WM-Aus der DFB-Frauen: Vergleiche zur Unzeit

Das historisch frühe Aus der deutschen Nationalelf bei der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland ist extrem schmerzhaft. Die öffentlichen Reaktionen sind es allerdings auch.

Es hatte sich im Vorfeld der WM schon eine unheilvolle Sicht aufs Turnier angekündigt, als es plötzlich vielfach hieß, die Frauen sollten in Australien „den deutschen Fußball retten“. Oder: Man wolle doch mal sehen, ob sie es besser hinbekommen würden, als zuletzt die Männer: Vorrunden-Aus in Russland und in Katar, Vorrunden-Aus bei der U21. Das müssten die Frauen besser können. Nicht?

Die WM als schmerzhafte Erfahrung. Aber an Alexandra Popp hat das frühe Aus ganz sicher nicht gelegen … (Foto: IMAGO / Eibner)

Selbstverständlich ist der Anspruch des Teams, das da nach Australien gereist ist, eine Vorrunde zu überstehen. Übrigens völlig unabhängig von deren Besetzung. Aber wieso müssen sich die Spielerinnen in Sachen Leistung plötzlich permanent mit den Männern vergleichen lassen, auch von denen, die in Sachen Geld und Strukturen gerne betonen, Vergleiche führten nirgendwo hin?

Immerhin, der – sportlich sicher zu hoch ausgefallene – 6:0-Sieg gegen Marokko im ersten Spiel ließ eine Welle der Euphorie durch deutsche Wohnzimmer schwappen. Die ja geteilt sind in Sachen Fußball der Frauen: Da sitzen einerseits Fans, deren Begeisterung über Jahre quasi mitgewachsen ist, zum anderen jene, die sich haben anstecken lassen von den tollen Spielen bei der Europameisterschaft in England.

Begeisterung ist viel mehr als ein Hype

Die Reaktionen auf das erst ein Jahr zurückliegende Turnier zu verkürzen auf einen „Hype“ um den Fußball der Frauen ist falsch und schädlich, zumal dem Begriff in Sachen Wortbedeutung immer auch die Unterstellung einer Übertreibung innewohnt. Die Fußballerinnen haben hier in Deutschland aber mit der EM 2022 und weltweit gesehen – Stichwort US-Team – auch schon mit der WM 2019 lediglich begonnen, Früchte zu ernten, die über sehr lange Zeiträume gereift sind.

Sie tun das gegen enorme Widerstände, das gilt sowohl historisch, als auch noch in der Gegenwart (und wiederum für viele Länder gleichermaßen). Es ist wichtig, diese Tatsache in die aufkommende Häme nach ihrem Ausscheiden hinein wieder und wieder zu betonen. Wer die derzeitige Debatte verfolgt, könnte leicht auf die Idee kommen, mit dem Aus des DFB-Teams in der Vorrunde sei ein übermäßig gepampertes Projekt gescheitert. Nichts ist ferner von der Wahrheit.

Denn ja, es spielt bis heute eine Rolle, dass es Frauen innerhalb des DFB von 1955 bis 1970 verboten war, Fußball zu spielen. Sie haben in dieser Phase parallele Strukturen gebildet, Menschen für sich begeistert, für ihre Belange gekämpft. Der DFB hat sie halbherzig unter sein Dach geholt, damit sie nicht ungehindert wachsen, ihnen die Spielzeit verkürzt und monatelange Winterpausen eingeführt. Diese doppelte Blockade wirkt nach. (Für die Situation in anderen Ländern empfehle ich diese Lektüre.)

Wer wollte bestreiten, wie fabelhaft sich die Männer in der Zeit, unter stetiger Förderung, entwickeln konnten? Debatten wie jene um Equal Pay und Equal Play sind deswegen kein kurzfristiges Phänomen aufgrund einer guten EM, sie sind vielmehr überfällig und kommen nun Verband für Verband mit einer Generation von Spielerinnen zusammen, die sie mutig auf den Plan bringt.

Mangel an den elementarsten Strukturen

Dem Fußball der Frauen mangelt es weiter an den elementarsten Strukturen. Das beginnt schon im Nachwuchs, wo Leistungszentren wie bei den Jungs nicht bloße Zukunftsmusik sind, sondern fast schon wie Science-Fiction klingen. Mal ganz abgesehen davon, in wie vielen Regionen es für Mädchen gar keine Angebote gibt, sie als Kinder mit den Jungs spielen – und dann aus dem System fliegen, stundenlange Fahrten auf sich nehmen müssen oder aufhören.

Dass die schlechteren Ausbildungsmöglichkeiten, Versorgungen und medizinischen Strukturen eng mit dem hohen Verletzungsaufkommen bei den Spielerinnen zusammenhängen, ist längst zur Binsenweisheit geworden, gegen die aber viel zu wenig unternommen wird.

Wie nachrangig die Frauen weiterhin auch im DFB behandelt werden, ließ sich ganz wunderbar an der Nachfolgeregelung für Oliver Bierhoff ablesen: Rudi Völler verantwortet die Nationalteams der Männer und der U21 als Direktor, denen mit Blick auf die EM 2024 im eigenen Land besondere Bedeutung zugemessen wird. Die WM 2023 wurde einfach ignoriert.

Der strukturelle Mangel betrifft die Vereine und geht weiter beim Blick in die Ligen, ignoriert und unterversorgt in quasi allen relevanten Themen. All das liegt seit langem offen auf dem Tisch, ohne, dass viel passieren würde. Auch Sichtbarkeit bleibt ein Problem: Wer soll sich für Spiele begeistern, die wenn überhaupt meist im Pay-TV oder wackligen Streams zu sehen sind? Selbst die Übertragung der WM stand in vielen Ländern bis zuletzt auf der Kippe.

Wenn nun aber eine selbstbewusste Generation von Spielerinnen die eigene Sichtbarkeit in sozialen Medien nutzt – die für sie aufgrund der eklatanten Gehaltsunterschiede eine viel größere Bedeutung hat, als für die Männer –, wird der Vorwurf formuliert, derlei habe sie vom besseren Spielen abgelenkt. Wer Koalas häkelt, bringt demnach keine Leistung. Und wenn der DFB mit der Serie „Born for this“ endlich auch einen Fokus auf seine Frauen lenkt, heißt es, damit habe man ihre Bedeutung überhöht.

Spielerinnen haben immer Themen neben dem Platz

Gleichzeitig ist zu vernehmen, die Pleite der Spielerinnen wiege schwerer als jene der Männer, weil sie sich aufs Turnier konzentrieren konnten und nicht abgelenkt waren von Debatten wie der um die One-Love-Binde. Was wirklich witzig ist, denn anders als die überbezahlten männlichen Profis müssen die Frauen sich immer parallel zum Fußball mit anderen Dingen beschäftigen, allein schon, weil die meisten von ihnen nur vom Sport nicht leben können.

Und wenn doch, dann nicht über ihre Zeit als Spielerin hinaus.

Diese „Argumentation“ übersieht zudem, dass Themen wie die Frage nach der Übertragung der Spiele natürlich ebenfalls hineinwirkten in das Team. Oder dass sich die Spielerinnen bewusst für jene Binde entschieden haben, die mahnt vor Gewalt gegen Frauen. Das ist nicht einfach so passiert, sondern aus dem Bewusstsein heraus, was diese vielfach erleben müssen. Es ist keine Symbolpolitik, sondern zeigt ein Bewusstsein für Verletzlichkeit in einer männlich dominierten Gesellschaft.

Zur intensiven sportlichen Aufarbeitung des Turniers gehört Kritik an den teils rätselhaften Leistungen nicht nur dazu, sie ist auch wichtig. Doch sie sollte eben nicht passieren, ohne zugleich die Strukturen anzusprechen. Denn wie weit die DFB-Spielerinnen unter den mangelnden Voraussetzungen in all den Jahren immer wieder gekommen sind, ist das eigentlich Erstaunliche. Dies gilt übrigens auch nach wie vor: Die U19 ist gerade fast unbemerkt von der größeren Öffentlichkeit Zweite bei der EM geworden.

Es ist aberwitzig, nun so zu tun, als ob die noch sehr neue Gleichstellung in Sachen Unterkünften und Vorbereitung rund um große Turniere alles aufwiegen würde, was in den Jahren zuvor versäumt worden ist. Wer gerade jetzt anfängt, den Fußball der Frauen mit jenem der Männer zu vergleichen – oder gar gleichzusetzen – beteiligt sich an einer wichtigen Debatte allenfalls populistisch.

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