Wir hätten es schön gehabt

Manchmal fällst du mir noch ein, wenn ich abends an deinem Haus vorbeigehe, jetzt, wo es wärmer wird. Denn der Sommer, das war unsere Jahreszeit. Wir sind dann abends oft in den Park gegangen, du und ich. Mit unseren großen, kühlen Bierflaschen in der Hand, später, zuerst waren es noch Dosen gewesen, die konntest du in deiner Faust klein quetschen, wenn sie leer waren. Wir tranken die gleiche Sorte, von Anfang an. Ich habe dir erzählt, dass ich als Kind geglaubt hatte, Bier sei grün, während wir unser Füße ins lauwarme Wasser des Brunnens hielten – und uns an den Händen.

Du hast mir zugehört. Wir haben viel gelacht. Dann habe ich meinen Kopf in deinen Schoß gekuschelt und mit dem Blick in den dunklen Himmel dieser Sommernächte deinen Geschichten gelauscht, die du nur dann unterbrochen hast, wenn dein Gesicht mir näher kam und deine warmen, weichen Lippen meine zum Kuss umschlossen. Ich habe dich so sehr geliebt, damals, dass ich ganz voll davon war. In dieser Zeit gab es keinen einzigen Tag, an dem ich dich nicht geheiratet hätte, mit dir nach Vegas durchgebrannt wäre oder einfach ans Ende der Welt. Ich wollte die Mutter deiner Kinder werden und mit dir alt. Es war mir egal, dass du keine Kinder eingeplant hattest und schon vor mir gealtert warst, weil mein Herz im Takt der Gewissheit schlug, dass unsere Liebe alles richten würde.

Wir hätten es schön gehabt

Stattdessen aber begann ich mich zu richten. Nach deinem Leben, deinem Rhythmus, deinen Wünschen, Vorstellungen und Ansprüchen. Und schnell war das Leben, das wir teilten, nicht mehr ein gemeinsames sondern deines, dem wir beide Gestalt gaben, während ich meine eigene verlor und dabei fast nichts von mir übrig blieb. Und doch war es nie genug, warst du nie zufrieden, dein Gesicht nicht mehr von dem glücklichen Strahlen erleuchtet, in das ich mich zu Beginn so heftig verliebt hatte. Hinter deiner Unzufriedenheit und dem Missmut erschien mir plötzlich schrecklich klar das, was von dir übrig blieb, wenn man die Faszination und Begeisterung der ersten Tage abstrich.

Und ich entdeckte einen bitteren, alten Mann, der nicht bereit war Kompromissen einzugehen, weil zu versessen auf seine Kontrollsucht – und nicht in der Lage zu lieben, zumindest noch, zumindest sich – und so am Ende niemanden. Den Kampf habe ich trotzdem aufgenommen, um dich, um uns, um diese Liebe, derer ich mir so sicher gewesen war. Du aber hast mich nicht ernst genommen, als ich schwer bewaffnet gegen den schleichenden Verlust von Nähe, Zauber und Liebe ins Feld zog. Hast mich nicht angehört, als ich versucht habe dir zu erklären, dass es so nicht weitergeht, weil ich längst nicht mehr konnte – und dass du mich verlieren wirst. Es ist eine lange, schwere Schlacht gewesen, doch eines Morgens bin ich wach geworden und habe gespürt, es ist vorbei.

Wäre dein Herz mir wacher gewesen, hätten wir uns retten können, damals. Und dich mit. Wir hätten es schön gehabt, du und ich. Stattdessen hast du mich verloren. Manchmal tut mir das Leid. Denn plötzlich bist du es, dem es nicht gut geht, nicht mehr, jetzt, alleine. So, wie vor langer Zeit ich im „wir“ gelitten habe, schmerzt dich nun das „du“. Und ich? Habe mich wieder gefunden. Bin ein bisschen ramponiert gewesen, nach all der Zeit. Da habe ich mir den Staub von der Seele geklopft und mich mit dem Kopf zuerst aus dem Fenster gehängt, einen halben Sommer lang, bis meine Seele nur noch eine einzige Falte von dir geworfen hat. Danach habe ich mir einen neuen Park gesucht.

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