Die Worte, die bleiben

Manchmal bin ich mir nicht sicher, welche Erinnerungen an dich echt sind und welche aus der Sehnsucht und dem Vermissen der Jahre ohne dich entstanden. Dann frage ich mich, was das eigentlich heißt: echt. Die Bilder, Geräusche und Düfte, die in mir aufsteigen, wenn ich an dich denke, sorgen schließlich dafür, dass meine Liebe für dich nach all der Zeit nicht ins Leere läuft. Dass es etwas gibt, woran sie sich festmachen kann, woran ich mich halten kann, auch wenn du schon so lange fort bist.

Viele Erinnerungen sind schemenhaft, manche nicht mehr als ein Gefühl. Andere sind voller Bilder und oft sind du und meine kleine Schwester darauf zu sehen. Ihr wart euch sehr ähnlich, denke ich, und dass dir die Verbindung zu ihr deshalb besonders leichtgefallen ist.

Als du 50 geworden bist, sind wir als Familie zusammen in den Urlaub geflogen. Vier Erinnerungen haben sich mir eingebrannt, eins: Ich habe zum ersten Mal Flip-Flops, sie sind pink und ich verliere einen, als ich völlig naiv eine vierspurige Straße überquere, um schnell zum Hotel zu kommen. Der Teer ist unfassbar heiß unter meinen Füßen und ich kann Bilder abrufen, in denen der verlorene Schuh an der Straße festschmilzt, auch wenn ich weiß, das ist so nie passiert.

Zwei, die permanenten Streitigkeiten zwischen dir und Mami, beiderseitig getrieben von einer heftigen Eifersucht, die wir Kinder nicht begreifen können. Ihr schleicht umeinander wie Tiere, schreit wütend und stehlt euch aus dem Hotelzimmer. Dazwischen Versöhnungen, die ebenso verwirrend sind in ihrer Wucht wie die Auseinandersetzungen zuvor und danach.

Drei, Nina lernt schwimmen. Sie hat unglaubliche Angst vor dem Meer und fängt jedes Mal an zu brüllen, wenn du mit ihr am Strand auch nur in die Nähe des Wassers gehst. Als wir alle es schon aufgegeben haben, verliebt sie sich beim Abendspaziergang auf der Promenade in eine absurd hässliche Schwimmweste. Du versprichst, sie ihr zu kaufen, wenn sie es ins Meer schafft.

Noch am selben Abend müssen wir zurück an den Strand. Nina, besessen von der Weste, sitzt auf deiner Hüfte, die Arme fest um deinen Hals geschlungen. Sie brüllt, aber immer, wenn du stoppst, fordert sie unter Tränen, dass du weiter ins Wasser gehen sollst. Bis deine Hose nass ist und dein Hemd, ihre Füße und Knie – da hört sie plötzlich auf zu schreien, stattdessen strahlt sie, du strahlst auch und euch umgibt wieder dieser besondere Glanz.

Vier, wir verlassen Disney Land. Ich habe keinerlei Erinnerungen an den Tag im Freizeitpark, nur an diesen Moment des Abschieds, und dass mir plötzlich einfällt, ich möchte einen Goofy aus Plüsch haben, unbedingt. Zu spät sagt ihr, wir gehen jetzt, erklärt ihr, das hättest du dir früher überlegen müssen. Und ich trotte im Griff der müden Enttäuschung hinter euch her und sage keinen Ton. Da drehst du plötzlich ab, trabst vorbei an dem Mann mit den knallbunten Luftballons, entgegen der Laufrichtung aller Menschen um uns herum – und bist verschwunden.

Gerne würde ich erzählen, wie du wieder aufgetaucht bist mit dem Goofy in der Hand und ich mich gefreut habe, aber der Moment ist mir verloren. Ich weiß nicht, ob ihr Erwachsenen euch darüber gestritten habt, Nina eifersüchtig war, du mir das Plüschvieh erst im Hotel gegeben hast. Aber ich spüre noch die Wärme, die in mir aufgestiegen ist, als du inmitten der Menschen auf dem Absatz kehrtgemacht hast und etwas in mir ahnte, du tust das für mich.

Ich habe mich schon oft gefragt, wieso dieser Urlaub so viel Raum einnimmt in meinem Erinnern, wie ein Film, der gar nicht mal so gut ist, aber einem im Regal immer wieder in die Hände fällt. Die Wahrheit ist, ich wollte erst zwei Gegebenheiten erzählen, dann fiel mir eine dritte ein und eine vierte, nun tanzen immer mehr Bilder vor meinen Augen. Die Muschelketten, die wir Mädchen trugen. Die Hitze nachts im Zimmer. Der Pool. Die Blumen im Hotelgarten, groß und pink, vor denen wir Fotos machten.

Vielleicht stehen diese zwei Wochen für das Ende von etwas und auch für einen Anfang, so ist das schließlich immer. Oder vielleicht haben sie keine besondere Bedeutung und es sind ihre bunten Bilder und fremden Gerüche, die sie so fest in meiner Erinnerung verankert haben. Auf manchen haben weder du noch Mami ein Gesicht, seid ihr bloß Schatten. Nur Nina, die sehe ich immer. Nina und die Blumen, dieses verdammte Pink, das ganz Florida eingefärbt hatte.

Wie das Kleid, das ich auf meinem Lieblingsfoto von uns trage, von dem ich nicht mal weiß, wieso es mein Lieblingsfoto ist, denn wir besuchen dich im Krankenhaus, wenige Monate vor dem Urlaub. Du sitzt in deinem blauen Bademantel im Rollstuhl, was wir Kinder nicht begreifen, schließlich ist doch dein Herz krank und nicht deine Füße. Ich war so froh, dich zu sehen. Etwas schien für immer verändert, nicht durch die Krankheit, sondern weil du plötzlich Eis essen wolltest, jede Menge Eis, das wir dir in großen Bechern brachten und mit dir teilten.

An dieses Foto denke ich, wenn ich an dich denke, nachdem der alte Urlaubsfilm sich abgespult hat und dann denke ich an das letzte Foto mit dir. Du trägst darauf ein Hemd, das dir nicht passt, Nina und ich habe es dir gerade zu Weihnachten geschenkt. Es ist zu klein, aber du tust so, als fiele es dir nicht auf, du ziehst an den Knöpfen, um sie zu schließen, dann machen wir ein Foto und du lachst.

Auf beiden Bildern, im Krankenhaus und an Weihnachten, sind wir zu dritt. Wir Kinder rahmen dich ein, Nina links, ich rechts, das ist mir bis eben nie aufgefallen. Beide Fotos sind entstanden in Phasen mit großem Kummer und Angst davor, was kommen würde. Es waren keine frohen Tage, doch es sind glückliche Bilder, irgendwie, weil wir zusammen sind, einander noch halten können, für einen kleinen Moment, denn nur wenige Wochen nach dem zweiten bist du gestorben.

Vier Erinnerungen. Eins, dein warmes, atmendes Gesicht im Türrahmen deines neuen Zuhauses, der gewisperte Dank, die Umarmungen, du nennst mich Mädel, das hast du lange nicht. Zwei, das Telefonat wenige Tage später, nur durch ein Missverständnis, deine vertraute Stimme, dein Lachen, die Witze, die du seit Jahren wiederholst. Zwischendurch Ernsthaftigkeit, Tränen und geflüsterte Entschuldigungen. Ich habe so viel zu sagen, du hast so viel zu erzählen, wir hören einander zu und haben alle Zeit der Welt, denken wir.

Drei, der Anruf, der mir dein ewiges Schweigen verkündet, fallen, ohne aufzukommen. Vier, deine kalte Hand, meine, warm und hilflos, auf deinem vertrauten Gesicht. Wie verabschiedet man sich zum letzten Mal, wo gehen all die Worte hin, die nicht gesprochen wurden.

Ich denke nicht mehr jeden Tag bewusst an dich – und doch vergeht kaum ein Tag, ohne dass du mir irgendwie begegnest. Meist macht mich das froh, nur manchmal vermisse ich dich noch mit solcher Wucht, dass es mir die Luft nimmt, wache ich auf aus Träumen einer Begegnung, die es nicht geben wird, formuliert mein Herz Worte, die meinen Mund nie verlassen, weil du sie nicht hören kannst.

Vermissen ist wie erinnern, verwirrend und schön, nicht greifbar und doch irgendwie tröstlich. Im Erinnern und Vermissen kann ich Zeit mir dir verbringen, nicht so, wie es einmal war, aber so, wie es nun mal ist. Ich überlege an solchen Tagen manchmal, ob ich deinen Lieblingskuchen backen soll, an einen Ort fahren, den du mochtest oder Spatzen beobachten, die hattest du gern.

Am Ende erinnere ich dich immer in Worten. Vielleicht sind es die, die nicht gesprochen wurden. Und die, die ich dir nicht mehr sagen kann, nicht so, wie es einmal war, nur so, wie es nun mal ist. Alles Gute zum Geburtstag, Paps. Ich hab dich lieb.

Die Woche am Bruchweg (23/8): Was zählt, sind Inhalte

Es ist nicht ungewöhnlich für Coach Bo Svensson, dass er auf Themen aus länger zurückliegenden Pressekonferenzen zurückkommt, wenn diese aus seiner Sicht zu einer aktuellen Fragestellung passen. So war das auch am Donnerstag, als der 05-Trainer nach dem aktuell guten Lauf seiner Mannschaft gefragt wurde – und wohin das noch führen könne.

Trainer Bo Svensson bei der Pressekonferenz am Donnerstag. (Screenshot: YouTube Mainz 05)

Mit einem kleinen Lächeln erinnert er daran, dass vor dem letzten Heimspiel gegen Augsburg das Thema noch gewesen sei, ob die Partie womöglich zum Befreiungsschlag für ihn und sein Team werden könne. Svensson hatte das damals mit einem Lachen quittiert und daran erinnert, auch nach dem Sieg gegen Bochum im vorangegangenen Heimspiel sei das Wort Befreiungsschlag gefallen – nach den Niederlagen gegen Bayern München (DFB-Pokal) und Union Berlin habe das jedoch alles schnell gänzlich anders geklungen.

Mit der Schnelllebigkeit des Business kann der Coach nichts anfangen. „Es ist meine Aufgabe als Trainer, inhaltlich zu analysieren“, war denn auch schließlich seine Antwort auf die Frage nach einem vermeintlichen Lauf. Da bleibe aus seiner Sicht festzuhalten, das Team habe sein selbst gestecktes Ziel, stabiler und konstanter zu sein, zuletzt erreicht. Hier müsse man weiterarbeiten.

Bemerkenswert war nach dem Spiel in Leverkusen sicher, was der eingewechselte Aarón Martín zu Protokoll gab: Man habe den Sieg einfach mehr gewollt als der Gegner. Klingt erstmal nach keiner besonderen Aussage, wer aber zurückschaut auf vergangene Niederlagen, wird feststellen, wie oft die 05-Spieler genau das Gegenteil festgehalten haben: Das gegnerische Team, hieß es da, habe den Sieg am Ende mehr gewollt. Es ist letztlich eine Mentalitätsfrage, wer den Extrameter geht, sich bis zuletzt aufreibt für die Mannschaft, von der Bank mit hundert Prozent Motivation in die Partie eingreift.

Die Mentalität der Mannschaft war nicht erst seit der Rückkehr von Bo Svensson an den Rhein in den zurückliegenden Jahren immer wieder mal schwankend. Bis zu einem gewissen Punkt lässt sich das nicht vermeiden, weil wir alle gute und schlechte Tage und Phasen haben. Menschlich. Schwierig wird es aber, wenn diese Phasen scheinbar bei allen Spielern im Team synchronisiert sind und nicht der eine mit besserem Lauf den anderen im Durchhängen abfedern und mitziehen kann.

Dreierkette, anno 1983, als ich noch Fastnacht gefeiert habe. (Foto: privat)

Jedes Mannschaftsgefüge ist ein lebender Organismus, in dem es auf viele Kleinigkeiten ankommt. Es ist besonders der Trainer, der Weichenstellungen vornehmen kann, aber auch Führungsspieler tragen Verantwortung. Mir persönlich hat Karim Onisiwo in der Rolle als Kapitän sehr gut gefallen und ich hatte den Eindruck, er wird davon eher beflügelt, wohingegen ich mich bei Silvan Widmer das eine oder andere Mal gefragt habe, ob sie ihn womöglich beschwert. Die letzten Spiele haben zudem mal wieder gezeigt, wie wertvoll Leandro Barreiro in guter Form für sein Team ist. Über Lee ist zurecht viel gesprochen worden. Anton Stach kommt nach und nach zurück auf das Niveau vor seiner Ausfallzeit. Die Dreier- bzw. Fünferkette hat sich zuletzt sehr reibungslos gefunden.

Spannend wird vor allem, was Bo Svensson im Tor macht. Um die Entscheidung, ob er den zuletzt starken Finn Dahmen im Kasten lässt, oder den wieder genesenen Robin Zentner zurückholt, der bis zu seiner Verletzung eine ebenfalls starke Saison gespielt hat, beneide ich den Trainer nicht. Zwei so starke Keeper mit unterschiedlich nuancierten Fähigkeiten im Kader zu haben, ist je nach Situation Fluch und Segen. Allerdings haben auch andere Spieler zuletzt ungewohnte Bankzeiten in Kauf nehmen müssen und waren trotzdem ein erkennbar wichtiger Teil des Teams, jederzeit bereit, ins Feld zurückzukehren. Auch das ist eine Stärke dieser Mannschaft, die sich gerade sehr deutlich herausgebildet hat.

Die Woche am Bruchweg (23/6): Alles fürs Fanprojekt!

Werte Freund*innen der gepflegten Fußballunterhaltung, leider muss dieses wöchentliche Format in der gewohnten Form ausfallen, because life (and death, actually). Wo ihr aber schon mal hier seid, in aller Kürze: Bitte unterstützt die tolle Arbeit des unabhängigen Fanprojekts Mainz. Denn was Thomas Beckmann und seine Crew in Sachen Jugend- und Sozialarbeit leisten, ist unfassbar wichtig.

Fanprojektleiter Thomas Beckmann.

Der angekündigte Rückzug des Landkreises wird ein brutales Loch in die Kasse reißen, auch, weil jede kommunale Förderung vom Verband in derselben Höhe draufgelegt wird. Dem Fanprojekt Mainz e. V., das unabhängig vom Verein Mainz 05 ist, werden deshalb insgesamt 44.000 Euro fehlen, 22.000 Euro vom Kreis Mainz-Bingen und weitere 22.000 Euro von der DFL. Das gefährdet die umfassende Arbeit – und natürlich die bislang bestehenden Stellen. Bitte informiert euch und wenn ihr könnt: Spendet, teilt entsprechende Aufrufe und bringt euch in die Diskussion ein. Vielen Dank!

Wer dem Fanprojekt finanziell helfen mag und kann, tut das am besten mit einer Mitgliedschaft im Förderverein sowie einer Spende an denselben. Mitgliedsantrag und Kontodaten finden sich hier.

Die Woche am Bruchweg (23/5): Geile Herausforderung

„Berlin, Berlin, wir fahren nach …“ Nun ja. Die 05er fahren tatsächlich nach Berlin am Wochenende, mit dem DFB-Pokal haben sie allerdings nach dem Spiel am Mittwoch nichts mehr zu tun. Für die seltsam mut- und leblose erste Hälfte drängt sich keine wirkliche Erklärung auf, bis auf diese: Spiele, in denen die Mannschaft von Bo Svensson nur phasenweise ihre Stärken ausspielt, sind nicht neu. Genau dieser Punkt sei deshalb auch in der Nachbetrachtung noch mal Thema gewesen, sagte Svensson am Freitag in der Pressekonferenz. Selbstkritik hatten Spieler und Trainer schon nach Abpfiff gezeigt.

Bo Svensson in der Pressekonferenz vor der Partie in Berlin. (Screenshot: Youtube Mainz 05)

Da stand freilich noch ein ganz anderes Thema im Fokus, nämlich die Rote Karte für den 05-Trainer. Der erklärte am späten Mittwochabend, er habe sich bei Deniz Aytekin entschuldigt, der Schiedsrichter selbst sagte, das Thema sei damit für ihn erledigt. Zufrieden wirkte dabei niemand so wirklich. Aytekin hatte zunächst behauptet, Svensson habe „Blinder“ gesagt, sich aber später korrigiert. Der Coach ließ später durchblicken, er fühle sich in Sachen Karten unter besondere Beobachtung – und habe definitiv niemanden beleidigt. Gesperrt ist er nun wegen Unsportlichkeit.

Das Thema mag leidig sein, es ist aber vielschichtig. Den Eindruck, dass Svensson unter besonderer Beobachtung steht, hat er nicht exklusiv. Wer sieht, wie Julian Nagelsmann oder Christian Streich regelmäßig an der Seitenlinie explodieren, muss sich fragen, wieso andere Trainer seltener Karten kriegen: Erfolgsverein? Kultcoach? Svensson hat sich seinen Ruf diesbezüglich natürlich selbst erarbeitet – und weiß das auch. Letztlich müssen Schiedsrichter*innen aber lernen, zu honorieren, wenn Teamverantwortliche an sich arbeiten. Und sollten auch ihre eigenen Worte vorsichtig abwägen, wie das Beispiel von Aytekin in der Mixed Zone illustriert.

Ich war anfangs gar keine Freundin der Karten für Trainer*innen & Co., weil ich nicht glaube, dass sich alles über Belehrung lösen lässt. Andererseits ist die Bundesliga nun mal Vorbild für den Jugend- und den Amateur*innenbereich – und gibt da kein gutes Bild ab: Gerade das Bedrängen von Referees durch Spieler*innen, aber auch das lautstarke Beschweren vom Seitenrand, erreicht teils ein wirklich nerviges Level. Und eines, das nicht hinnehmbar ist. Es geht in keinster Weise darum, Emotionen aus dem Sport zu halten, denn die sind wichtig. Es kommt aber darauf an, wie man sie zeigt. Persönlich finde ich die Spieler (m) da deutlich häufiger drüber als sportlich Verantwortliche, Stichwort Rudelbildung.

Worauf es außerdem ankommt, ist, wie man Emotionen, speziell negative, artikuliert. Und damit sind wir wieder beim Mittwoch. „Seid ihr blind?“ mag nicht böse gemeint sein, bei Sprache geht es aber um mehr als das. Die Redewendung ist ableistisch, denn hier wird das Wort „blind“ genutzt, um jemanden abzuwerten. Mag für den einen oder die andere erstmal erstaunlich klingen, aber jede*r von uns hätte den Ableismus direkt erkannt, wenn Svensson „Seid ihr behindert?“ gerufen hätte. Unterm Strich gibt’s da keinen Unterschied, der 05-Trainer hat, wenn auch unbewusst, diskriminierende Sprache genutzt. Deswegen finde ich übrigens das Urteil in der Begründung nicht wirklich zufriedenstellend. Wer sich zum Thema diskriminierungsfrei Sprache bilden möchte, kann das auf der famosen Seite Sprachkick tun. Weiterführende Infos zu Ableismus finden sich unter anderem hier.

Und nun zum Sport? Aber sicher, und damit tatsächlich: nach Berlin. Dem Team von Urs Fischer sprach Svensson in der Pressekonferenz am Freitag zu, jenes zu sein, das wohl am klarsten spiele in der Liga. Die Partie sei insofern eine „große Herausforderung“, aber auch etwas, worauf man sich freue. Das Hinspiel habe gezeigt, man könne Union Berlin durchaus vor Probleme stellen.

Fehlen wird neben den Langzeitausfällen am Samstag auch Silvan Widmer. Ehrlich gesagt hatte ich bei ihm seit der langen Winterpause noch in keinem Spiel den Eindruck, dass er seine Normalform erreicht hat. Insofern bin ich gespannt darauf, wie Danny da Costa an der Alten Försterei auftreten wird.

Brutal schlechte Neuigkeiten gibt’s im Umfeld des Vereins für das Fanprojekt Mainz, dem – wie die AZ berichtet – voraussichtlich per sofort 44.000 Euro fehlen werden. Der Landkreis Mainz-Bingen hat angekündigt, die Förderung in Höhe von 22.000 Euro einzustellen, was bedeuten würde, dass die DFL dieselbe Summe an Aufstockung abzieht. Wer die großartige Arbeit des Fanprojekts mit Jugendlichen kennt, kann sich nur wundern über diese grotesken Sparpläne. Noch kann der Kreistag (Abstimmung über den Haushalt am 10. Februar) anders entscheiden. Es wäre dringend notwendig.

Die Woche am Bruchweg (23/4): 4x Yay, 2x Uff, Happy-End

Man könnte das Spiel von Mainz 05 gegen Bochum aufgrund der guten Bilanz gegen den VfL darauf verkürzen, zu sagen, es sei der richtige Gegner zur rechten Zeit gewesen. Das würde der Leistung der Rot-Weißen, die zum Auftakt der Rückrunde einen 5:2-Sieg einfuhren, aber nicht gerechnet. Die zeigten nämlich endlich mal nicht nur eine, sondern in der Summe zwei sehr stimmige Halbzeiten – und schienen ihre Lehren gezogen zu haben aus dem späten Nackenschlag gegen Borussia Dortmund.

Ein Faktor war dabei definitiv Stefan Bell als zentraler Innenverteidiger. Edimilson Fernandes hat unter Bo Svensson zwar eine tolle Entwicklung gemacht, doch die zentrale Rolle liegt ihm, zumindest bislang, weniger. Hier haben Bell oder Alexander Hack die bessere Präsenz. Auch der nach Gelbsperre zurückgekehrte Dominik Kohr wirkte mit seiner Energie als deutlicher Stabilisator. Wie wichtig er für das 05-Spiel ist, war unter der Woche schmerzhaft zu spüren – und am Samstag gut zu beobachten.

Interessant war, wie früh Svensson in dieser Partie wechselte. Die englische Woche mag ein Faktor gewesen sein dabei, Aymen Barkok und Anton Stach schon nach einer Stunde für Jae-Sung Lee und Leandro Barreiro zu bringen. Wie viel Schwung die Neuen dem Spiel gaben, darf dem sonst eher spät zur Ersatzbank greifenden Coach aber gern als Anregung dienen, generell eher zu rotieren.

In der Pressekonferenz am Freitag hatte der Trainer Barkok auf Nachfrage ein Sonderlob dafür ausgesprochen, dass dieser die richtigen Schlüsse aus einer für ihn enttäuschenden ersten Phase der Saison gezogen habe. Barkok und Barreiro seien die fittesten Spieler im Team, verriet er.

Bo Svensson in der Pressekonferenz am Freitag. (Screenshot: 05-YouTube-Kanal)

Der zweite Doppelwechsel indes – Maxim Leitsch und Danny da Costa kamen für Stefan Bell und Kapitän Silvan Widmer – brachte das Spiel fast zum Kippen. In der direkten Folge verkürzte der VfL Bochum mit Toren durch den Ex-Mainzer Kunde Malong und den eingewechselten Erhan Mašović auf 4:2, weil die 05-Abwehr noch unsortiert war.

Insbesondere die Herausnahme von Bell verwunderte im Spiel, Svensson klärte jedoch in der Pressekonferenz nach dem Spiel auf, dass der Verteidiger Probleme angezeigt hatte und er ihn sonst nicht ausgewechselt hätte. Die Rückkehr von Leitsch nach einer monatelangen Ausfallzeit durch eine körperliche und mentale Erschöpfung war ein emotionaler Augenblick an diesem Nachmittag, der nicht arm war an Gefühlsmomenten. Für Leitsch selbst dürfte es eine besondere Rolle gespielt haben, gerade gegen seinen Heimatverein zurückzukehren.

Mit dem 5:2 endete die längste Sieglosphase der Mainzer unter Bo Svensson (sechs Spiele, zuletzt gewann man am 11. Spieltag gegen Köln) – wie beim letzten Sieg, ebenfalls zuhause, schoss die Svensson-Elf fünf Tore. Dabei ragte einer sogar noch besonders heraus: Karim Onisiwo. Mit drei Toren (3:0, 4:0. 5:0) und einem Assist (vorm 2:0 durch Widmer) belohnte der nimmermüde Kämpfer und Läufer sich und sein Team gleichermaßen.

Mit einem perfekten Wert von 10,0 avancierte er (nicht nur bei) WhoScored zum Man of the Match. Das ist dem Österreicher auch deshalb so zu gönnen, weil seine unfassbare Bedeutung für das Spiel der 05er bei etlichen Beobachter*innen in anderen Partien viel zu kurz kommt; doch Offensivspieler zeichnen sich eben nicht nur durch ihre Tore aus …

Ich bin froh, dass ich das jetzt mal zusammengebracht habe.“

Karim Onisiwo über seinen ersten Hattrick

Vor dem Anpfiff stand der Spieltag in Mainz und anderswo ganz im Zeichen des Erinnerungstages im deutschen Fußball. Die Initiative „!Nie wieder“ erinnert damit alljährlich an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Dieses Jahr stehen besonders die Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Fokus. In Mainz finden, wie schon in den letzten Jahren, ganze „Erinnerungswochen“ statt, die unter anderem von Ente Bagdad organisiert werden. In deren Rahmen werde ich am Donnerstag, 2. Februar, im Haus am Dom die Podiumsdiskussion „Widerstand, Erinnerungskultur und Kurvenengagement“ mit Nora Hespers, Freddy Mo Wenner und Felix Tamsut moderieren.

Weltweit können Frauen immer noch nicht gleichberechtigt am Sport teilhaben. Auch im Fußball mussten und müssen sich die Frauen ihre Räume erst mühsam erarbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass auch Aktive, Funktionäre und Fans Stellung beziehen, denn Fußball hat eine große gesellschaftliche Wirkung.“

Cäcilia Alsfasser, Aufsichtsratsmitglied 1. FSV Mainz 05

Nach dem Spiel wurde dann gleich doppelt und sogar mit Livemusik gefeiert: Bereits am Freitag hatte der Verein verkündet, dass die Partnerschaft zwischen Mainz 05 und der profine GmbH, die ursprünglich noch bis 2024 gesichert war, vorzeitig bis 2027 verlängert wurde und profine mit der Marke Kömmerling Hauptsponsor des FSV bleibt. Beide Parteien lobten die freundschaftliche und vertrauensvolle Partnerschaft, mit der auch eine enorme Planungssicherheit einhergehe. Das Bekenntnis zueinander bot Anlass für ein besonderes Fest, das Spiel brachte die Laune zuvor auf Betriebstemperatur.