieg verdient gewesen wäre. Leverkusen war deutlich besser, in München muss man nicht nach einer 2:0 Führung noch 5 einfangen und bei der Hertha muss man eben 90 Minuten Vollgas geben, wenn man drei Punkte mitnehmen will. Gut möglich, dass Mainz nun der genau richtige Gegner ist, um den lang ersehnten Dreier einzufahren.

Support

Die Auswärtsbilanz der Mainzer ist katastrophal. Wie motiviert man sein eher heimstarkes Team als Trainer vor einer solchen Begegnung?
„Wenn nicht gegen Mainz, gegen wen dann?“ Die starken Zeiten der Mainzer liegen auch schon länger zurück: Es gab Spielzeiten, da hatte ich richtig Angst vor den Spielen gegen Mainz. Aktuell sehe ich uns aber in der deutlichen Favoritenrolle und die werden wir auch ausspielen.

Im Spiel gegen die Berliner hat sich Kerem Demirbay erneut verletzt. Wie schwer trifft euch seine Verletzung? Und wer kann ihn auf dem Feld ersetzen?
Ja, es läuft aktuell echt unglücklich für Kerem. Ich denke mit Zuji haben wir eine gute Alternative gesehen und mit Amiri und Rupp könnte das ein sehr gutes Mittelfeld werden.

Hast du die Saison der 05er unter Sandro Schwarz verfolgt? Und traust du ihnen den Klassenerhalt zu?
Auf jeden Fall, denn Köln und der HSV sind einfach zu schlecht in dieser Runde. Mit ein wenig Glück, lasst ihr auch noch Wolfsburg hinter euch!

Was ist dein Tipp für die Partie am Wochenende?
Sorry, aber das wird ein 3:0 für uns. Unter anderem macht Szalai ein Tor!

|| Mit herzlichstem Dank an Meenzer on Tour für die tollen Fotos. ||

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