Nostalgie trifft Vorfreude (2): Brief an Oliver Kahn

Hält alles, aber hoffentlich nicht am letzten Spieltag in Mainz: Oliver Kahn. (Foto: Arturo de Albornoz – CC2)

Hält alles, aber hoffentlich nicht am letzten Spieltag in Mainz: Oliver Kahn. (Foto: Arturo de Albornoz – CC2)

Lieber Oliver Kahn,

mit den Toren beim Fußball ist es ein bisschen so wie mit dem weiblichen Orgasmus: Man darf sich nicht zu früh freuen. Denn nicht alles, was sich ankündigt, landet auch wirklich wie gedacht im Tor; manchmal scheitert man stattdessen unerwartet kurz vor dem Ziel. Beim Spiel von Mainz 05 gegen Hannover 96 am Samstag hat es viele dieser Kurz-vorm-Ziel-scheitern-Situationen gegeben. Momente, in denen man sich schon sicher war, aufschreien wollte, toben vor Begeisterung, heulen vor Glück! Nur, um Sekunden später festzustellen, der entscheidende Stoß war – wieder – daneben gegangen. Im Fußball, wie beim weiblichen Orgasmus, können Millimeter über Sieg und Niederlage entscheiden. Warum ich ihnen das erzähle, verehrter Oliver Kahn, hat nichts damit zu tun, dass Sie vor ein paar Jahren mit ihren Frauengeschichten die Schlagzeilen diverser Boulevardmagazine bestimmt haben, denn zum einen war und ist mir das gleich – zum anderen sind diese Dinge mittlerweile zum Glück längst in den Hintergrund getreten. Im Vordergrund steht Ihr Job beim FC Bayern, den Sie – das sei mal betont – wirklich gut machen. Was nur leider nichts nutzt, da der Rest der Mannschaft sich in dieser Saison (zur großen Verwunderung der Liga und völliger Verzweiflung von Uli Hoeneß und ihrer selbst) zu einer Gurkentruppe von gar zu erschreckender Mittelmäßigkeit zurückentwickelt hat. Aber das ist nicht der Grund meines Briefes.

Vielleicht erinnern Sie sich noch an das Heimspiel meiner Mainzer gegen Ihren FC Bayern in der vorvergangenen Saison? Wir haben zwar verloren, aber das war nicht weiter wichtig, denn durch die Ergebnisse auf den anderen Plätzen hatten wir trotzdem die Klasse gehalten; nach Abpfiff feierte das ganze Stadion, ihr Team mit meinem. Und alle waren froh und glücklich. Ich auch, obwohl ich nicht dabei war, sondern bei einem Konzert in Köln. Was nicht weiter verwunderlich ist, denn ich verpasse tragischerweise die meisten entscheidenden Spiele. Warum ich Sie an dieses Spiel erinnere, hat einen simplen Grund: Ich möchte an Ihr Herz appellieren; und an ihre Hände. Ich möchte, dass Sie sich erinnern, wie wohl der FC Bayern sich bei uns gefühlt hat – auch wenn Sie, so wie ich, nur aus Erzählungen von dieser Begegnung wissen, denn an besagtem Tag stand ihr Kollege Rensing im Tor. Und dennoch, erinnern Sie sich – was die Kollegen darüber erzählt haben. Wie schön das war, so freundlich empfangen zu werden. Etwas, das ihrem Club ja nicht allzu häufig passiert, denn notorische Gewinner haben das Pech, nicht allzu beliebt zu sein in ihrem Umfeld. Erinnern Sie sich an den Sieg. An die Feier mit unseren Buben. An die ausgelassenen Humba-Tänze ihrer Mannschaftskollegen, allen voran Roy Makaay, der gar nicht mehr aufhören wollte mit dem auf-und-nieder und dem über-den-Boden-rutschen. Erinnern Sie sich?

Gut. Denn wir brauchen Ihre Hilfe. Ihnen ist vielleicht zu Ohren gekommen, dass die Mainzer die Hinrunde leider weitestgehend verschlafen haben. Die Gründe jetzt mit Ihnen durchzudiskutieren, würde die verlorenen Punkte leider auch nicht wiederbringen, deswegen nur so viel: Es war sicher Unvermögen dabei. Aber auch viel Pech. Und – was viel wichtiger ist – wir sind zurückgekommen! Und haben in den ersten Spielen der Rückrunde eine fantastische Siegesserie hingelegt. Es war wirklich wieder eine Freude, den Buben zuzuschauen – und ratz, fatz standen wir für ein paar Spieltage richtig gut da, haben sogar die Rückrundentabelle angeführt. Leider nur vorübergehend, denn nach der tollen Serie kam ein kleiner Einbruch, dann wieder ein wenig Pech dazu – und nun läuft uns die Zeit weg.

Der Mainzer Fan an sich, so müssen Sie wissen, hat es ohnehin gerne ein bisschen spannend, also spricht nichts dagegen, wenn sich erst am 34. Spieltag in der 93. Minute entscheidet, in welcher Liga wir in der Folgesaison spielen. Diesmal könnte es allerdings richtig knapp werden – und nun kommen aber auch wirklich Sie ins Spiel. Mein Tipp ist ja, dass wir die Bayern am letzten Spieltag schlagen müssen, um die Klasse zu halten. Nun kann man sich ja momentan darauf verlassen, dass ihre Kollegen im Sturm nichts auf die Reihe bekommen – aber um Sie mache ich mir doch Sorgen. Sie sind, trotz ihres Alters, einfach noch zu gut. Deswegen meine bescheidene Bitte, ob Sie nicht ein paar Bälle, die eigentlich kein Problem darstellen würden für einen Torwart ihres Formats, einfach reinlassen könnten? Ich weiß, das muss in Ihren Ohren reichlich absurd klingen, aber sehen Sie es mal so: Für die Bayern wird es an diesem Tag um nichts mehr gehen. Für uns aber, für uns geht es um alles. Denn Jürgen Klopp irrt, wenn er sagt, die 2. Liga sei nicht die Hölle. Und Sie könnten sich ganz nebenbei für die komplette Region unsterblich machen. Ach bitte, werter Oliver Kahn, tun Sie mir den Gefallen und denken wenigstens Mal darüber nach?

Herzlichst Ihre,
Mara Braun

PS: Eins noch, es ist gut möglich, dass uns ein Sieg nicht genügt, sondern wir auch noch was an der Tordifferenz schrauben müssen, aber Ihnen fällt bestimmt etwas ein, wie man 17 Bälle unauffällig in den Kasten lässt.

PPS: Und der Ehrlichkeit halber sei zugegeben – beim Torwart Duell im letzten Jahr habe ich für Jens Lehmann gehalten. Der kommt einfach besser aus dem Tor und hat den geileren Arsch. Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel…

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