Horst Hülß: Abschied von einer echten 05-Legende

Was ich von Horst besonders in Erinnerung behalten werde: seine Begeisterungsfähigkeit, den schalkigen Humor, seine Zugewandtheit und die übergroße Liebe zu seinem Verein, dem 1. FSV Mainz 05. Im Alter von 84 Jahren ist er am Freitag gestorben und er hinterlässt eine Lücke, die bleiben wird. Menschen wie ihn, aber auch Vereinsikonen wie ihn, gibt es nur noch wenige und mit jedem von ihnen, der geht, verschwindet ein Stück gelebter Geschichte, ein Teil von 05.

Einer der schönsten Momente, die ich mit Horst miterleben durfte, war die Feier zu seinem 80. Geburtstag vor vier Jahren in Bretzenheim. Er war da voll und ganz in seinem Element, lauschte mit roten Wangen und strahlenden Augen den Festtagsreden, dirigierte später seinen eigenen Geburtstagschor und war sehr glücklich über die vielen Gratulant*innen, unter ihnen ehemalige Spieler, Mitspieler und Größen des Sports ebenso wie Freund*innen und Familie. Es war ein Tag ganz nach seinem Geschmack.

Auf dem Weg ins Stadion oder auch mal nach dem Spiel habe ich ihn häufig im Hasekaste gesehen. Da gab es dann ein kurzes Schwätzchen übers aktuelle Team, die Leistung der Trainer, das eigene Wohlbefinden, seins wie meins. Manchmal waren das nur kurze Momente, manchmal ein längerer Plausch, immer waren die eigenen Schritte beschwingter, nachdem man mit ihm geredet hatte. Am schönsten war es, wenn er Scherze machte, die hörte ich gern.

Als Spieler ging es für Horst Hülß 1965 zu Mainz 05. Der Verein hatte da gerade Schlagzeilen gemacht mit der goldenen Pokalgeneration, zudem konnte er in Mainz sein Studium fortsetzen. „Die Schule war immer das Wichtigste“, hat er 2018 bei den Dreharbeiten zu meiner Videokolumne erzählt. Drei Jahre spielte er im 05-Trikot, ging dann zum VfB Ginsheim und trainierte gerade den VfR Nierstein, als er bei Mainz 05 als Nachfolger von Gerd Menne ins Gespräch kam.

Er hat „keine Sekunde gezögert“. Allein die Gelegenheit, in der 2. Liga zu arbeiten, war Anreiz genug. Und dann noch seine 05er! Mit denen erlebt er ein Novum, als der Verein sich 1976 aus wirtschaftlichen Gründen aus der 2. Liga zurückzieht. Ein harter Schritt, auch für Trainer und Team. „Meine Schüler haben Unterschriften für den Ligaverbleib gesammelt.“ Er macht den Abstieg mit und bereut das nie. Das zweite Trainerintermezzo bei 05 Ende der Achtziger ist wenig erfolgreich, seine Liebe zum Verein bleibt ungebrochen, bis zum Schluss.

Nicht immer wird die so erwidert, wie Horst Hülß sich das wünscht. Er nennt den Umgang seiner 05er mit den Ehemaligen eine „wunde Stelle“ und glaubt, der Verein müsse da „in sich gehen und noch mehr machen“. Als Mitglied des Ältesten- und Ehrenrates gehört er lange zu denjenigen, die Vereinsmitglieder an halbrunden und runden Geburtstagen mit einem Strauß Blumen überrascht. Kontakt halten, Wertschätzung zeigen, darin war er wirklich gut und immer kam das von ganzem Herzen. Das ist eine Gabe, die er aber immer auch als Aufgabe begriffen hat.

Horst Hülß wird fehlen. Er hat das zuletzt schon an allen Ecken und Enden, weil er nicht mehr so konnte. Zu wissen, dass er nun wirklich nie mehr an der Ecke vor der Arena oder seinem Platz auf der Pressetribüne sitzen wird, ist sehr traurig. Wie der Verein ihn heute würdigt, das wäre ganz nach seinem Geschmack. Möge die Erde dir leicht sein, lieber Horst. Es war ein Privileg, dich zu kennen. Danke für alles.

Die Woche am Bruchweg (22/40)

Manchmal ergeben sich im Fußball magische kleine Augenblicke, in denen die schillernde Hülle aufbricht und darunter etwas sehr Authentisches zum Vorschein kommt. So einen Moment gab es in der Pressekonferenz von Christian Streich und Bo Svensson nach dem Spiel der 05er in Freiburg, als Streich offen erklärte, wie sehr ihn der Sieg gegen Mainz 05 freue.

Weil er weiß, er hat es mit einem gleichwertigen Gegner zu tun, den er mit seinem Team lange nicht mehr bezwingen konnte. Es sprach eine große Offenheit aus Streichs Worten, aber auch enorme Wertschätzung für sein Gegenüber. Ein schöner Moment war das, den man sich gern einrahmen würde für Tage, an denen Fußball mal wieder nur Business ist.

Das Grundgefühl nach der Partie gegen Streichs SC war schon jenes, dass ein Unentschieden verdient gewesen wäre. Zwar sah das in den letzten Minuten – wie immer, wenn diese mit viel Druck gespielt werden – ein wenig nach zu spätem Aufbäumen aus, eigentlich hatte das Team aber eine sehr gute zweite Halbzeit hingelegt.

Die Schwierigkeiten in der Defensive, die nun mal entstehen, wenn Schlüsselspieler den Verein verlassen und andere gesperrt sind oder krankheitsbedingt ausfallen, sollte man aus meiner Sicht nicht zu hoch hängen; was etwas völlig anderes ist, als sie nicht ernstzunehmen.

Niakhaté hat dieses Team in seinen letzten anderthalb Jahren in Mainz als einer der Anführer getragen. Aber die Zeit war das Ende einer Entwicklung und von Neuzugängen wie Leitsch zu erwarten, diese Fußstapfen sofort zu füllen (was ich insbesondere auf Fanseite teils wahrnehme) ist unfair. Das neue System braucht Zeit.

Wäre eine der grandiosen Vorlagen von Keeper Robin Zentner durch seine Vorderleute zum 2:2 verwandelt worden, die Gespräche über diese Partie würden völlig anders laufen. Womit wir beim Thema Torhüter wären, eines, das in Mainz seit jeher extrem emotional diskutiert wird.

Finn Dahmen hat nochmal mit Nachdruck klargemacht, dass er den Verein verlassen möchte. Angesichts der Tatsache, wie seine Wechselchance im Sommer verpuffte, ist das nachvollziehbar. Torhüter müssen für sich persönlich den Moment finden, an dem sie lange genug um den Aufstieg zur Nummer Eins gekämpft haben.

Für Dahmen ist der Moment gekommen – und das ist vollkommen in Ordnung. Es spricht fürs Mainzer NLZ und vor allem die Arbeit von Sven Hoffmeister, wie kompliziert die Entscheidung darüber, wer im Tor stehen soll, in den vergangenen Jahren immer war. Zentner hat sich aus gutem Grund bereits mehrfach durchgesetzt. Sein neuer Herausforderer wird Lasse Rieß sein, von dem Svensson sagt, er sei absolut bereit. Wer, wenn nicht sein Trainer, sollte das wissen.

Apropos Trainer. Für Außenstehende relativ überraschend erfolgte bei den #SCHOTTgoes05-Frauen die Trennung von Nicolai König. Beim 5:1-Heimsieg gegen den 1. FFC Niederkirchen am letzten Wochenende hatte bereits Nadine Kreß das Team betreut. König war erst im Sommer als neuer Coach zum Verein gestoßen, und das mit reichlich Vorschusslorbeeren, da er einige Spielerinnen bereits durch seine Trainertätigkeit an der Goethe-Uni Frankfurt kannte.

Dennoch hat es offenbar bereits seit einigen Wochen Unstimmigkeiten zwischen Trainer und Team gegeben, so dass die Verantwortlichen Nadine Kreß und Till Pleuger nun die Reißleine zogen. Kreß und Co-Trainer Alexander Ulbrich werden das Team vorerst betreuen, während bereits Gespräche mit möglichen Kandidat*innen für die Nachfolge laufen.

In der Regionalliga Südwest belegen die Frauen mit fünf Siegen aus fünf Spielen weiterhin Platz 1. Am Sonntag um 14 Uhr treten sie auswärts beim SC 13 Bad Neuenahr an.

Die Meenzer Dynamites, zuletzt im Stadtderby gegen Bretzenheim siegreich, sind bereits am Samstag auswärts gegen den TuS Lintfort gefordert. Im Tischtennis geht’s für die 05-Erstligisten erst Anfang November weiter.

Die Woche am Bruchweg (22/37): Stimmung, schwankend

Stimmungstechnisch war das eine komische Fußballwoche. Angefangen mit dem unschönen Spiel in Sinsheim, das auch durch die „Heimspiel in Hoffenheim“-Nummer des Vereins bei mir lange nachgewirkt hat. In meiner 05-Kolumne für die Allgemeine Zeitung setze ich mich damit intensiver auseinander (erscheint am Freitag hier).

Irritiert hat mich unter anderem die Diskussionskultur. Kein wirklich neues Thema, wenn aber einer wie Christoph Kessel, der seit Jahren viel Zeit und Liebe in sein Treiben rund um Mainz 05 steckt, so rüde angegriffen wird wie unter der Woche, weil er Kritik anbringt, macht mich das nachdenklich. Schließlich sind Vereinsverantwortliche keine Götter – und Christoph ist nun wirklich niemand, der draufhaut. Woher also diese schnaubende Wut, sobald jemand mal „ausschert“?

Die offenbar wirklich heftige Fußverletzung von Jonathan Burkardt war ein weiteres Thema, das mich nicht wirklich losgelassen hat. Mir ist schon klar, das ein Regelwerk nicht situativ ist, sondern allgemeingültig, dass aber der Verursacher das Spiel beenden durfte, wirkt falsch. Wie so vieles im derzeitigen Fußballzirkus und vielleicht bin ich einfach etwas business-müde.

Wirklich groß: die 05-Stempelkarte. (Foto: Rheinhessen on Tour)

Abseits von Mainz 05 sind es auch nachdenklich stimmende Zeiten im Fußball. Noch scheint nicht ganz absehbar, wohin der Shift in einigen Fanszenen führen wird, der mutmaßlich durch die Corona-Pause mit ausgelöst wurde. Die aufflammende Gewaltbereitschaft bietet, bei aller weiterhin bestehenden Notwendigkeit zur Differenzierung, Anlass zur Sorge. Einen sehr guten Text haben die Kollegen Felix Tamsut und Matt Ford dazu für die Deutsche Welle geschrieben.

Der Wochenausklang dürfte kompliziert bleiben emotional. Die Rückkehr von Sandro Schwarz in die Bundesliga ist eine schöne Erfolgsgeschichte für den Mainzer, auch wenn ich keine gesteigerten Sympathien für Hertha BSC hege. Ihn erstmals seit seinem unfreiwilligen Abschied als Trainer des Gegners an der Seitenlinie zu sehen, hat dennoch eine spezielle Wucht. Wie mag sich das wohl erst für ihn anfühlen?

Bo Svensson hat in der Pressekonferenz jedenfalls die richtigen Worte gefunden, was seine Erwartung an das Publikum angeht: „Ich freue mich, ihn zu sehen. Ich glaube, es ist auch ein besonderes Spiel für ihn. Ich hoffe auch, dass er hier gut empfangen wird von den Fans, weil, es ist ein besonderer Mensch, der jetzt hier zurückkehrt. So viele von der Sorte haben wir in Mainz nicht. Da verdient er schon, dass er die Anerkennung von den Leuten bekommt, egal ob er jetzt Trainer woanders ist.“

Wir haben immer ein gutes Verhältnis. Kommen gut miteinander klar. Werden wir sehen, ob das über die 90 Minuten dann auch so funktioniert. Wir sind auch bekannt dafür, dass wir nicht die allerruhigsten Typen sind.“

Bo Svensson über die Rückkehr von Sandro Schwarz nach Mainz

Meine Gedanken sind tatsächlich zu Wolfgang Frank gewandert anlässlich der Rückkehr von Schwarz. Der beerbte Frank ja einst in Wiesbaden – und das letzte Spiel seines Mentors als Coach des SVWW war just jenes gegen 05. Schon erstaunlich, wie sich Kreise auch immer wieder schließen. Das ist am Ende vielleicht die gute Nachricht.

Weitere gute Nachrichten lauten wie folgt: Die #SCHOTTgoes05-Frauen, in der Regionalliga Südwest ungeschlagene Tabellenführerinnen, treten am Sonntag um 14 Uhr zuhause gegen den 1. FC Riegelsberg an. In der ersten Tischtennis-Bundesliga sind die 05er am Sonntag zeitgleich gefordert.

Und die Meenzer Dynamites, nach einem im Handball eher seltenen Unentschieden zum Saisonauftakt, spielen am Samstag um 18 Uhr auswärts in Regensburg. Da sind die Möglichkeiten, die Abteilungen zu unterstützen, mal wieder zahlreich.

Als Möglich-Macher in Sachen Unterstützung des Vereins bei Spielen in fremden Stadien sind derzeit im besten Sinne die Supporters unterwegs. Sowohl nach Freiburg als auch Bremen organisieren sie coole Angebote. Sagt nicht, ihr hättet von nichts gewusst.

Wir lesen uns.

Wiesbaden Biennale: How dare they show, not tell?

Wenn das Publikum Schwierigkeiten hat mit dem Verständnis von Produktionen, ist das ein Problem der Stücke oder des Publikums?

Der Vorhang zur letzten Vorstellung der dritten Ausgabe der Wiesbaden Biennale ist gefallen. Was zunächst bleibt, ist der Eindruck, dass in der öffentlichen Auseinandersetzung mit dem Festival die Frage nach Vermittlungswillen und -kompetenz des neuen Kurators Kilian Engels eine viel größere Rolle gespielt hat, als die eigentlichen Stücke und ihre Botschaften.

Ankündigung zur Wiesbaden Biennale. (Collage: Staatstheater/Biennale Wiesbaden)

Das ist zum einen bedauerlich, zum anderen sagt es womöglich mehr über die Diskutierenden, als über den Kurator. Denkbare Fragen hierzu lauten: Wer möchte eigentlich was erklärt bekommen? Warum gibt es Erklärungsbedarf? Und wird Dialog wirklich verweigert?

Aus dem Besuch eines Theaterstücks oder generell der Begegnung mit Kultur Fragezeichen mitzubringen, ist zunächst einmal überhaupt nichts Schlechtes. Im Gegenteil ließe sich sogar argumentieren, Kultur, die uns genau da abholt, wo wir bereits sind, uns vor keine Aufgaben stellt und keine Fragen in uns aufwirft, hat ihre Wirkung verfehlt.

Kultur als Komfortzone ist die Idee eines Konzertabends bei der eigenen Lieblingsband, aber kann sicher nicht die Idee bei einem Festival wie der Wiesbaden Biennale sein. Das haben auch deren ersten Ausgaben gezeigt.

Szene aus dem visuellen Gedicht. (Foto: Philip Frowein)

Es geht also eher um die Souveränität im Umgang mit den Fragezeichen – und vielleicht auch darum, wie sehr verschiedene Gruppen diese gewohnt sind. Ein klassisches Theaterpublikum Wiesbadener Produktionen der vergangenen Jahre geht womöglich davon aus, mit allem, was auf der Bühne speziell im Großen Haus passiert, automatisch etwas anfangen zu können. Was, wenn das plötzlich nicht mehr zutrifft, auch, weil gesellschaftliche Aspekte auf dieser Bühne stattfinden, die hier bislang eher keinen Raum gefunden haben?

Wenn beispielsweise über das „visuelle Gedicht“ How A Falling Star Lit Up The Purple Sky zu lesen ist, die angekündigten Bezüge zum Western seien nicht klar, muss die Frage erlaubt sein: Wem? Immerhin ist es der Song „Walk On By“ von Isaac Hayes, der da aus den Lautsprechern dröhnt. Der Sprung zu dessen Titelsong für den Film „Shaft“, den Blaxploitation-Filmen in den 1970ern und der Rolle des Westerns darin, ist durchaus machbar.

Vielleicht nicht für jede*n Zuschauer*in, aber: Ist das so schlimm? Oder anders gefragt: Sind Bezüge in dem, was vielfach als klassisches Theater definiert wird, umgekehrt für jedermensch gleich offensichtlich? Und wird der Unwille über eine vermeintlich schwierige Zugänglichkeit der Stücke nicht bei näherer Betrachtung eher davon ausgelöst, diesmal auf der Seite jener zu sein, denen nicht alles Bühnengeschehen auf den ersten Blick einleuchtet?

Wenn dem so wäre, müsste die ehrliche Feststellung nicht lauten: Dieser Perspektivwechsel spricht für eine extrem gelungene künstlerische Arbeit, die aufschreckt, entblößt und zum Nachdenken anregt?

Kurator Kilian Engels (Foto: Daniel Mayer/Biennale Wiesbaden)

Der Abgleich, der mir in der Debatte fehlt, ist: Auf wen möchte Kilian Engels mit seiner Haltung Rücksicht nehmen? Und: Auf wen nimmt das klassische Theater Rücksicht? Wenn der Kurator betont, als weißer Mann nicht die Kunst Schwarzer Frauen erklären zu wollen, so nimmt er Rücksicht auf seine Künstler*innen, von denen er weiß: Ihr Zugang zu den Räumen, die sie bei der Biennale bespielen, ist vielfach beschränkt. Sie nutzen diesen unter anderem, um auf ihre Geschichten aufmerksam zu machen, persönliche Erfahrungen auf die Bühne zu bringen.

Ist es nicht eine brutale Haltung eines mehrheitlich weißen Publikums, das oft nicht hinsehen will, wenn es um Kolonialgeschichte, um Rassismus und Unterdrückung geht, man müsse ihm diese Stücke nun erklären? Und eine arrogante Haltung im Umgang mit Gender, jene Künstler*innen, die sich nicht innerhalb binärer Grenze wiederfinden, sollten Rücksicht nehmen auf diejenigen, denen solche Themen neu sind – und nicht umgekehrt? Ist es denn Aufgabe Betroffener, immer Care- und Erklärarbeit zu leisten? Oder eher die der Mehrheitsgesellschaft, zuzuhören und Raum zu geben?

Und wie erklärt sich bitte das klassische Theater all jenen, die vielleicht nicht damit aufgewachsen sind, wo nimmt es Rücksicht auf diejenigen, denen Querverweise und Bezüge nicht ohne Weiteres einleuchten, die sich ausgeschlossen fühlen von einem elitären Kulturbegriff, der sich um nichts schert, vor allem nicht um die eigene Zugänglichkeit?

Die Debatte um einen vermeintlichen Mangel an Spielstätten in der Stadt lässt sich vor dem Hintergrund dieser Themen jedenfalls auf zwei Weisen lesen. Manch eine*r mag vermissen, dass sich das Theater anlässlich des Festivals in ganz Wiesbaden ausbreitet. Aber ist nicht umgekehrt ein Teil der Irritation darin begründet, dass die als so andersartigen empfundenen Stücke sich genau dort Raum nehmen, wo sie sonst nie stattfinden: auf der Bühne des Großen Hauses?

How dare they …

Wer über diese und andere Fragen während der Biennale 2022 mit ihrem Kurator diskutieren wollte, hatte dazu vielfach Gelegenheit. Kilian Engels war durchaus präsent während des Festivals und hat aufkommende Fragen geduldig beantwortet. Was der Theatermacher aber nicht getan hat, ist, sich von seiner Haltung zu bestimmten Komplexen abbringen zu lassen.

Damit hat er womöglich einige Menschen vor den Kopf gestoßen. Seine Künstler*innen gehören nicht dazu; zum Glück. Das Festival steht so aber unterm Strich viel stärker in der Tradition der bisherigen Biennalen, als es vielen bewusst zu sein scheint. Gleichzeitig wagt es Neus. Und es macht Lust auf 2024.

Die Woche am Bruchweg (22/36): Die Grätsche ausgepackt

Heute müsste die Rubrik für diesen Text eigentlich heißen „Die Wochen am Bruchweg“, also Plural, denn zuletzt ist der Beitrag durch meine Reise nach Doha nicht zustande gekommen. Also Re-Live, was bei Pressekonferenzen immer so eine Sache ist: Nachträglich sind da leider keine Fragen mehr möglich. In manchen Phasen lässt die Termindicht es aber nur so zu.

Bo Svensson bei der PK nach dem Sieg in Mönchengladbach. (Bild: Mainz 05/Screenshot)

Das Heimspiel gegen Leverkusen scheint nun schon eine kleine Ewigkeit zurückzuliegen, das Fußballgeschäft ist nun mal in schneller Drehung begriffen. Überschrift im Rückblick? Mit den eigenen Waffen geschlagen. Bo Svensson hat es in der PK ja bestätigt, dass er und sein Staff mit der in der Partie vorgetragenen Spielweise der Bayer-Elf (u. a. Umstellung auf 3er-Kette) kein bisschen gerechnet hatten.

Letztlich darf Mainz sich das als Kompliment anheften, wenn ein Gegner sich so auf sie einstellt; wobei es für Gerardo Seoane nach zuvor drei verlorenen Spielen zum Saisonstart natürlich auch ganz generell um eine bessere Absicherung ging. Und plötzlich lief es auch vorne, allerdings dank freundlicher Unterstützung der Mainzer Abwehr.

Gegen Gladbach standen Hack und Leitsch wieder in der Startelf, was ich für das richtige Signal halte. Fehler gehören im Fußball nun mal dazu, ebenso wie die Chance, sie wieder gutzumachen. In den drei ersten Spielen der Saison haben beide überdies wirklich solide Leistungen gezeigt. Darauf sollte der Fokus liegen, denn mit dem Abgang von Niakhaté wurde zuvor ein großes Loch gerissen – und Abläufe müssen neu etabliert werden. (St. Juste lasse ich an dieser Stelle mal außen vor, da er vergangenen Saison so wenig gespielt hat.)

In Mänchengladbach zeigte das Team von der ersten Minute an, dass ein Auftritt wie in der Vorwoche sich nicht wiederholen sollte. Yann Sommer im Tor der Borussia hatte gut zu tun, gefordert war gerade bei den Kontern auch die Mainzer Defensive. Sehenswert nach einer erneut unglücklichen Aktion von Leitsch war dabei die Grätsche von Dominik Kohr. Ich juchze bei Spielen selten vorm Fernseher, aber in dem Fall musste es raus.

Ein besonders schöner Moment war dann nicht nur fußballerisch das Tor von Aarón (55.) per Freistoß (nach Notbremse an Onisiwo). Niemand geht vermutlich gern damit in die Geschichte des Vereins ein, den legendären Elfmeterrekord beendet zu haben, was dem Spanier aber just in Augsburg unterlaufen war. Nach diesem Traumtor kann er die Geschichte hoffentlich abhaken; die Verantwortlichen haben das bereits getan.

Viel wird nun über die „neue Auswärtsstärke“ der 05er gesprochen. Klar ist allerdings, die Spiele in der Fremde waren letzte Saison oft besser, als die Ergebnisse es vermuten ließen, in 50/50-Situationen lief zuhause mehr für Mainz, auf gegnerischen Plätzen mehr gegen sie. Ich beobachte zumindest nicht, dass sich das Leistungsverhältnis Heim/Auswärts komplett gedreht hätte.

Sowohl zuhause als auch auswärts richtig gut drauf haben sich in den ersten beiden Spielen der Saison die #SCHOTTgoes05-Frauen gezeigt. Am ersten Spieltag feierten sie bei ihrer Heimpremiere gegen Wormatia Worms einen 6:0-Sieg, der zweite Spieltag brachte einen Auswärtserfolg, ebenfalls mit 6:0-Toren.

Bei der nächsten Heimpartie empfängt das Team am 18. September um 14 Uhr den 1. FC Riegelsberg. Wer nicht, wie ich, um diese Zeit ein Patenkind übers Taufbecken zu halten hat, sollte unbedingt zum Spiel kommen.

Mit zwei Niederlagen ist dagegen die Tischtennis-Abteilung in die Saison gestartet. Auswärts beim TTC Schwalbe Bergneustadt unterlagen die 05er am ersten Spieltag 1:3. Erwähnenswert: Der Mainzer Luka Mladenovic (Weltranglistenplatz 261) konnte den zweimaligen Olympiateilnehmer Omar Assar (Ägypten, Weltranglistenplatz 21) in drei Sätzen deutlich besiegen (11:7, 13:11, 11:8). In den folgenden drei Spielen mussten seine Teamkollegen sich aber geschlagen geben.

Im ersten Heimspiel empfingen das Team von Tomasz Kasica dann den amtierenden Meister Borussia Düsseldorf, allerdings ohne Fahnenträger Timo Boll (Oberschenkelprobleme). Die Mainzer verloren ihre Matches 0:3, Mladenovic und Carlo Rossi konnten in ihren Partien aber je einen Satz für sich entscheiden. Mladenovic gelang das sogar gegen den amtierenden Europameister im Einzel, Dang Qiu. Chancenlos werden diese Mainzer nicht sein bei ihrem Abenteuer 1. Liga.

Ihre nächste Auswärtspartie bestreitet das Team am 12. September (18.30 Uhr). Bereits am Samstag, 10. September, starten die Meenzer Dynamites um 19 Uhr zuhause gegen HC Rödertal in ihre Zweitligasaison. Dann gilt es für die 05er*innen wieder: Auf in die Halle. Ich kann das nur wiederholen: Alle Abteilungen haben Unterstützung verdient. Wer flott ist, schafft es zum Handball auch im Anschluss an eine Fahrt nach Hoffenheim.

Wir lesen uns.