Sauerstoffbläschen

Am Ende waren sie zu dritt. Er, sie – und die Angst: vor dem Scheitern. Dem alleine sein. Die Angst davor, zu früh aufzugeben. Die Angst auch, sich immer wieder verletzten zu lassen – und dabei selbst zu verletzen. Angst, sich leerzulieben. Totgeliebt zu werden. Die Angst, dass das niemals aufhört.

+ „Ich kann so nicht weitermachen.“
– „Ich kann ohne dich nicht leben.“
+ „Das macht mich kaputt.“
– „Nur mit dir bin ich glücklich.“

War es alleine ihre Angst – oder war es auch seine? Hatten sie je einen gemeinsamen Kampf gefochten, oder war das nur sie, immer wieder – und immer umsonst, scheinbar. Wenn sie nachts in seiner Nähe lag, nie ganz bei ihm, weil er mehr Raum brauchte als sich einstellen wollte zwischen ihnen, spürte sie ihr Herz, das kaum noch schlug, bloß flimmerte.

Foto: Katharina Wieland Müller/pixelio.de

Foto: Katharina Wieland Müller/pixelio.de

+ „Ich will das nicht.“
– „Ich brauche das.“
+ „Du tust mir weh.“
– „Du tust mir so gut.“

Zu dem flimmernden Herzen gesellte sich bald auch eine flatternde Lunge. Neben dem Raum, der zu eng war, wurde ihnen die Luft zu knapp. Anstatt zu teilen, hat er sie weggeatmet, mit weit offenem Mund und geblähtem Brustkorb, bis sie ganz blau war im Gesicht, weil kein Bläschen Sauerstoff mehr durch ihren Körper wanderte. Und das langsame Ersticken begann.

– „Ich bestimme das so.“
+ „Ich fühle mich unwohl damit.“
– „Haben wir es nicht schön zusammen.“
+ „Du hast es gut an mir – und ich?“

Sie grübelte darüber nach, wo sie einander verloren hatten, bis es in ihrem Kopf anfing zu bluten und dicke, schwarze Tropfen aus ihrer Nase liefen. Mit denen konnte sie nichts weiter als alleine sein – und hat sich so für eine kleine Ewigkeit weggeschlossen. Die Angst ist geblieben in dieser Zeit, mit kalter Hand kratzte sie ihr an den Magenwänden. Sie erbrach sich so lange, bis alles in ihr verätzt war und sie einen Grünstich bekam.

– „Du kannst mich nicht verlassen. Und das weißt du auch.“
+ „Du kannst nicht ohne mich sein. Das habe ich verstanden.“
– „Komm zurück zu mir, wohin du gehörst.“
+ „Ich werde da sein, doch ich bleibe nicht.“

Dann ist ihr zuerst das Herz stehengeblieben. Und danach die Lunge geplatzt. Der Grünstich hat zugenommen, ist schließlich immer dunkler geworden, bis sie schimmernd auf dem Bett lag und durch ihr Blut, das immer noch dick und schwarz über ihr Gesicht lief, die Decke sah wie einen Haufen düsterer Schlieren. Drei sind einer zu viel. Das hatte sie längst begriffen. Nicht aber, wer hier zu wem gehörte. Das kam dann. Sie hat gewartet, bis die Sonne untergegangen war, an jenem Tag. Dann ist sie barfuss zu seiner Wohnung gelaufen und hat ihm die Angst zurückgebracht, die er bei ihr abgeladen hatte. Auf dem Rückweg ist sie gehüpft, erst ganz vorsichtig, dann immer schneller, höher, mit Lachen und Musik – so, wie ihr Herz die Zeit vor ihm erinnerte.

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