Gegnerbetrachtung: Mainz 05 bei RB Leipzig

Neu im Blog: die Gegnerbetrachtung. Vor den Auswärtsspielen des 1. FSV Mainz 05 spreche ich künftig mit Journalisten, Podcastern und Bloggern darüber, was die 05er in der Fremde erwartet. Diesmal beantwortet Kai Bieler, der zu Regionalligazeiten Fan des RB Leipzig wurde, meine Fragen.

Ja zu RaBa

Hallo Kai, danke, dass du dir Zeit für mich nimmst. Du bist Mitglied im Fanclub #taLEntfrei des Rasenballsport Leipzig e.V., der selbstironisch auf seiner Homepage erklärt, er sei „ein lockerer Zusammenschluss von erfolgsorientierten Fußballkonsumenten, die schon während Regionalliga-Duellen gegen Meuselwitz von der Champions League träumten. Jeder von uns ist seinen ganz eigenen Weg zum einzig wahren Rasenballsport gegangen.“ Was war deiner?
Mein Weg begann irgendwann 2011 in der zweiten Regionalliga-Saison von RB unter dem damaligen Trainer Peter Pacult. Nach einigen sporadischen Besuchen von Heimspielen und dem ersten emotionalen Highlight, dem 3:2-Sieg über den VfL Wolfsburg im DFB-Pokal, schenkte mir meine Freundin zur Rückrunde die erste Dauerkarte. Das bereut sie wahrscheinlich bis heute.

Um ehrlich zu sein, lässt sich von außen schwer nachvollziehen, wie Leute Fans von einem Verein wie Leipzig werden. Hätte Twitter mich nicht längst sozial verdorben und mit Fans sämtlicher Vereine positiv zusammengebracht, hätte ich das anstehende Spiel gegen Leipzig vermutlich ignoriert. Wie nervig ist es, sich für seinen Verein so verteidigen zu müssen?
Erklären ja, verteidigen nein. Ich erkläre gern meine Sicht auf die Dinge, aber ich habe keine persönliche Mission als Missionar in Sachen RB. Besonders in den ersten Jahren gab es viele Diskussionen, in den sozialen Medien oder im Freundeskreis und das war auch ok. Über die Jahre hat man als RB-Fan natürlich irgendwann alle Argumente ausgetauscht und die Lust, es zum 237. Mal zu tun, nimmt etwas ab. Zumal, wenn mit jedem Aufstieg neue Fanszenen anderer Vereine plötzlich das Thema für sich entdeckten und dachten, sie würden jetzt das Rad der RB-Kritik völlig neu erfinden. Da war dann wahlweise erheiternd oder ermüdend.
Ich nehme für mich selbst in Anspruch, die Entwicklung von RB leidenschaftlich aber mit einer gewissen kritischen Distanz zu begleiten. Insofern sind grundsätzliche Diskussionen mit anderen Fans über das Modell RB Leipzig selbstverständlich, wenn sie ein Mindestmaß an gegenseitigem Respekt und Höflichkeit einhalten. Dazu gehört für mich auch, das Fan-sein seines Gegenübers zu respektieren. Wenn es schon an der Bereitschaft dazu mangelt, wird ein Gespräch schwierig.

Wobei müssen natürlich eh Quatsch ist, der Verein sucht sich bekanntlich seine Fans und die Wege dahin sind unergründlich. Trotzdem. Erkläre doch Fußballromantikern wie mir, wieso Modelle wie das eure nicht den Fußball zerstören – und was du dem abgewinnst.
Dieses Bonmot von Nick Hornby ist zwar sehr schön, trifft auf die „1. Generation“ von RB-Fans aber eher nicht zu. Für sie (und für mich) war die Wahl des Vereins eher eine bewusste Entscheidung, gegen viele Widerstände und aus vielen verschiedenen, individuellen Gründen. Schon für die Kids von heute sieht die Sache ganz anders aus. Sie gehen mit ihren Eltern ins Stadion, werden mit RB sozialisiert und werden in ein, zwei Jahrzehnten die gleichen Geschichten erzählen, wie heute die Fans von „Traditionsvereinen“. Für sie ist RB einfach der Verein aus ihrer Stadt und die Diskussionen, die wir heute noch führen, werden für sie keine Rolle mehr spielen.
Dem Vereins-Modell von RB Leipzig „gewinne ich“ nichts ab in dem Sinne, dass es irgendwie besser oder moderner wäre als andere Modelle. Es war – ganz pragmatisch und unromantisch – die Bedingung dafür, dass Red Bull hier investiert. Ich kann aber auch nicht erkennen, dass es „den“ Fußball zerstört. Letzten Endes prägen weder die Rechtsform meines Vereins noch sein wirtschaftlicher Background mein persönliches Stadions-Erlebnis als Fan. Ok, letzteres in gewisser Weise schon, weil es natürlich über Dinge wie Liga-Zugehörigkeit und Kaderstärke mitbestimmt.

Stadion

Siehst du denn selbst Teile dieser Entwicklung auch kritisch? Was, wenn alle fünf Jahre ein Verein wie RB oder Hoffenheim aus der Regionalliga ins Oberhaus gefördert wird? Ist das eine Entwicklung, die du unterstützten könntest? Und würden dir Augsburg, Mainz und Frankfurt in zehn Jahren bei Spielen gegen „Coca Cola Rüsselsheim“ fehlen?
Fehlen Dir Waldhof Mannheim, Saarbrücken oder KSC Uerdingen in der Bundesliga? Die spielten nämlich noch in der Bundesliga, als ich Mitte der 1980er Jahre anfing, Fußball zu schauen. Der Fußball hat sich seitdem extrem verändert, sportlich, wirtschaftlich und auch gesellschaftlich, hin zu einem bürgerlichen Massenphänomen, das in allen Facetten einer marktwirtschaftlichen Verwertungslogik folgt. Das tat er natürlich auch schon damals, nur nicht so offensichtlich.
Ich kann mit diesem Traditionsdings grundsätzlich wenig anfangen und finde „Plastikklubs“ wie Hoffenheim und Leverkusen sportlicher spannender als Traditionsvereine wie Mainz, den HSV oder Augsburg. (Die beiden letztgenannten spielen im übrigen aktuell auch nur Bundesliga aufgrund eines spendablen Investors.) Aber das ist Geschmacksache und nichts, was mich über diese Vereine und deren Fans urteilen lässt. Im Übrigen glaube ich nicht an das oft bemühte „Coca Cola Rüsselsheim“. Auch, weil der Weg, den Red Bull in Leipzig gegangen ist, sich nicht so einfach auf andere Investoren und Standorte übertragen lässt.
Bestimmte Entwicklungen im internationalen Fußball – wie Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich, Trainingslager in Katar und Marketingreisen nach China – lassen mich mitunter auch kopfschüttelnd zurück. Aber in den schon oft angestimmten, kulturpessimistischen Klagegesang über den Untergang des „Fußball-Abendlandes“ mag ich trotzdem nicht einstimmen. Das setzt voraus, dass es mal den paradiesischen Zustand des „Volkssports Fußball“ jenseits aller ökonomischen Spielregeln gab, zu dem man zurückkehren könnte. Das ist Quatsch. Fußball war immer ein Spiegel seiner Zeit.

Ganz grundsätzlich: Kannst du das Bauchgrummeln derer verstehen, die ein Problem mit deinem Verein haben?
Klar kann ich verstehen, dass man grundsätzliche Einwände gegen Investoren im Fußball hat oder bestimmte Zusammenhänge in Leipzig von Außen nicht oder anders wahrnimmt. Das ist völlig legitim. Mitunter werden dabei nur Ursache und Wirkung verwechselt. RB Leipzig ist in Deutschland sicher das bisher konsequenteste Beispiel für den beschriebenen, „modernen Fußball“, aber bestimmt nicht sein Erfinder.

Wie beurteilst du Oliver Mintzlaff? Und glaubst du, er hat ein echtes Interesse am Fußball – oder ist es ihm egal, welche Sportart er als nächstes beflügelt?
Oliver Mintzlaff ist Manager, erst bei Puma und Andrea Berg, nun bei RB Leipzig. Seine Aufgabe als Geschäftsführer ist es, die wirtschaftlichen Strukturen zu professionalisieren, dafür zu sorgen, dass sie mit der sportlichen Entwicklung mithalten. In dieser Funktion macht er sehr vieles richtig. Die internen Strukturen in den Bereichen Sales und Marketing wurden neu aufgestellt, die Anzahl der Sponsoren ist signifikant gestiegen. Das Merchandisingangebot und der Hospitality-Bereich im Stadion werden sukzessive ausgebaut. Sein Ziel ist es, den Abstand zu den großen Playern wie BVB und Bayern zu verringern und gleichzeitig die finanzielle Abhängigkeit von Red Bull sukzessive zurückzufahren.
Mitunter kommt die „technokratische“, zahlengetriebene Sicht von Oliver Mintzlaff in der Fanszene nicht so gut an, etwa in den Diskussionen darum, ob die Red-Bull-Arena am historischen Standort des Zentralstadions um- oder auf der grünen Wiese neu gebaut werden soll. Rein von der zukünftigen Einnahmenseite aus betrachtet, wäre ein Neubau an der Autobahn sicher die logischere Alternative gewesen. Aber ein größerer Teil der Fanszene wollte den Erhalt des Innenstadt-Stadions. Letzten Endes hat sich der Verein für diese Lösung entschieden, worüber ich auch sehr froh bin. Aber ich würde Oliver Mintzlaff nicht vorwerfen, dass er das Thema Fußball vor allem wirtschaftlich betrachtet hat. Er ist Geschäftsführer eines Unternehmens, nicht dessen Fankultur-Beauftragter.

Schampus

In der Vergangenheit wurden die hohen Hürden bezüglich der Mitgliedschaft bei RB Leipzig kritisiert. Wie ist da der aktuelle Stand? Und bist du selbst Mitglied?
Daran, dass der Verein mit weniger als 20 handverlesenen, stimmberechtigten Mitgliedern, ein „closed shop“ ist, hat sich nichts geändert und das wird es in absehbare Zeit auch nicht. Daran lassen auch offizielle Äußerungen von Oliver Mintzlaff keinen Zweifel. Hier schützt Red Bull klar weiter sein Investment, nach dem Motto: „Wer die Kapelle bezahlt, bestimmt auch die Musik.“ Im Zusammenhang mit der erstmaligen DFL-Lizenzierung nach dem Zweitligaaufstieg hat RB die Möglichkeit von Fördermitgliedschaften (in Gold, Silber und Bronze) eingeführt. Die Fördermitglieder sind nicht stimmberechtigt, können aber an den Mitgliederversammlungen des Vereins teilnehmen. Aktuelle Zahlen zur Anzahl der Fördermitglieder gibt es nicht, aber es dürften ein paar Hundert sein, einer davon bin ich.
Bei dem Thema geht es mir wahrscheinlich wie der Mehrheit der RB-Fans, die kein gesteigertes Interesse an Mitbestimmung haben. Meinen Gestaltungswillen kann ich in meinem Beruf und in meinem Ehrenamt bei einem sozialen Träger zur Genüge ausleben. Fußball ist ein Hobby. Da will ich mich mit Freunden zu treffen, mich über den Schiedsrichter aufzuregen und die ein oder andere Hopfenkaltschale oder „Berliner Luft“ (Grüße an die @brausecrew!) trinken. Ich bin außerdem ganz froh, von folkloristischen Auftritten a lá Watzke und Hoeneß auf Jahreshauptversammlungen verschont zu werden.
Im Übrigen hat die aktive RB-Fanszene auch jenseits formaler Mitbestimmung Wege gefunden, ihre Themen und Interessen beim Verein zu platzieren. Sei es über den Fanverband (Zusammenschluss von Fanclubs), die Fanbetreuer oder auch über soziale Medien. Da geht es um typische Fan-Themen wie Ticketpreise, die Qualität des Merchandisings, Livestreams von Testspielen oder das Catering im Stadion, aber auch die lange diskutierte Frage des Um- oder Neubaus des Zentralstadions. Dieser informelle Dialog klappt mal besser und mal schlechter. Mitunter greift man sich an den Kopf, wie bestimmte Entscheidungen kommuniziert werden – oder eben auch nicht. Aktuell beispielsweise bei der Entlassung eines langjährigen Fanbetreuers. Aber grundsätzlich werden kritische Äußerungen aus der Fanszene sehr wohl durch den Verein wahrgenommen und in der Regel wird auch darauf reagiert.

Wie ist der Verein eigentlich in Sachen Jugendarbeit aufgestellt?
Da gibt es seit geraumer Zeit einen krassen Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Zum einen hat sich RB für 35 Mio. Euro eines der modernsten Nachwuchsleistungszentren in Deutschland hingestellt und wird dafür regelmäßig medial abgefeiert. Auf der anderen Seite hat es bislang kein Spieler aus dem eigenen Nachwuchs in den Profikader geschafft. (Komischer Weise klappt die Integration junger Spieler von anderen Vereinen in die 1. Mannschaft regelmäßig, siehe Uppamecano und Konate.) Die U19 spielt seit längerem in der Bundesliga unter den Erwartungen, die U23 wurde zum Ende der vergangenen Saison komplett abgeschafft. Das halten viele immer noch für einen Fehler, weil damit das Bindeglied zwischen den U-Teams und Männer-Profifußball weggefallen ist. Wer sich dazu genauer informieren will, dem sei die aktuelle Folge des RB-Podcasts „Champagner statt Bier“ empfohlen, in der das aktuelle Dilemma der Nachwuchsarbeit detailliert aufgearbeitet wird.

Mit Lok hat Leipzig einen Traditionsverein im besten Sinne des Wortes. Wie ist aktuell das Verhältnis? Und wie wichtig ist RB für den darbenden Fußball-Osten?
Von gegnerischen Fans bekommen wir ja regelmäßig die Aussage „In Leipzig nur Lok und Chemie“ präsentiert. Das ist auf mehreren Ebenen weit weg von der Realität. Während RB längst in der ganzen Stadt angekommen ist und als Bundesligist sowieso auf einer anderen Ebene spielt, sind Lok und Chemie eher „Stadtteilvereine“, die in der Regionalliga Nordost ein treues, aber überschaubares Stammpublikum anziehen. Große Berührungspunkte gibt es seit der Abmeldung der U23 von RB aus der Regionalliga nicht mehr. Entsprechend ist die Zeit der großen innerstädtischen Diskussionen und Auseinandersetzungen vorbei.
Zum zweiten ist für den unreflektierten Begriff „Traditionsverein“ bei beiden eine nicht unerhebliche Konstruktionsleistung nötig. Die Zahl der Brüche, Umbenennungen, Insolvenzen und Neustarts bei Lok und Chemie seit 1990 lässt sich kaum an zwei Händen abzählen. Aktuell will beispielsweise Lok Leipzig die Rechtsnachfolge des seit 2004 vom Spielbetrieb abgemeldeten VfB Leipzig vom Insolvenzverwalter kaufen, um sich als 1. Deutscher Meister von 1903 bezeichnen zu können. Diese Art kreativer Geschichtsschreibung ist nicht so meins.
Ebenso wenig wie die Argumentation „RB ist Balsam für die gebeutelte, ostdeutsche Fußballseele“. Ja, der Osten war seit dem Abstieg von Energie-Cottbus 2009 Bundesliga-Niemandsland. Aber das sind das Saarland und Schleswig-Holstein auch (zumindest noch diese Saison, schönen Gruß nach Kiel.) Ein Grundrecht auf 1. Bundesliga gibt es nicht. Trotzdem sehe ich schon, dass viele im Osten RB als Verein „von hier“ wahrnehmen, mit dem man endlich wieder erfolgreich auf der großen Fußballbühne unterwegs ist.

Stadion innen

War es strategisch klug, gerade dort ein solches Projekt zu starten?
Ja. Aus heutiger Sicht konnte es wahrscheinlich keinen besseren Standort in Deutschland geben. Eine Stadt mit 500.000 Einwohnern und ohne Profifußball, aber mit einem neuen WM-Stadion und ganz viel Fußballgeschichte. Dazu mit zwei niederklassigen Traditionsvereinen, die sich seit Jahrzehnten in ihrem Hass aufeinander paralysieren und kein besonders attraktives Erscheinungsbild für „normale“ Fußballvereins abgeben. Besonders Lok hat bis heute mit einem Klientel zu kämpfen, dass regelmäßig durch eine gewisse „Erlebnisorientierung“ sowie durch rassistische und homophobe Entgleisungen auffällt. Für viele Leipziger ist heute klar, dass es einen externen Player wie Red Bull brauchte, um die Agonie des Leipziger Fußballs seit 1990 zu beenden und was Neues anzufangen. Das mag von außen nicht besonders romantisch aussehen, war aber aufgrund der wirtschaftlichen und fußballkulturellen Rahmenbedingungen kaum anders möglich.

Als Ralph Hasenhüttl von Ingolstadt nach Leipzig gekommen ist, habe ich mir verwundert die Augen gerieben. Aber der Fußball, den er bei euch spielen lässt, ist tatsächlich ein komplett anderer. Was war damals dein erster Gedanke – und wie siehst du den Trainer heute?
Ralph Hasenhüttl war wohl schon ein Jahr zuvor ein Kandidat für den Trainerposten, wollte aber nicht in die 2. Liga wechseln (ebenso wie Thomas Tuchel). Ich habe wie viele andere die Personalie von Beginn an positiv wahrgenommen. Zum einen, weil er in Ingolstadt mit dem Klassenerhalt in der 2. Liga, dem späteren Aufstieg in die Bundesliga und noch mehr mit dem 11. Platz in der ersten Bundesliga-Saison einen extrem guten Job gemacht hat. Was er in Ingolstadt hat spielen lassen, war aus Gegnersicht unangenehm, zuweilen nervtötend, aber es war die perfekte Spielidee für die kadertechnischen Möglichkeiten des Vereins. Und es war mit dem Fokus auf Pressing und Gegenpressing ja nicht weit weg von der RB-Spielanlage.
Aus heutiger Sicht muss man sagen, es passt bislang perfekt. Er ist ein taktisch vielfältiger Trainer, ein guter Motivator und nicht zuletzt ein sympathischer Typ. Besonders erstaunlich finde ich, wie schnell er die Entwicklung von RB von einem ausgeprägten Umschaltfußball hin zu einer Spielidee mit viel Ballbesitz hinbekommen hat. Gleichzeitig ist das Pressingverhalten viel flexibler als noch unter Zorniger oder Rangnick geworden. Bei RB unter Hasenhüttl kann man sowohl dem Team als auch dem Trainer bei ihrer parallelen Entwicklung hin zur nächsten Stufe zusehen. Dieser Gleichklang ist vielleicht das Erfolgsgeheimnis überhaupt. Ich bin gespannt, wie lange er noch andauert. Dass Hasenhüttl einen persönlichen Karriereplan hat, der in irgendwann aus Leipzig wegführen wird, ist kein Geheimnis.

In den europäischen Wettbewerb seid ihr, ähnlich wie Neuling Hoffenheim, eher holprig gestartet. Warum habt ihr euch dann, anders als Hoffenheim, rechtzeitig gefangen?
Seit Mittwochabend sind wir ja aus der CL ausgeschieden, wobei ich den „Abstieg“ in die Europa League nicht wirklich als solchen empfinde. Wir haben eine typische Europa-Premiere gespielt, mit Anpassungsproblemen, mit Lehrgeld, mit der erstmaligen Erfahrung der Doppelbelastung. Ein Unterschied zu Hoffenheim ist klar der breitere, besser besetzte Kader. Dadurch konnte Hasenhüttl zwischen CL und Bundesliga ohne größere Qualitätsverluste entsprechend rotieren. Außerdem hat es sicher etwas mit der Lernkurve des jungen Teams zu tun, das sich schnell auf das neue, europäische Niveau eingestellt hat. Trotzdem hat sich gezeigt, dass zu einem europäischen Spitzenteam noch einiges an Konstanz und „Abgezocktheit“ fehlt. Insofern entspricht die Europa League aktuell eher dem Entwicklungstand von RB als das Achtelfinale der „Königsklasse“.

Du warst beim Auswärtsspiel in Monaco. Gib uns die volle Packung Kitsch: Wie fühlt sich das an?
Lass es mich so sagen: Eine Wiederholung brauche ich nicht unbedingt. Fußball ist in Monaco schon eher ein Fremdkörper, 80-Meter-Yachten und Formel 1 passen da definitiv besser hin. Das 18.000er-Stadion war maximal halbvoll, die Stimmung gruselig. Größere Ansammlungen von Fußballfans in der Stadt sind nicht erwünscht, die Sicherheitskontrollen vor dem Stadion waren deutscher Sicht absurd intensiv. Dazu „sportliche“ Preise für alkoholische Kaltgetränke und mobiles Internet, dessen Kosten einem die Tränen in die Augen treiben. Dafür war das Frühstück am Folgetag bei 19 Grad an der Strandpromenade für Ende November ganz nett. ;-) Unterm Strich gibt es aber schönere Auswärtsziele in Europa.

Monaco

Was singt man eigentlich so bei euch im Stadion als Heim-Fan?
Oft dass, was man in anderen Bundesligastadien halt auch singt: „Auf geht’s (hier Städtenamen einsetzen) Jungs, schießt ein Tor für uns“, das Pippi Langstrumpf-Lied oder die üblichen „Schalalala“-Nummern. Dazu gibt es natürlich auch ein paar genuine RB-Songs. Eine der neueren Nummern, die gut funktioniert ist „Vorwärts Rasenball, Leipzig überall“ auf der Melodie von „Komm, wir fahren nach Amsterdam“. Einer meiner Lieblingssongs ist immer noch das schon ältere „Schweine-Lied“, weil es mit dem Schuss Selbstironie daherkommt, der für die Anfangszeit der Fanszene so stilprägend war. Das verschwindet leider zunehmend, in dem Maße, in dem die Anhängerschaft größer, heterogener und „normaler“ wird.

Leipzig hat sich am Wochenende von zuvor schwächelnden Hoffenheimern 0:4 abschießen lassen, die Mainzer sind zuhause gegen Augsburg untergegangen. Mit was für einem Gefühl schaust du auf das kommende Spiel? Wird das ein lockerer Heimsieg? Oder können wir euch Probleme machen?
Lockere Heimsiege sind für uns in dieser Saison eher die Ausnahme. Die Doppelbelastung und die größtenteils sehr defensive Ausrichtung unserer Gegner haben den teilweisen „Hurra-Fußball“ der vergangenen Hinrunde verschwinden lassen. Im vergangenen November kamt ihr noch nach einer 1:6-Klatsche unter der Woche in Anderlecht zu uns und wart entsprechend chancenlos. Jetzt treten wir mit vertauschten Rollen gegeneinander an. Wir haben gerade unser letztes CL-Heimspiel verloren und Mainz kommt ausgeruht und gut vorbereitet nach Leipzig. Insofern erwarte ich ein enges Spiel, bei dem RB mit dem Ball Chancen kreieren und besser verwerten muss als noch Mittwoch gegen Istanbul. Mainz wird sicher auf seine Chancen im Umschaltspiel lauern und auch bei der Verteidigung von Standards stellen wir uns aktuell nicht besonders gut an. Insofern ist RB natürlich Favorit, aber aussichtslos ist das Spiel aus Mainzer Sicht sicher nicht.

Wo sind Baustellen in eurem Kader und welche Umstellungen erwartest du nach dem letzten Spieltag?
Aktuell fehlen uns mit Forsberg und Sabitzer zwei absolute Schlüsselspieler auf der 10er-Position, die viel Kreativität, Ballkontrolle und im Fall von Sabi auch noch Mentalität mitbringen. Er ist auf dem Platz eine absolute Führungspersönlichkeit, der nie aufsteckt, auch mal seine Mitspieler zusammenscheißt und immer für ein wichtiges Tor gut ist. Für das Mainz-Spiel wird es bei ihm nach seiner Schulterverletzung in Monaco aber sicher noch nicht wieder reichen.
Ich hoffe, dass Upamecano wieder in die Innenverteidigung neben Orban zurückkehrt. Und Bernardo wäre für mich eine Alternative zu Klostermann, der aktuell nach seiner langen Verletzung noch nicht wieder in der alten Form ist. Besonders offensiv kommt da auf der Außenbahn zu wenig. Ansonsten funktioniert die Rotation im Team ganz gut, wobei aber speziell Bruma und auch Augustin noch nicht ganz die Erwartungen an sie erfüllen können.

Wo erwartest du beide Teams, wenn wir uns in der Rückrunde wieder begegnen?
Für Mainz geht es, realistisch betrachtet, in dieser Saison nur darum, den Abstiegskampf so lange wie möglich zu vermeiden. Wenn Ihr bis zum Rückspiel den HSV, Bremen und Freiburg auf Distanz halten könnt (Köln ist eh weg), ist es wohl eine „erfolgreiche“ Saison.
Bei RB wird es spannend zu sehen sein, wie wir den Rest der Hinrunde bestreiten. Aktuell zeigt die Form-Kurve eher nach unten und mit euch, Wolfsburg und Hertha warten noch drei schwierige Aufgaben. Die Winterpause ist diesmal extrem kurz und der Spielrhythmus in der Europa League ab Frühjahr noch anspruchsvoller. Natürlich ist der Anspruch, sich wieder für einen internationalen Wettbewerb zu qualifizieren. Ob es dann für einen der erstmals vier direkten CL-Plätze reicht, hängt sich auch davon ab, wie die Entwicklung beim BVB, Schalke, Gladbach und Leverkusen weitergeht. Es wird auf jeden Fall enger werden als in der Vorsaison.

Was für eine Strategie erwartet die Mainzer am Samstag in Leipzig? Und dürfen sie diesmal ihre Plakate aufhängen, oder … Well.
Wenn sie dafür nicht die Stadiondekoration zerstören müssen, wird das sicher kein Problem sein. Übertrage die Situation doch mal in den privaten Bereich: Jemand kommt in Dein Wohnzimmer und fängt an, die Tapete abzureißen, weil ihm die Farbe nicht gefällt und er eigene Bilder aufhängen will. Wie lange wäre er wohl noch Dein Gast? Gegnerische Fans hängen regelmäßig RB-kritische Plakate auf und das ist auch ok. Dagegen finde ich einigermaßen absurd, Sachbeschädigungen als notwendigen Teil der Ausübung von Meinungsfreiheit dazustellen und sich hinterher noch in eine Opferrolle zu begeben.

Danke für das Gespräch!

|| Zu den Hintergründen der Plakat-Frage, hier ein Artikel bei Faszination Fankurve. ||

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