When Harry fucked Sally

Wir haben immer behauptet, wir wollten unsere Freundschaft retten. Dabei waren wir nie Freunde. Und doch weiß ich noch, wie das angefangen hat – und daran wird auch die Zeit nichts ändern; diese alte Hure war ohnehin noch nie in der Lage, etwas anderes zu tun mit meinen Wunden, als sie zu salzen. Das verlängert ihre Haltbarkeit und macht meine Haut rot leuchten, weshalb die Leute denken, schau nur, wie gesund das Kind aussieht. So war das früher schon. Die Wunden, die Tränen, die roten Wangen und der Rotkäppchensaft.

Als ich dich das erste Mal gesehen habe, da hat nicht mein Herz einen Schlag ausgesetzt. Da war kein Kitsch, da haben keine Grillen gezirpt und auch der scheiß Himmel hat sich nicht aufgetan. Du warst ein pummeliger kleiner Junge, ich Mitte Zwanzig und du etwas jünger, hast auf einer Mauer gesessen und gejammert. Über deine Ex, der du das Bett in der neuen Bleibe aufgebaut hattest, nur um hinterher festzustellen, sie vögelt darin nun einen anderen. Irgendwas war putzig daran, wie du diese Geschichten erzähltest. Tragischkomisch, vielleicht. Obwohl du ein kleiner, pummeliger Junge warst, fand ich dich irgendwie sexy. Vielleicht war es auch nur dein gebrochenes Herz, das mich angezogen hat. Mein Ex hat immer gesagt, ich hätte das Rote Kreuz auf der Stirn. Ich tue nicht unbedingt gern Gutes. Aber ich mag es, wenn Menschen glücklich sind; ganz einfach. Und Sex macht glücklich, manchmal. Also schliefen wir miteinander.

Sex macht glücklich; manchmal. Also schliefen wir miteinander. (Foto: Jörg Brinckheger/pixelio.de)

Sex macht glücklich; manchmal. Also schliefen wir miteinander. (Foto: Jörg Brinckheger/pixelio.de)

Die Nacht dauerte zu viele Biere und erst als der Morgen graute wagtest du, mir einen Kuss von den wundgeredeten Lippen zu klauen. Da war also plötzlich doch ein Moment des Zaubers, als du vor mir auf die Knie gingst und mich mit einer Zartheit überraschtest, die mir ins offene Herz stach. Das ich nicht geschützt hatte, im Glauben, von dir ginge keine Gefahr aus. Noch während unsere Lippen sich suchten und fanden, eröffnete das Karussell in meinem Kopf die nächste Runde. Was machen wir denn hier? Verpflichtet mich dieser Kuss? Und dieser? Bauen wir gerade Mist? Immerhin, deine Freunde sind meine und meine deine und die Hälfte meiner Mädels mit deinen Jungs zusammen. Nein, keine Romantik, dafür plötzlich eine Hitze und ein Begehren, dass mir ganz flau davon wurde, ich dich am Hosenbund griff – und der Rest ist Geschichte; die einzige, die wir haben, denn alle anderen hat die Zeit verwischt.

Unsere Affäre schwankte zwischen diesem unbedingten Wollen und einer seltsamen Verstocktheit. Wenn wir uns sahen, war ich nur Körper; kein Gefühl, kein Gedanke, nur dieses Brennen, das sich wider meinen Verstand stellte, dir immer wieder die richtigen Worte zuflüsterte, sich dir entgegenreckte, aufbäumte, unter, um dir – und die Welt verschwamm. Ich kann nicht einmal mehr sagen, ob der Sex gut war. Vielleicht nicht. Da war nur dieser wilde Hunger, auf dich, in deiner Nähe oder Abwesenheit. Und wenn du mich länger nicht berührtest brannte meine Haut nach deiner. Wir waren wie eine Kassette auf FastForward, bis das Band riss und wir mit den kaputten Enden in den Händen keine Einigung darüber fanden, welchen Song es zuletzt gespielt hatte. Du wolltest unsere Freundschaft nicht kaputt machen und ich habe das nicht hinterfragt. Dabei waren wir keine Freunde. Als unsere Körper zum ersten Mal gegeneinander prallten, kannten wir uns 72 Stunden. Da war keine Freundschaft; nur deine Angst, in dich hineinzuhorchen und herauszuhören, was es war, das du wolltest. Vielleicht auch, dass es eben nicht ich war. Dabei hätte ich das doch weggesteckt, damals.

Dein Körper hörte auf, meinen zu suchen und meiner, deinen zu finden. In meiner Nähe aber fühltest du dich wohl. Wir kannten uns nicht, als wir unserem Begehren nachgaben und auch nicht, als wir es einfingen und in einen Käfig sperrten. Kennen lernten wir uns erst jetzt, doch waren zu feige, uns einzugestehen, wir lernten dabei zu scheitern. Weil ich in der Hoffnung auf dich zu schwamm, dir wieder die Klamotten vom Leib zu reißen und darunter auch dein Herz zu finden. Du aber nur eine Decke suchtest, warm und unkompliziert, die dich wärmte, bis dein Herz geheilt war. Was dann passierte, war vielleicht vorhersehbar. Ich wurde deine Decke, wir fast so etwas wie Freunde. Du hattest andere Frauen. Ich wartete, doof und geduldig, auf den Moment in dem du begreifst, dass am Ende doch ich die Richtige für dich bin. Ließ mich wechselnd abweisen und ausnutzen – wie ein dummer Teenager.

Einige deiner Worte flüstert mein Herz noch heute manchmal, wenn ich schlafe. Einige deiner Blicke brennen auf ewig in meiner Seele. Einige deiner Berührungen haben auf meiner Haut kleine Feuermale hinterlassen. Niemals wird mein Herz mir erklären können, wieso es im hitzigen Dunkel einer Julinacht plötzlich aus meiner Brust fiel und begann, dich zu lieben. Die Tatsache habe ich mit mir herumgetragen, abgewogen, versteckt, offenbart und am Ende zur Munition gemacht. Du hast dir daraus den Grund gestrickt, warum wir nicht funktionieren, bevor du ein letztes Mal unter meine Decke schlüpftest. Weil das zu trivial war und auch die Tatsache, dass du mir hinterher gestehen musstest, da gibt es eine neue Frau in deinem Leben, haben wir uns noch einen letzten Versuch vorgegaukelt, bevor es endgültig vorbei war. Das Ende war kein Paukenschlag, sondern ein langer und schmerzhafter Prozess ohne coolen Soundtrack. In den Tagen danach habe ich alle Mails gelesen, die wir uns je geschrieben haben: 3109 – darin kein Wort darüber, wieso wir uns weder füreinander entscheiden noch voneinander lassen konnten. Sie zu löschen hat 47 Sekunden gedauert; banal – doch diesmal stimmte wenigstens die Musik.

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