Rummelplatzmomente

Neulich bin ich auf einem Rummel gewesen. Ich liebe den Rummel, das war schon so, als ich noch ein kleines Mädchen war, mit Hoffnungen und Träumen so groß, dass sie nicht unter das weite Dach des Himmels passen wollten. Damals habe ich mir oft ausgemalt, wie mein Leben wohl geworden wäre, wenn es mich, statt mit der meinen, als elftes Kind einer achtzehnköpfigen Zirkusfamilie losgeschickt hätte, meinen Platz in dieser Welt zu suchen. Und diese Träume rochen nach Abenteuer und Sägespänen – und schmeckten nach Zuckerwatte und purem Glück. Mein Lieblingsplatz auf dem Rummel war zu jener Zeit ein kleines, rundes Karussell mit alten Kutschwagen und Pferden. Besonders eines davon hatte es mir angetan, ein Schimmel, kleiner als die anderen und deswegen von den runden Kinderhänden nur selten auserwählt.

Foto: Marieke Stern

Foto: Marieke Stern

Ich aber zog ihn den stattlichen, großen Pferden vor, weil da etwas in seinen aufgemalten Augen lag, das mich zu ihm zog – und freute mich Sommer für Sommer mit herzklopfiger Begeisterung auf ein Wiedersehen. Auf dem Rücken des Tieres drehte sich Jahr um Jahr die Welt an mir vorbei, dazu erklang Musik, aus einer Zeit, von der ich nichts kannte als die Erzählungen der Alten. Später hatte es mir das Riesenrad besonders angetan, denn es schenkte mir eine Ahnung von der Weite der Welt hinter den Beschränkungen der Jugend. Und verwies, hoch oben über der Stadt und dem Himmel so nah, doch gleichzeitig auf das Geschenk der Heimat, meiner – die sich zu meinen Füßen ausbreitete und mir Halt bot und Wurzeln. Hier kannte ich jedes fremde Gesicht, hier schmeckte die Luft nach Sommer und Aufbruch, und wand sich ein schwebender Zauber durch die beleuchteten Gassen, der keine Erklärungen sucht.

Als ich neulich auf dem Rummel gewesen bin, fühlte sich das an wie die Umarmung eines vertrauten Menschen nach einer unfreundlichen, kalten Stunde auf der Nachtautobahn des Lebens. Und da tanzten meine Gefühle auf dem Parkett meines Herzens, so bezaubert, wild und schnell, bis die Blasen an ihren Füßen knallend zerplatzten. Doch keinen Schmerz dabei hervorriefen und kein Blut, stattdessen die Müdigkeit nach unten aus meinem Körper laufen ließen, so dass ich immer weitertanzte, die ganze Nacht hindurch. Auf die erste Umarmung folgten viele weitere, von den Freunden, mit denen ich in den Abend gegangen war und von Menschen, die Wiedersehensfreude in mir auslösten und ich in ihnen. Das Lächeln wanderte zwischen uns umher, sprang von einem Gesicht zum anderen und machte sich dann auf, um ein Herz nach dem nächsten zu berühren. So standen wir zusammen in dieser Blase des Glücks, die uns sanft abfederte, als wir einer nach dem anderen aus unserm Alltagstrott hinausfielen und weich landeten im Zauber dieser Sommernacht.

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