Theresa Bäuerlein: Roman ohne Eifersucht

Zwar heißt es landläufig, „You Can’t Judge a Book by the Cover“, die Beziehung zum geschriebenen Werk aber kann dennoch mit eben jenem anfangen: dem Cover. Schließlich zählt immer auch der erste Eindruck – das gilt nicht nur im Zwischenmenschlichen. Insofern stand meine Liaison mit Theresa Bäuerleins „Roman ohne Eifersucht“ eigentlich unter einem sehr guten Stern, denn das rostrote Cover, auf dem die titelgebenden Buchstaben wie ausgestanzt scheinen, um darunter Zeitungspapier zu enthüllen, gefiel mir spontan, ebenso die angedeuteten Wellen und Zeitungsschiffchen. Das Buch beginnt mit einem Brief, den Protagonistin Karen an ihren Freund Jonathan schreibt. Der kommt gerade zurück von einer Outdoor-Reise in Polen, die beide ursprünglich hatten zusammen antreten wollen – bis dann Karens Job dazwischen kam. Und Jonathan alleine abreiste, nicht ohne Karen vorher zu versichern, es sei „kein Problem“, sollte sie in seiner Abwesenheit „Bock auf jemand anders“ haben. Denn der Fotograf empfindet keine Eifersucht, sich selbst deswegen als anders – und ist getrieben von dem Wunsch, neben seiner Freundin auch mit anderen Frauen schlafen zu dürfen.

Decisions, decisions: Wer soll die nur alle treffen? (Foto: Verlag)

Decisions, decisions: Wer soll die nur alle treffen? (Foto: Verlag)

Weder teilt diese seinen Wunsch, noch kann sie dem Aspekt so recht etwas abgewinnen, dass Jonathan ihr umgekehrt ebenso großzügig das Recht einräumen würde, mit anderen Männern zu schlafen. Für die Zeit der Polen-Reise schlägt sie dennoch halb vor, halb willigt sie ein, das Experiment „Offene Beziehung“ zu wagen – und Jonathan verabschiedet sich elektrisiert vor Begeisterung. Und vielleicht ist es doch ein Hintergedanke, der Karen treibt, denn noch vor seinem Abflug gesteht sie ihrem Freund, sie habe für dieses Experiment einen Kandidaten im Kopf: Ben, ihren Nachbarn. Was Jonathan plötzlich verunsichert, weshalb er in einer Mail einige Regeln für das Experiment aufstellt; die wichtigste: nicht zweimal mit demselben Menschen schlafen. So also nehmen die Dinge ihren Lauf. Karen schnappt sich den vollkommen überraschten Ben, seines Zeichens introvertierter Forscher, der mit einer gestohlenen Laborratte lebt. Jonathan empört seine Reisegruppe am polnischen Lagerfeuer mit seinem Monolog über offene Beziehungen, darf aber zur Belohnung mit der hübschen Reiseleiterin schlafen – und das entgegen seiner eigenen Regeln gleich mehrfach. Karen stellt fest, dass ihre Chefin sich der freien Liebe mit professionellem Eifer verschrieben hat – trotzdem kommt es zu Problemen, als sie gerade mit deren Mann anbändelt. Wie sie überhaupt plötzlich das Bedürfnis verspürt, anzubändeln, mal mit dem einen, mal dem anderen. Nur nicht mehr Ben, dessen Rattenklau mittlerweile aufgeflogen ist, worauf er das Tier in Anwesenheit seines Professors einschläfern muss, um seine Stelle zu retten.

Das hinterlässt ihn deutlich zerstörter als den Leser, der zumindest sicher sein darf, keine weiteren Kapitel aus der Sicht der Ratte erzählt zu bekommen – ein Mittel, zu dem die Autorin zuvor mehrfach gegriffen hat. Allerdings längst nicht so häufig wie zu endlosen Vergleichsformeln, nichts existiert im Bäuerleinschen Universum, ohne wie etwas anderes zu sein, in endloser Verkettung. Und dann ist plötzlich alles vorbei, schließt sich der Kreis, als Karen an ihren Brief noch einige Sätze anfügt, ratlos klingen die. Und ratlos bleibt auch der Leser zurück, der auf 272 Seiten ein Thema angedeutet bekommt, ohne jemals das Gefühl zu haben, wirklich darin einzutauchen. Dasselbe gilt für die Geschichte – sofern es sie denn gab… Vielleicht also ist es nicht das Cover, nach dem man sich einen ersten Eindruck machen sollte, sondern das kurze Autorenportrait auf der Umschlagsklappe. Und vielleicht sollte ich nie wieder Bücher einer Autorin lesen, die genau an dieser Stelle über sich ausgerechnet zu sagen hat, dass es ihr Probleme bereitet, sich zwischen zwei Sorten Joghurt zu entscheiden.

Theresa Bäuerlein
Roman ohne Eifersucht
272 Seiten
Krüger, Frankfurt
14,95 Euro

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