Prinzessin im Engelsreich

Familie, das sind die Menschen, die einem das Leben vom ersten Tag an schenkt. Nicht mit jedem dieser geschenkten Menschen findet man seinen Weg oder entwickelt man die Beziehung, um die man gehofft hatte – und manche der Geschenke würde man über kurz oder lang gerne zurückgeben. Doch auch das ist nicht leicht, Familie, das ist Blut, das ist Verantwortung. Familie ist immer da, auch wenn man wegschaut, mit den Augen, mit dem Herzen. Freunde, das sind Menschen, die das Leben uns finden lässt. Oder von denen wir gefunden werden. Freunde erkennt man nicht immer auf den ersten Blick, manche werden erst mit der Zeit wertvoll für unser Leben, und die Beziehung zum einen oder anderen braucht eine kleine Ewigkeit, um sich zu entfalten. Dann aber ist sie auf eine ganz einzigartige Weise wertvoll, weil wir uns frei für sie entschieden haben, in einem mehr oder weniger bewussten Moment, weil wir diesen Menschen wollen, in unserem Leben, als ein Teil davon.

Denke ich an Freundschaft, dann denke ich an dich. Denke ich daran, was das Leben mir geschenkt hat, dann denke ich an dich. Denke ich darüber nach, was ich richtig gut hinbekommen habe, was ich immer wieder genau so tun würde, dann denke ich an dich. Im Sommer werden es sieben [elf] Jahre du und ich. Kannst du dir das vorstellen? Es scheint als hätten unsere beiden Leben sich in dieser Zeit dreimal komplett um sich selbst gedreht, kaum etwas, das sich nicht verändert hat. Und immer warst du da, wenn mein Leben sich drehte und ich, wenn deines eine unerwartete Wendung nahm. Männer sind gekommen, geblieben und gegangen, wir haben die andere verliebt gesehen, verlobt und im Liebeskummer versoffen. Jobs sind gekommen, haben wir geflüchtet und umarmt in dieser Zeit, und uns gegenseitig den Stress aus den Hemden gebügelt. Urlaube haben uns für Wochen getrennt oder an einem Fleck der Welt zusammen gesteckt – und beides war mal seltsam schrecklich und dann wieder wunderbar.

Denke ich an Freundschaft, dann denke ich an dich. (Foto: M. Naue)

Denke ich an Freundschaft, dann denke ich an dich. (Foto: M. Naue)

Unsere Familien haben sich verändert, Krankheiten haben ihre Schatten geworfen, der Tod seine unerbittlichen, scharfen Krallen ausgefahren. Du hast dich verändert, ich mich, wir uns, mal miteinander, mal aneinander vorbei. Manchmal war es so federleicht, dass wir nicht anders konnten als tanzen, manchmal haben die Tränen uns salzige Vorhänge durch die Tage mit- und ohne einander gezogen. Es hat Streit gegeben, Tränen, Missverständnisse und Wut. Es hat Aussprachen gegeben, Versöhnungen, Lachen und Freude. Es hat immer wieder dich gegeben und immer wieder mich. Und es wird immer wieder dich geben und immer wieder mich. Diese Gewissheit habe ich mir schon an unserem ersten gemeinsamen Tag mit Großbuchstaben tief unten in mein Herz tätowiert.

Und darauf freue ich mich. Auf jede Sekunde, jedes Wort, jeden Streit, jede Umarmung, jedes Lachen, jeden Trost. Ich freue mich darauf, da zu sein, darauf, dass du da sein wirst. Freue mich auf albern sein, streng sein, auf gackern, auf lästern und dabei immer die richtigen Worte finden, auf feiern und Bierchen am Rhein. Auf streiten, sich Sorgen machen, sich für die Andere freuen, auf loben, stolz sein, Kopf schütteln und schimpfen. Auf heulen an deiner Schulter, deine Tränen in meinem Arm, auf neuen Kummer, Herausforderungen, neue Siege auf ganzer Linie. Immer wieder du, immer wieder ich. Und irgendwann dann, die Hollywoodschaukel, der Marillenschnaps, Falten geworfen. Du Beste, du Prinzessin, du DU!

[Juni 2006]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.