Am Donnerstag, 10. November, startet in Mainz Das Neustadtkino. Dahinter verbirgt sich eine Kinoreihe an einigen besonders schönen Plätzen der Mainzer Neustadt. Los geht’s – wie könnte es auch anders sein – im LUUPS, frei nach dem Motto, liebe deine Stadt, liebe die Neustadt, liebe diese Filme. Ich habe mit den Machern darüber gesprochen, was sie antreibt und welche Träume sie zum Thema Kino haben.
Im November startet in Mainz Das Neustadtkino als Veranstaltungsreihe. Was genau wird da passieren? Feli: Da werden wir Filme an ungewöhnlichen Orten zeigen – also an Orten, die nicht unbedingt für Filmabende bekannt sind. Man kann da einfach hinkommen und wird von einem Film überrascht, der zur Location passt und besonders dann Spaß macht, wenn man ihn gemeinsam guckt. Manche Locations tragen auch auf ihre Weise zum Abend bei. In der Weinraumwohnung etwa werden wir passend zum Film Wein trinken… und im Klotz & Quer kann man etwas basteln, wozu der Film einen vielleicht inspiriert hat…
Das Team hinter dem Neustadtkino: Felicitas Pommerening, Mark Pommerening, Hanno Schmidt und Nadine Daschmann.
Wer sind die Menschen hinter der Idee dieses Wanderkinos? Und wie seid ihr zueinander gekommen? Hanno: Wir sind vier Freunde… Beruflich machen wir alle etwas anderes. Aber wir haben ehrenamtlich schon andere Dinge gemeinsam gestemmt und als die Idee des Neustadtkinos im Raum stand, fanden wir es alle gleichermaßen cool und haben gedacht: Das müssen wir probieren!
Wie seid ihr bei der Wahl der Locations vorgegangen, was war euch wichtig?
Nadine: Sie sollten auf jeden Fall in der Neustadt sein und auch einen gewissen Bekanntheitsgrad haben. Wenn wir die Reihe wiederholen sollten, können wir uns auch Locations vorstellen, die normalerweise gar nicht für die Öffentlichkeit zugänglich sind, also in diesem Sinne vielen unbekannt wären. Aber für die erste Reihe wollten wir lieber erstmal dort sein, wo die Leute, die wir ansprechen wollen, sowieso ein- und ausgehen.
Welche technischen Voraussetzungen muss ein Inhaber erfüllen, der euch gerne einladen möchte?
Mark: Die Technik bringen wir mit, wenn sie nicht vorhanden ist. Daran würde es nicht scheitern. Wir freuen uns generell über Anfragen!
Bislang habt ihr nicht verraten, welche Filme ihr zeigen werdet… Lüftet ihr das Geheimnis vielleicht jetzt? Und haben die Zuschauer darauf künftig auch Einfluss?
Feli: Nein, das Geheimnis werden wir tatsächlich erst am Abend selbst lüften… Aber wir werden mit ein wenig Vorlauf Flyer in den Locations auslegen, auf denen man nachlesen kann, in welche Richtung der jeweilige Film geht. Und dann darf wild geraten werden! Zuschauer mitbestimmen zu lassen, fänden wir großartig, aber dazu müssten wir dann vermutlich einen anderen Rahmen organisieren. Ein Schritt nach dem anderen, würde ich sagen!
Worauf müsst ihr als Veranstalter eigentlich achten, um Filme öffentlich vorführen zu dürfen?
Hanno: Zu allererst müssen wir natürlich die Aufführungsrechte erwerben. Und dann gibt es bestimmte Vorschriften, an die wir uns halten müssen. Das ist gar nicht so einfach… Wir geben uns Mühe alles richtig zu machen, aber als Laie schüttelt man nicht so ohne Weiteres aus dem Ärmel, was da nun alles dazugehört – und Profis sind wir nun einmal nicht. Wir hoffen, dass wir nichts übersehen haben!
Kino ist wie Eis, es geht immer.
Ihr steckt viel Zeit und Liebe in das Projekt, von der Homepage bis zur eigentlichen Veranstaltung. Was für Ideen habt ihr, um auf den Kosten nicht sitzenzubleiben bzw. ab wann hofft ihr, mit dem Neustadtkino vielleicht auch Geld zu verdienen?
Mark: Im Moment ist das eine nicht-gewerbliche Veranstaltung. Wir bitten aber an den Abenden um eine Kostenbeteiligung. Damit wollen wir kein Plus machen, aber natürlich gerne minimieren, wie sehr wir „auf den Kosten sitzenbleiben“.
Tatortsonntage im Haddocks, Quizabende im Irish Pub, Kinoabende in der Neustadt – was glaubt ihr, woher kommt der Trend, ein Stück Privatheit im öffentlichen Raum auszuleben?
Feli: Also ich habe es schon immer geliebt, mit anderen Menschen Filme zu gucken und direkt im Anschluss über den Film zu reden, einen Film also gemeinsam zu erleben. Wenn wir damit jetzt im Trend liegen, umso besser! Aber daran haben wir gar nicht gedacht. Wir sind nur unserer eigenen Leidenschaft gefolgt.
Steckt hinter der Idee zum Neustadtkino auch der Traum, irgendwann ein tatsächliches Kino zu führen?
Hanno: Ja, schon. Aber im Moment steht das noch in den Sternen.
Neben den Abendterminen gibt es eine Familienvorführung. Ist das auch als eine spielerische Art und Weise zu sehen, um Kinder an die große Leinwand heranzuführen?
Nadine: Das haben wir uns dabei nicht auf die Fahnen geschrieben… Aber tatsächlich gehören wir jetzt nicht unbedingt zu den Eltern, die finden, Kinder sollten so lange wie möglich aus den Kinos rausgehalten werden. Wir finden Filme einfach toll und sehen nicht, dass man Kinder davor schützen müsste. Und wenn Familien sich jetzt mit uns erstmal wohler fühlen, und dadurch dann auch in andere Kinos gehen, freuen wir uns!
Apropos Familie: Ihr seid alle Eltern, alle berufstätig, und du, Feli, steckst auch noch hinter der Plattform Ich-Erzähler.de, die kürzlich den Mainzer Story-Slam ins Leben gerufen hat… und jetzt macht ihr noch das Neustadtkino. Wie schafft ihr das?
Feli: Also, Ich-Erzähler.de und auch das Neustadtkino, das sind ja so Herzensprojekte. Das ist ein bisschen wie mit Nachtisch, den man irgendwie doch noch essen kann, obwohl man von der Hauptspeise schon fix und fertig ist. Aber natürlich geht alles nur im Rahmen. Deswegen gibt es erstmal nur sechs Vorstellungen vom Neustadtkino – und dann eine kleine Pause. Aber wir würden uns riesig freuen, wenn es im nächsten Jahr weitergeht! Das hängt jetzt natürlich auch davon ab, wie die Abende laufen und wie die Sache überhaupt ankommt. Aber momentan sind wir zuversichtlich. Der bisherige Zuspruch war schon ziemlich überwältigend.
Danke für das Gespräch.
Das Neustadtkino
10. November: Premiere im LUUPS-Shop
17. November: Wein-Abend mit Film in der Weinraumwohnung
24. November: Dänischer Filmabend im hygge
1. Dezember: Gucken und Basteln im Klotz und Quer
4. Dezember: Familiennachmittag mit Kinderfilm im Neustadtzentrum
8. Dezember: Abschlussfilm mit Partylaune im Nelly’s
Was treibt Menschen eigentlich an, ihre Freizeit in Blogs, Podcasts und ähnliches mehr zu stecken, statt sie in der Hängematte zu verbringen? Oder von der anderen Seite betrachtet, wieso machen sie ihr Hobby nicht zum Beruf? Künftig kommen hier in der Rubrik Nachgefragt bei… regelmäßig Menschen zu Wort, deren Projekte mir auf der täglichen Reise durchs Netz aufgefallen sind. In Teil acht spreche ich mit Petzi von Die Liebe zu den Büchern.
Hallo Petzi! Als du angefangen hast zu bloggen, ging es dir um Die Liebe zu den Dingen, seit 2012 heißt dein Blog Die Liebe zu den Büchern. Warum hast du dich ausgerechnet darauf festgelegt?
Als ich mit dem Bloggen angefangen habe, war der Plan eigentlich, über alles zu berichten, was ich liebe. Der Blog sollte sich eher in die Lifestyle-Richtung bewegen. Ich hatte damals noch keine Ahnung vom Bloggen und der Blogwelt, und weil ich eben auch nicht auf ein Thema spezialisiert war, war es nicht so einfach, Leser zu finden. Also habe ich überlegt, was ich noch gerne mag – und musste mich letzten Endes zwischen Büchern und Kochen entscheiden. Heute verbinde ich mit „Die Liebe zu den Büchern“ auch ein bisschen meine Kochleidenschaft, was man an den Kochbüchern und meinem Instagram-Account ganz gut sehen kann. Für mich eine Herzensangelegenheit.
Eine Frau mit viel Liebe zu Büchern.
Hast du noch einen Überblick, wie viele Bücher du schon rezensiert hast?
Ja, ich führe eine Liste auf dem Blog, in die alle rezensierten Bücher nach Autoren sortiert eingetragen werden. Früher wollte ich immer jedes gelesene Buch rezensieren, aus Zeitgründen bin ich aber mittlerweile von diesem Kurs abgewichen. Wenn es mir gar nicht gefallen hat oder mir einfach die Worte fehlen, dann lass ich die Rezension auch gerne mal sein.
Auf welchen Wegen erreicht dich die Lektüre für den Blog? Wirst du eher von Verlagen oder den Autoren angeschrieben, und wie viele Bücher kaufst du außerdem selbst?
Nur ganz selten frage ich direkt beim Verlag ein Buch an. Vielmehr werde ich per Mail von den Verlagen oder auch Autoren angeschrieben und entdecke dadurch interessanterweise eine Menge Bücher, die ich so gar nicht auf dem Schirm hatte und die mir letzten Endes sehr gut gefallen. Die überwiegende Anzahl meiner Bücher kaufe ich aber tatsächlich selbst. Ich will mir auf jeden Fall die Freiheit erhalten, ein Buch auch einmal nicht rezensieren zu müssen.
Mein Eindruck ist, dass viele Verlage die Blogger inzwischen sehr schätzen, auch weil sie verstanden haben, welche Reichweiten sie so für ein Buch bekommen können. Wie nimmst du das wahr? Und gibt es manchmal auch Anfragen, die dich richtig ärgern?
Dein Eindruck ist sicher richtig. Als ich damals angefangen habe, waren Blogger bei vielen Verlagen nicht gerade beliebt. Das ändert sich aber mittlerweile stetig und Blogger haben von den Verlagen einen immer höheren Stellenwert eingeräumt bekommen. Ich persönlich finde die Zusammenarbeit extrem spannend, begrüße das sehr und bin auch gespannt, wie es sich in Zukunft weiterentwickeln wird. Anfragen, die mich richtig ärgern, gibt es natürlich auch immer wieder. Die kommen in der Regel aber nicht von Verlagen, sondern von Selfpublishern (und ich will damit natürlich nicht alle über einen Kamm scheren, denn es gibt auch viele positive Ausnahmen.) Die meisten Blogger haben da so ihre Erfahrungen gemacht.
Der Arbeitsplatz für die Freizeit.
Du bewertest nach einem Punktesystem. Wie funktioniert das genau? Und fällt es dir schwer, schlechte Bewertungen zu vergeben – gerade vielleicht bei Verlagen, mit denen du oft zu tun hast? Ich könnte mir vorstellen, da muss man erstmal reinwachsen, oder?
Bei jeder Rezension bewerte ich nach eigenen Maßstäben, die bei einem anderen vielleicht schon wieder ganz anders ausfallen können. Genau dies finde ich aber auch so spannend. Mein Punktesystem orientiert sich an den klassischen 5 Sternen und wird auf meiner Über mich-Seite näher erklärt. Interessanterweise fallen mir richtige Verrisse immer am leichtesten. Und weil einfach nicht alles gefallen kann, dürfen die auch sein. Was Verlage davon halten, interessiert mich weniger. Wichtig ist es für mich, dass ich meine Meinung klar vertreten kann und keinem etwas vormache. Wenn die Kritik konstruktiv ist und nicht beleidigend wird, dann ist das auch völlig okay. Was mir allerdings immer ziemlich weh tut, sind schlechte Bewertungen bei Autoren, die ich persönlich kenne. Jeder Autor steckt schließlich eine Menge Zeit und Geduld in sein Werk – und liebe Menschen möchte man einfach ungerne kritisieren.
Du interviewst auch regelmäßig Autoren, deren Bücher du rezensiert hast. Wie kommt der Kontakte zustande? Und wie offen erlebst du auch die Autoren inzwischen im Umgang mit den Bloggern?
Alle Autoren, die ich bisher kennenlernen durfte, waren ausnahmslos nett und freundlich und sind Bloggern gegenüber sehr aufgeschlossen. Wenn mir ihre Bücher sehr gut gefallen haben und ich das Gefühl habe, ich möchte noch etwas über den Autor schreiben und meine Begeisterung mit der Welt teilen, dann frage ich ganz gerne mal an, ob ein Interview möglich ist. Bisher war jeder Autor damit einverstanden und teilweise haben sich sehr interessante Gespräche ergeben, die auch für mich als Leser äußerst spannend waren. Das ist aber immer situationsabhängig und wird im Vorfeld nicht von mir geplant.
Wenn du nicht gerade deine Nase in Bücher steckst, was machst du dann eigentlich beruflich? Wie bekommst du beides unter einen Hut? Und wie viel Zeit fließt in deinen Blog?
Ich hätte am liebsten viel mehr Zeit fürs Bloggen, aber mit Vollzeitjob und sonstigen Verpflichtungen kommt der einfach oft zu kurz. Jede freie Zeit, die ich aber irgendwie abzweigen kann, wird in meinen Blog investiert. Beruflich bin ich im medizinischen Bereich tätig und habe damit das totale Kontrastprogramm zur Bücherwelt, was meist aber gar nicht so verkehrt ist. Wobei ich natürlich nicht abstreiten kann, dass ich zu gerne mal in einer Buchhandlung o.ä. arbeiten würde. Das Zauberwort, um alles unter einen Hut zu bekommen: Zeitmanagement. Wobei ich das auch mehr schlecht als recht beherrsche. Aber wenn man mit Leidenschaft dabei ist, bekommt man es immer irgendwie hin, die nötige Zeit zu finden. Würde ich die Zeit jetzt hochrechnen, dann komme ich in der Woche sicher auf zehn bis zwanzig Stunden, die ich in Blogarbeit (inkl. Mailverkehr, Social Media usw.) investiere. Auch hier gilt aber, es ist immer abhängig von der Situation, mal mehr und mal weniger.
Ein Platz für Gedanken.
Die Bücherblogger scheinen auf mich besonders gut vernetzt und lesen sich sehr häufig auch gegenseitig. Welche Rolle spielt die Vernetzung? Und welche anderen Blogs empfiehlst du?
Vernetzung ist in meinen Augen das A und O. Meiner Meinung nach kann man davon nur profitieren und das gilt im Prinzip für alle Bereiche, nicht nur für die Blogger. Bedingt durch den Blog habe ich in ganz Deutschland so viele wunderbare Menschen kennengelernt, dass ich es bisher noch keinen Tag bereut habe, damit angefangen zu haben. Gemeinsame Leidenschaft verbindet eben. Ich lese leidenschaftlich gerne andere Buchblogs und kann mich kaum auf bestimmte festlegen. Ein Blick in meine Blogroll lohnt sich daher auf jeden Fall. Sehr erwähnenswert sind aber Buzzaldrins Bücher, Herzpotenzial, Read Pack, Die Büchernische, Das Bücherkaffee, Primeballerina’s Books und Brösels Bücherregal. Du siehst, ich kann mich einfach nicht entscheiden.
Wie die meisten Blogger, bespielst du auch Profile bei Facebook, Twitter und Instagram. Gibt es Phasen, in denen dir all die Öffentlichkeit auch mal zu viel wird, du abtauchen magst? Und wie offensiv kommunizierst du solche Auszeiten?
Interessanterweise hatte ich diese Phase wirklich noch nie so richtig. Ich würde mich selbst als totalen Social Media Junkie bezeichnen, der mehrmals am Tag sein Handy checkt und immer versucht, über möglichst vieles Bescheid zu wissen. Auszeiten gönne ich mir bewusst, aber selten länger als zwei Tage. Und selbst dann lese ich im Hintergrund irgendwie noch mit. Blogauszeiten hatte ich schon öfter, oft auch mit entsprechender Ankündigung. Social Media geht aber irgendwie immer. Mein einziges Problem: Es ist ein ziemlicher Zeitfresser.
Dein Blog hat eine angenehm schlichte Optik, ist aber doch recht aufwändig. Programmierst du selbst oder hast du da Hilfe?
Momentan ist mein Blog noch bei Blogger zu Hause und im Prinzip will ich schon lange zu WordPress umziehen und selbst hosten. Wenn man aber erst mal eine Menge an Beiträgen angehäuft hat, dann versucht man sich doch immer wieder davor zu drücken, weil der Arbeitsaufwand einfach enorm wäre. Aus diesem Grund versuche ich mein bisheriges Blogzuhause eben so schön wie möglich zu machen und das würde mit den normalen Möglichkeiten von Blogger einfach nicht funktionieren. Ein befreundeter Buchblogger (Skys Buchrezensionen) ist das Genie an meiner Seite und hilft mir immer wieder, meinen Blog optisch so gut wie möglich an meinen Geschmack anzupassen und das Möglichste herauszuholen.
So viele Bücher, so wenig Zeit! (Fotos: Die Liebe zu den Büchern)
Gretchenfrage für viele Blogger ist die Finanzierung. Verdienst du mit deinem Hobby Geld? Welche Kooperationen pflegst du, was kannst du dir auf diesem Gebiet noch vorstellen – und was ist für dich überhaupt nicht denkbar?
Bisher ist mein Blog reines Hobby, mit dem ich keinerlei Geld verdiene, dafür aber immer wieder Ausgaben (Domain usw.) habe. Grundsätzlich kann ich mir Kooperationen, die zu mir und dem Blog passen und mich überzeugen, aber durchaus vorstellen. Erst kürzlich war ich auf einem Blogworkshop, in dem auch dies zur Sprache kam. Ich habe den Eindruck, als sei im Buchbloggerbereich Geld verdienen immer ein Tabuthema, an das sich keiner herantraut. In anderen Blogbereichen ist das eine Selbstverständlichkeit, die keiner hinterfragt oder gar kritisiert, und das finde ich auch richtig so. Wenn man sich etabliert hat, eine gewisse Qualität bietet und zu dem steht, was man tut, ist es in meinen Augen vollkommen legitim. Neider wird es aber leider immer geben, und damit auch die Leute, die alles von vorneherein schlecht machen. Eine positive Meinung kann man bei mir allerdings nicht erkaufen, das wäre etwas, wofür ich überhaupt nicht zu haben bin.
Welches Buch steht aktuell ganz oben auf deiner Wunschliste? Und was kannst du für die kommenden Herbstabende unbedingt empfehlen?
Auf meiner Wunschliste stehen so viele Bücher, dass ich kaum sagen kann, welches den höchsten Stellenwert hat. Ganz aktuell kann ich aber zwei Bücher empfehlen, die man in meinen Augen unbedingt lesen sollte. „Lasse“ von Verena Friederike Hasel ist ein sehr berührendes und nachdenklich stimmendes Buch und „Nachts“ von Mercedes Lauenstein ein starkes Debüt in einer wunderbaren Sprache mit Geschichten über interessante Menschen. Ansonsten wird man aber bestimmt auch auf meinem Blog fündig.
Vielen Dank für deine Zeit!
Vielen Dank für das Interview.
Über den an Terminen und Projekten prallgefüllten, bunten Herbst macht die Reihe eine Auszeit, danach ist sie (hoffentlich) zurück. Ihr habt ein großartiges Projekt, über das ihr im Winter mit mir reden wollt? Dann schreibt mir doch eine Mail.
Was treibt Menschen eigentlich an, ihre Freizeit in Blogs, Podcasts und ähnliches mehr zu stecken, statt sie in der Hängematte zu verbringen? Oder von der anderen Seite betrachtet, wieso machen sie ihr Hobby nicht zum Beruf? Künftig kommen hier in der Rubrik Nachgefragt bei… regelmäßig Menschen zu Wort, deren Projekte mir auf der täglichen Reise durchs Netz aufgefallen sind. In Teil sieben spreche ich mit Elke vom MeerBlog.
Liebe Elke, du bist seit vielen Jahren Reisejournalistin und hast als solche für etliche große Medien gearbeitet. War dieser Job immer dein Wunsch, oder hat dich der Zufall einmal in diese Branche und zum anderen zu diesem sehr speziellen Thema geführt?
Es war in der Tat ein Zufall. Nach dem Kunstgeschichtsstudium hatte ich nach einem Thema für die Doktorarbeit gesucht und zwischenzeitlich bei der damaligen LTU-Touristik gejobbt. Nach ein paar Tagen haben sie mich gefragt, ob ich in die Presseabteilung wollte. In der Branche sagt man: Einmal Reise, immer Reise. Und so kam es dann auch. Nach zwei Jahren wechselte ich die Seiten, weil ich lieber schreibe als rede.
Elke in Nicaragua.
Seit einiger Zeit konzentrierst du dich fast vollständig auf deinen MeerBlog. Woher kommt dieser Umschwung?
Ich habe es zwar auch einmal als Redakteurin versucht, aber gemerkt, dass mich eine Festanstellung zu sehr einschränkt. Daher war die Tätigkeit als Freie quasi wegbereitend und führte nahtlos zum Bloggen. Vor mehr als vier Jahren habe ich MeerBlog ins Leben gerufen und kann seither noch stärker bestimmen, wohin die Reise geht. Als Freie war ich von den Themen- und Stilwünschen der Medien abhängig. Nun habe ich das unverschämte Glück, ein Medium selber gestalten und davon leben zu können. Aber es steckt natürlich jede Menge Arbeit dahinter, alles ist noch mal eine Spur härter als bei der Freientätigkeit.
Vom Bloggen tatsächlich leben zu können, bleibt für viele Kollegen ewiger Wunschtraum. Auf welchen Wegen verdienst du mit dem Meerblog Geld und gibt es Tipps, die du anderen Bloggern dafür geben kannst?
Meine Einnahmen kommen hauptsächlich aus den Advertorials, kleinere Beträge aus den eBook-Verkäufen sowie gekennzeichneten Facebook-Posts. Außerdem schreibe ich sporadisch Liebesgeschichten, insgesamt lebe ich also vom Schreiben. Reich werde ich damit momentan nicht, vor allem den Buchsektor möchte ich weiter ausbauen. Allgemeingültige Tipps zu geben, finde ich schwierig. Jeder Blogger hat andere Schwerpunkte, ein anderes Konzept. Wichtig ist vor allem, sich selbst treu zu bleiben. Kooperationen, die nicht passen, lieber abzulehnen. Sich nicht unter Wert zu verkaufen: Preise für Advertorials setzen sich aus drei Komponenten zusammen: Arbeitsaufwand, Marktwert und Kundenbudget. Ich habe auch schon Kooperationen gehabt, bei denen ich im Nachhinein dachte: Der Aufwand war doch größer, als ich es eingeschätzt hatte.
Wie viele Tage im Monat bist du im Schnitt unterwegs? Zählst du die Kilometer noch mit?
Nein, ich zähle weder Tage noch Kilometer. Ich weiß nur: Es ist zu viel. Immer wieder nehme ich mir vor, die Abwesenheiten zu Hause zu reduzieren. Das häufige Reisen zum Beispiel im aktuellen Monat führt auch dazu, dass ich kaum noch zum Schreiben komme. Denn auch die Vorbereitungen, die Organisation und Absprachen für kommende Reisen nehmen viel Zeit in Anspruch. Den Dezember habe ich mir in diesem Jahr bewusst ganz frei gelassen. Ich möchte maximal eine private Tour an einem Wochenende machen und eine Tour in der Region. Schleswig-Holstein kommt leider in der letzten Zeit etwas zu kurz, und das ist zu schade.
Dem Reisejournalismus haftet der Ruf einer gewissen Käuflichkeit an, weil die meisten Trips von Anbietern, Airlines usw. finanziert werden. Wer könnte sich den Job sonst auch leisten… Wie gehst du in deiner Arbeit mit diesem Thema um?
Das ist korrekt, fast alle meine Reisen werden von Destinationen etc. gesponsert. Das ist bei den meisten Medien und nicht nur in Deutschland so. Trotzdem muss man sagen, dass sich professionelle Kooperationspartner niemals in die Berichterstattung einmischen würden oder mir vorschreiben würden, was ich zu schreiben habe und was nicht. Und es ist mir in den vergangenen 16 Jahren auch nicht einmal passiert. Allerdings sollte man Reisejournalismus auch nicht mit investigativem Journalismus vergleichen. Er hat weitgehend eine unterhaltende und informierende Funktion. Ich würde sagen, am meisten beeinflusst das Sponsoring die Auswahl der Ziele, denn nicht jede Destination investiert gleichermaßen in Pressereisen. So wurde ich leider noch nie nach Grönland eingeladen. Wenn ich in Urlaub fahre, schreibe ich ebenfalls darüber. Und ich möchte behaupten, dass sich eine selbst finanzierte Reise von einer gesponserten in meiner Berichterstattung nicht unterscheidet. Was ich grundsätzlich nicht mag, sind Lobhudeleien. Artikel sollten authentisch sein, das ist bei Bloggern ein noch größeres Thema, da sie mit ihrer Person für den Inhalt gerade stehen und eine Marke bilden. Ich nehme nur Einladungen an, wenn ich denke, dass die Reise zum Blogkonzept und zur Zielgruppe passt.
Man kann überall neue Freunde machen.
Obwohl es sehr viele etablierte Blogs gibt, ist die Reaktion auf Blogger bei Akkreditierungen und ähnlichem oft deutlich zurückhaltender als auf Journalisten. Wie geht es dir da im Umgang mit Reiseveranstaltern und ähnlichem? Und hilft es dir, dass dich einige von früher kennen und zumindest wissen, was sie bei dir in Sachen Qualität bekommen?
Ja, ich denke, das hilft. Anfangs habe ich auch einige Presseleute sagen hören, dass sie Blogger mit journalistischem Background bevorzugen, doch das vermischt sich zusehends. Qualität ist ja auch erkennbar, ohne den Background zu kennen. Zur Zeit sind Blogger ausgesprochen gefragt für Kooperationen, wir erleben seit zirka anderthalb bis zwei Jahren einen regelrechten Boom. Selber kooperiere ich mit vielen Agenturen, die ich zuvor nicht kannte. Das gilt auch und vor allem für Werbeanfragen und beschränkt sich nicht auf Deutschland, die Zusammenarbeit ist international.
Gibt es umgekehrt auch Anbieter, die gezielt auf dich zukommen mit dem Wunsch nach einer Kooperation? Was bietest du da konkret an, wie kennzeichnest du solche Beiträge und welche Rolle spielen sie für deine Finanzierung? Gibt es auch Formen, die du komplett ablehnst?
Es gibt sehr viele solcher Anfragen, und nicht alle führen wirklich zu einer Zusammenarbeit, wie man so schön sagt, auf Augenhöhe. Oftmals möchte sich ein Unternehmen präsentieren, ohne dafür eine Gegenleistung zu bringen, man glaubt es kaum. Ein Beitrag, der Werbung enthält, wird bei mir als „gesponserter Beitrag“ oder „Advertorial“ gekennzeichnet, der Kunde wird genannt. Selbst, wenn es sich um einen NoFollow-Link mit Anchortext handelt, der in einem geeigneten Kontext untergebracht werden soll. Mit gefällt diese Art von Werbung, da sie nicht aufpoppt oder blinkt und weil sie einfach unaufdringlich ist. Jeder kann selbst entscheiden, ob er sich ein Advertorial durchliest oder nicht. Oder einem Tipp folgt. Der Leser ist erwachsen und kann selbst entscheiden. Es ist gut, unterschiedliche Werbekunden zu haben, so bin ich von keinem einzigen abhängig.
Dein Blog hat knapp 5.500 Fans auf Facebook und knapp 5.000 Follower bei Twitter. Bist du manchmal selbst baff, wie schnell dein Baby gewachsen ist?
Ich denke, das ist in über vier Jahren keine Hexerei. Mir kommt es eher langsam vor, wenn ich mir andere, stärker SEO-optimierte Blogs anschaue. Aber ich gebe mein Bestes und möchte mir treu bleiben, in jeder Hinsicht. Also kein Magazin, keine ständigen Autoren, kein Hauptsponsor.
Branchenweisheit: Einmal Reise, immer Reise.
Was die sozialen Medien angeht, können viele Journalisten bei etablierten Medien etliches von den Bloggern lernen. Wie erklärst du dir diese sehr langsame Hinwendung zu diesem Thema? Gerade in Sachen Reichweite müssten die Verlage das doch jauchzend annehmen.
Viele tun es inzwischen auch sehr erfolgreich und haben dafür wesentlich mehr Manpower als der einzelne Blogger. Einige machen den Fehler, die Social Media als Einbahnstraße zu betrachten. Aber Facebook, Instagram & Co. beruhen auf Interaktionen. Gerade Instagram wird vielfach unterschätzt, das betrifft auch die Destinationen. Würde ich heute noch in einer Pressestelle arbeiten, wär die Pflege eines Foto-Accounts genauso wichtig wie die Facebook-Seite. Und ich sehe künftig großes Potenzial für visuelles Storytelling, etwa durch Steller.
Du machst (fast) alle Fotos für deinen Blog selbst. Hast du dir das Fotografieren selbst beigebracht? Mit welcher Kamera arbeitest du?
Zur Zeit fotografiere ich mit einer Samsung NX 300M und mit dem iPhone 6. Eigentlich wollte ich als Kind Fotografin werden, habe dann aber Kunstgeschichte studiert. Dementsprechend fehlt mir die praktische Ausbildung. Vieles hat sich geändert oder wird dank moderner Technik ein wenig ausgeglichen. Ein Profi hat mir mal gesagt, ich hätte einen Blick für den Bildausschnitt. Wenigstens das! Es macht mir einfach Spaß zu fotografieren, doch am wichtigsten ist mir der Text.
Im Blog schreiben neben dir auch deine tierischen Kolumnisten. Wie bist du auf diese Idee gekommen?
Schon ganz zu Anfang. Wir sind ans Meer gezogen, MeerBlog stand in den Startlöchern und plötzlich auch ein eigenwilliger kleiner Hund auf der Matte. Ich musste mich an Julchen erst gewöhnen, mochte aber ihren Pippi-Langstrumpf-Charakter sofort. Sie ist zur Kolumnistin geboren. Ihr Kumpel Janni kommt eher wie ein relativ normaler Hund herüber, und eigentlich sollte er nie diktieren. Doch die Community wollte es so, und außerdem bildet Janni ein Gegengewicht zu Julchen. Die beiden geben gute Vorlagen ab, doch schon als Kind habe ich gerne Figuren erfunden. Als ich Rastaschaf Luis sah, war die Sache klar: Er avancierte zum Beachblogger. Leider muss man seinen Stories hinterher rennen, und jetzt hat er sich auch noch ein Sabbatical genommen!
Die Redaktion in Dänemark. (Fotos: privat/Elke Weiler)
Die Abenteuer deiner Beardies hast du auch als eBooks veröffentlicht. Welche Erfahrungen hast du mit dem Self-Publishing gemacht?
Bislang keine ruhmbringenden! Die eBooks von Julchen stellen eine kleine Nebeneinnahme dar, es fehlt jedoch am Marketing, um ein größeres Publikum damit zu erschließen. Im Prinzip ist der Aufwand zu hoch, doch viele Leser hatten mich danach gefragt. Die nächsten Bücher sollen daher auch als Paperbacks bzw. Verlagsbücher erscheinen. Für nächstes Jahr habe ich ein kleines Projekt mit Julchen in der Planung – hoffentlich klappt alles!
Hast du so etwas wie Lieblingsziele? Welche Reise hat dich zuletzt besonders glücklich gemacht? Und wo muss man unbedingt gewesen sein?
Der Norden macht mich generell glücklich. Die frische Luft, die Weite, die Ruhe der Menschen. Grundsätzlich mag ich gerne Inseln, Küsten und sämtliche Meere. Zum Aufwärmen sind Mittelmeer und Karibik ganz wunderbar. Auch der Rhythmus ist ein anderer, für mich ist das wie Futter für Körper und Seele. Doch das Herz ist im Norden, egal ob Island, Norwegen, Dänemark, Finnland, Schweden. Zuletzt war ich sogar kurz auf den Färöer Inseln und möchte sehr gerne mal nach Schottland. Meine Tipps: Island in der Nebensaison, wenn die Nordlichter tanzen. Marokko im Winter, und unter den Fernzielen Ecuador, weil es die nettesten Menschen hat. Das schwedische Malmö für einen Städtetrip, Radfahren in Kopenhagen, das innovative Rotterdam erleben, mit einer Ente durch die Provence fahren und in Kappadokien wandern. Istanbul erleben…
Vielen Dank für deine Zeit!
Im achten Teil von Nachgefragt bei… spreche ich mit Petzi über Die Liebe zu den Büchern. Über den an Terminen und Projekten prallgefüllten, bunten Herbst macht die Reihe dann eine Auszeit, danach ist sie (hoffentlich) zurück. Ihr habt ein großartiges Projekt, über das ihr im Winter mit mir reden wollt? Dann schreibt mir doch eine Mail.
Was treibt Menschen eigentlich an, ihre Freizeit in Blogs, Podcasts und ähnliches mehr zu stecken, statt sie in der Hängematte zu verbringen? Oder von der anderen Seite betrachtet, wieso machen sie ihr Hobby nicht zum Beruf? Künftig kommen hier in der Rubrik Nachgefragt bei… regelmäßig Menschen zu Wort, deren Projekte mir auf der täglichen Reise durchs Netz aufgefallen sind. In Teil sechs spreche ich mit Martin über Fußball, Asperger und seine Blog-Initiative für Flüchtlinge.
Lieber Martin, du betreibst seit 2013 den Blog Der Wochenendrebell. Was war damals deine Initialzündung, dich bei den Bloggern einzureihen?
Seit der Geburt meines Sohnes in 2005 fülle ich im Keller eine große Kiste mit Erinnerungen. Ultraschallbilder, erste Haare, Popel, Fußnägel und solche Leckereien. Sein erstes Stofftier, Zeitungen vom Tag seiner Geburt, Dinge, über die ich mich vielleicht gefreut hätte, wenn sie jemand von mir aufgehoben hätte. 2012 war die Kiste voll, und ich suchte nach einer Alternative, Erinnerungen mit dem Sohn festzuhalten. Statt in einer Kiste nach Dingen zu wühlen, die jemanden an etwas erinnern, versuche ich nun, mit Worten festzuhalten, was wir gemeinsam erleben.
„Es ist manchmal Behinderung und manchmal Behilflichkeit.“
Wer die Themen deines Blogs betrachtet, stolpert neben vielen fußballaffinen Begriffen über Wörter wie Asperger und Autismus. Was ist deine Verbindung zu dem Thema?
Mein Sohn ist Asperger-Autist.
Wie alt war dein Sohn, als ihr die Diagnose erhalten habt, und wie alt ist er heute? Wie habt ihr als Familie gemeinsam gelernt, mit diesem Thema umzugehen?
Jay-Jay ist heute zehn. Er wurde mit drei Jahren diagnostiziert. Wir hatten das Glück, dass er sehr aufmerksame Erzieher im Kindergarten hatte. Wir hielten viele seiner Eigenarten für ungewöhnlich, aber nicht störend, und bei allem, was uns oder unser Umfeld störte, suchten wir eigentlich immer den Fehler bei uns, in unserer Rolle als Eltern. Die Diagnose war sehr erleichternd, auch wenn wir dies in den ersten Wochen sicherlich anders beurteilt haben.
Was bedeutet die Störung für eure Tochter? Wie verhindert man auch ganz praktisch, im Bezug auf Zeitmanagement usw., dass das zweite Kind quasi hinten runter fällt?
Es ist keine Störung, auch wenn ich sie oftmals im Blog selbst so bezeichnet habe und auch viele Wissenschaftler das Asperger-Syndrom so benennen. Ich halte mich an die Beschreibung meines Sohnes: „Es ist manchmal Behinderung und manchmal Behilflichkeit.“ Ich mag diese Beschreibung, denn die Behilflichkeit, auf die er anspielt, bezieht sich auf die enormen Stärken, die Jay-Jay durch das Asperger-Syndrom hat. Ich mag diesen Blickwinkel, der auch seine Stärken, wie seinen unbändigen Ehrgeiz oder seine unfassbare hohe themenspezifische Auffassungsgabe, hervorhebt. Was unsere Tochter betrifft, so ist es komplex. Meine Frau hat eine sehr intensive und wichtige Verbindung zu unserer Tochter. Auch, weil meine Frau aus der Liebe, die sie jetzt ganz offensiv und erstmals deutlich spürbar von ihrem Kind zurückbekommt, Kraft zieht. Bei mir ist es aktuell eine engere Verbindung zu meinem Sohn, auch geprägt durch unsere Unternehmungen, aber ich habe noch Zeit, die Verbindung zu meiner Tochter zu verbessern.
In Filmen wird das Thema Autismus gerne mit einer ulkigen Note versehen. Du beschreibst in deinen Posts auch Situationen, in denen Menschen dein Kind als unerzogen empfinden, wenn es ausrastet. Wie schaffst du es, nicht dauernd wütend auf solche Leute zu sein?
Wieso sollte ich auf diese Menschen wütend sein? Wenn wir fünfundzwanzig Menschen im Zug durch unsere laute Anwesenheit nerven und einer der Mitfahrenden dann kopfschüttelnd in seine Zeitung starrt oder sich beim Sitznachbarn über uns beschwert, bin ich zunächst immer einmal den anderen vierundwanzig Mitfahrern dankbar für ihre Geduld. Ich wäre von meinem Sohn ja selbst genervt. Aber ulkig ist es häufig, von daher hätte ich noch nicht einmal eine Schwierigkeit mit einer ulkigen Beschreibung. Problematisch sind eigentlich niemals die, die unwissend auf uns treffen. Viel problematischer sind eigentlich die Autismus-Experten, die mir zwar einerseits erklären, wie vielfältig und unterschiedlich das Asperger-Syndrom sich zeigt, mir aber gleichzeitig vorschreiben wollen, wie ich mit meinem Sohn umgehen soll. Aber selbst bei denen wäre das Wort „nervend“ besser angebracht. Wütend machen mich die Reaktionen anderer fast nie.
„Jay-Jays gesamte Gefühlswelt wirkt bei mir sogar meist aufrichtiger, als ich dies bei Gleichaltrigen kennengelernt habe. “
In einem älteren Beitrag beschreibst du, was dir persönlich an dieser Behinderung oder Behilflichkeit besonders zu schaffen macht: der mangelnde Umgang mit eigenen Emotionen. Deswegen hast du mit deinem Sohn ein besonders Projekt gestartet. Worum geht es dabei?
Wir bereisen Deutschlands Fußball-Stadien. Wir müssen mindestens die Ligen eins bis vier abdecken. Innerhalb der Reisen gibt es feste Routinen und Regeln, und für mich ist es Zeit mit meinem Sohn in allerhöchster Qualität. Lustigerweise basiert unser Projekt zum Teil auf der fehlerhaften Annahme, Jay-Jay hätte Probleme mit seinen Emotionen. Das hat sich schnell als weit verbreiteter Unsinn herausgestellt. Asperger-Autisten sind wütend, sauer, enttäuscht und erfreut, wie jeder andere Mensch auch. Jay-Jays gesamte Gefühlswelt wirkt bei mir sogar meist aufrichtiger, als ich dies bei Gleichaltrigen kennengelernt habe. Er lebt die ein oder andere Emotion etwas intensiver aus, und der Auslöser für Wut oder Enttäuschung kann ein durchaus geringer Anlass sein. Jay-Jay zeigte früh Interesse für Stadien, Fußball und Zugfahrten. Ich wollte sein Interesse nutzen und ihn im Gegenzug mit vielen Schwierigkeiten konfrontieren. Volle Stadien heißt viele Menschen, eng besetzte Straßenbahnen, viele Unwägbarkeiten, wechselnd intensive Geräuschkulissen. Alles Dinge, die Jay-Jay früher sehr zu schaffen machten. Und nun touren wir so durch Deutschland, und alle anfänglichen Schwierigkeiten sind verflogen. Es gibt neue Probleme, aber die lösen wir auch – wenn Jay-Jay das möchte.
Wie viele Stadien habt ihr auf diese Weise in den letzten Jahren gesehen? Und welche Erlebnisse sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Wir sind jetzt bei ca. fünfzig. Meine Highlights waren in Bezug auf das Stadion der Ludwigspark in Saarbrücken, in puncto Atmosphäre das Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg. Betrachte ich die gesamte Reisen mit allem drum und dran, waren unsere Ausflüge ins San Siro nach Mailand und unsere Doppeltour bestehend aus Freiburg und Millerntor innerhalb von sechzehn Stunden ziemlich großartig. Aber auch aus einem null zu null bei VfR Aalen gegen SV Sandhausen am Freitag Abend bei Minusgraden kann man eine Menge Lehren ziehen.
Im Umgang mit eurem Sohn habt ihr ein spezielles Regelwerk erstellt, auch, weil er mit klaren Ansagen gut umgehen kann. Innerhalb dieser Regeln kann er Punkte sammeln – im Idealfall winkt eine Belohnung. Was ist der aktuelle Jackpot?
Es gibt feste Zeitpunkte, wann ausgewertet wird. Hat er sich mehr grüne Punkte erarbeitet als rote Punkte zur Strafe erhalten, planen wir eine Stadiontour ins Ausland. Grüne Punkte bekommt er für gute Noten und wechselnd für den Abschluss kleiner Miniprojekte. Schuhe binden, alleine duschen und sich anziehen. Dinge des Alltags, die ihm schwer fallen. In Verbindung mit seinen Ausrastern erhält er rote Punkte. Nicht bei jedem Vorfall. Es ist wichtig, dass er weiß, dass diese dazu gehören und nicht zwingend mit Bestrafung einhergehen. Bringt er aber seine Schwester in Gefahr oder provoziert bösartig Menschen in seinem Umfeld, bekommt er die Strafpunkte. In Quartal eins fuhren wir zur Belohnung nach Lyon, in Quartal zwei scheiterte er erstmals und es gab keine Belohnung.
Jedes Spiel hat seine Regeln.
Müsst ihr nach Spanien ziehen, wenn er sich dann ausgerechnet in den FC Barcelona verliebt?
Ich habe tatsächlich ein wenig Angst bekommen, als er mich nach dem hochoffiziellen Regelwerk einer Vierunddreißiger-Saison gefragt hat, aber ich sehe das mittlerweile sehr entspannt. Aktuell sieht es nicht so aus, als könnte er sich in den nächsten dreißig Jahren für einen Verein entscheiden, und neulich erwischte ich ihn beim Googeln von Stadien der Oberligen.
Für welchen Verein schlägt eigentlich dein eigenes Fußballherz heute?
Ich verfolge intensiver die wunderbare Fortuna aus Düsseldorf. Als Kind bin ich sicher mal auf den üblichen Trampelpfaden der Fanwerdung losgestapft und verlief mich, so ca. zwanzig Jahre lang. Die Fortuna nahm mich dann glücklicherweise in ihre Obhut. Es ist aber eine eher weniger erfolgsgeprägte Liebe. Ich finde, die zweite Liga steht uns gut.
Inzwischen verfasst dein Sohn ab und zu selbst Beiträge für den Blog. Ab wann war bei ihm eine Wahrnehmung da, dass du über ihn und eure Ausflüge schreibst? Hat er dazu eine Meinung?
Gemerkt hat er es sehr früh. Ich denke mit fünf oder sechs. Es gibt noch zahlreiche ältere Texte, die nie den Weg ins Blog schafften. Er sieht sich aber seit dem 05.06.2013 selbst als festen Bestandteil der Blogosphäre. Seit diesem Tag ist es eigentlich sein Blog, und ich darf da nur gelegentlich auch ein paar Zeilen hinterlassen. Er kennt ca. 80% der Texte, lediglich die Passagen, in denen ich auch über die Belastung, insbesondere für meine Frau, schreibe, enthalte ich ihm aktuell vor. Ich glaube, wir haben einen guten Mittelweg gefunden zwischen erschütternder Offenheit und einem gesunden Maß an Anonymität und Intimität. Aber er ist momentan unglücklich mit dem Medium. Er kann nicht so schnell schreiben, wie ihm die Gedanken in den Kopf schießen. Er würde lieber eine tägliche Periscope-Diskussion zum Tagesgeschehen führen oder podcasten. Das sei nicht so anstrengend, meint er.
Neben Fußball, Asperger und Groundhopping treibt dich aktuell besonders um, wie in Teilen Deutschlands mit Flüchtlingen umgegangen wird. Wie behandelst du das Thema als Vater mit deinen Kinder, wie sensibilisierst du sie?
Jay-Jay hat eine sehr ruppig-offene Art an sich. Er spricht geraderaus, wie und was er denkt. Es war sehr schmerzvoll, meinen Sohn zu diesem Thema Dinge sagen zu hören wie: „Na ja, wenn es ihnen nicht gefällt, dann können sie ja zuhause bleiben.“ Wir thematisierten dies sehr intensiv, zumal wir alles andere als eine arisch-doitsche Vorbildfamilie sind. Meine Frau ist Muslimin, so dass ich vielleicht auch grundsätzlich einen subjektiveren Blickwinkel habe, was den Umgang mit ausländischen Mitbürgern angeht. Jay-Jay hat, was seine Sensibilität gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe, anderen kulturellen Eigenarten, aber auch gegenüber schwächeren Menschen angeht, große Fortschritte gemacht. Heute kassiert seine Schwester schnell einen Einlauf, wenn sie es wagt, Jay-Jays Spielzeug zu benutzen, gleichzeitig erklärte er sich aber bereit, eben dieses Spielzeug für Kinder von Flüchtlingsfamilien zu spenden.
Einfach mal abschalten. (Fotos: privat)
Du nutzt die Aufmerksamkeit, die dein Blog bekommt, momentan für eine besondere Aktion, um Geld für Flüchtlinge zu sammeln. Worum geht es dabei?
Nun ja, viele Kommentare in den sozialen Medien, aber selbst beim Metzger um die Ecke, zeigen plötzlich das völlige Versagen der Bildungspolitik der letzten zwanzig bis dreißig Jahre auf. Ich wollte einerseits auf die guten Menschen aufmerksam machen, die auffällig häufig Blogs betreiben. Das ist nicht verwunderlich, da das Problem des „Hau ap in dein land du asülant“-Kommentators meist umfangreich genug ist, um ihn am Schreiben längerer Texte zu hindern. Ich will es um Himmels willen nicht als Problem der mindergebildeten Bürger dieses Landes gewusst wissen. Die Masse an Verbreitung dumpfer Parolen und braunem Dreck werden aber nun einmal offen, penetrant und in großer Zahl über Facebook und Co. nicht vom Studenten mit abgeschlossenem Geschichtsstudium durchs Netz gejagt. Ich wollte dazu animieren, Blogtexte, gleich zu welchem Thema, öfter zu verbreiten, zu teilen. Da passiert teilweise noch zu wenig. Ich habe Blogs entdeckt, über deren Leserzahl ich sehr erstaunt bin. Da steckt teilweise so unfassbar viel Qualität drin, die es wert wäre, sie mehr zu verbreiten und demjenigen, der dort viel Arbeit hineinsteckt, zu einer größeren Reichweite zu verhelfen. Mir geht es da gar nicht um mein Blog, aber wenn man sich mal überlegt, was da an Zeit in die Podcasts und Blogs investiert wird, so kommt dann doch oftmals überraschend wenig Resonanz.
Wie genau willst du das ändern?
Um zur Verbreitung zu animieren, haben ein guter Freund und ich dazu aufgerufen, ältere Blogbeiträge des ganz persönlichen Lieblingsblogs erneut zu teilen und sie zusätzlich mit den Hashtags #refugeeswelcome und #blogthrowback zu versehen. Für jede Verbreitung nehmen wir 10 Cent von unserem Lottokonto und unterstützen damit zu Beginn des Winters das örtliche Flüchtlingsheim. Das wird ein böser Winter, und darauf kann man nicht früh genug aufmerksam machen. Daher läuft die Aktion bis Ende Oktober und wir deckeln sie erst bei 500€ oder eben 5.000 Verbreitungen. Durch die Thematisierung haben sich bereits weitere Spender gemeldet, andere wiederum sagten zu, sich in ihrer Stadt vor Ort nun auch engagieren zu wollen. Hat die Aktion geholfen, auch nur einen Menschen dazu zu bringen, sich gegen das, was uns nun an unverhohlenem Rassismus in Deutschland präsentiert wird, entgegen zu stellen, war es eine erfolgreiche Aktion.
Welchen alten Beitrag aus dem Wochenendrebell möchtest du den Lesern im Rahmen der Aktion abschließend gerne ans Herz legen?
Mmh, schwer. Die Geschmäcker sind verschieden. Einen guten Einblick in die Touren mit Jay-Jay bekommt man vielleicht mit diesem Text.
Vielen Dank für deine Zeit!
Ich habe zu danken.
Im siebten Teil von Nachgefragt bei… spreche ich mit Elke über ihr Meerblog. Ihr habt ein großartiges Projekt, über das ihr mit mir reden wollt? Dann schreibt mir doch eine Mail.
Was treibt Menschen eigentlich an, ihre Freizeit in Blogs, Podcasts und ähnliches mehr zu stecken, statt sie in der Hängematte zu verbringen? Oder von der anderen Seite betrachtet, wieso machen sie ihr Hobby nicht zum Beruf? Künftig kommen hier in der Rubrik Nachgefragt bei… regelmäßig Menschen zu Wort, deren Projekte mir auf der täglichen Reise durchs Netz aufgefallen sind. Im fünften Teil spreche ich mit Autor und Herausgeber Frank Nussbücker.
Hallo Frank, du gibst mit deinem Kollegen Andreas B. Vornehm seit 2007 zweimal jährlich die Literaturzeitschrift STORYATELLA heraus. Wie kam es dazu?
Ich schrieb seit vielen Jahren Shortstorys, die weder in die U- noch in die E-Schiene passen wollten. Für erstere zu literarisch, für zweitere zu wenig Grass-like. Durch meinen Autoren-Freund & Kollegen Stefan Strehler geriet ich an eine Berliner Lesebühne, deren Autorinnen und Autoren um Andreas B. Vornehm es genauso ging. Ich wurde Stammleser, Mitglied – und irgendwann sagte ich mir: Ich finde es toll, was ihr so schreibt, lasst uns doch mal eine Publikation angehen.
Frank Nussbücker (Foto: privat)
Wie seid ihr eigentlich auf den Namen gekommen? Ein bisschen klingt der ja nach Storyteller. Oder nach Stracciatella! So oder so sind die Assoziationen positiv.
Letzteres freut mich erst mal sehr, liebe Mara! … Zusammen mit meinem Mitherausgeber & Freund Andreas B. Vornehm sowie Oliver Bauer, unserer grauen Eminenz, saßen wir zusammen, um unserem „Baby“ einen Namen zu geben. Der sollte mit dem zu tun haben, was wir machen. Die Amerikaner haben für eben das die schöne Berufsbezeichnung: Storyteller. Nun sind wir alles keine Amerikaner, und die direkte deutsche Übersetzung klingt leider zu sehr nach den Gebrüdern Grimm: Geschichtenerzähler. Genau darum geht es aber bei STORYATELLA: ums Geschichten erzählen! Und das eben nicht gemäß dem kabarettistischen 0815-Standard von „Lustig, lustig, Trallalla“, den ein jeder von den Berliner Lesebühnen kennt, die in anderen Bundesländern ihre Nachahmer gefunden haben. Ebenso wenig auf dem Niveau des elitären Olymp der literarischen Hochkultur, deren Vertreter nur zu gern das ehemalige Land der Dichter & Denker mit dem oberstädtischen Sandkasten der intelligenzgepushten Profilneurotiker verwechseln, in dem ohnehin nicht jeder mitspielen darf. Wir erzählen Geschichten, ganz im amerikanischen Sinne, deren Bandbreite von „Dick & Doof“ bis zu „Sie wissen nicht, was sie tun“ reicht. Tragödie, Komödie, Pulp, Lovestory, Satire, Science Fiction & der ganze Rest: Alles kein Problem, solange es gut geschrieben und intelligent ist und auch die Unterhaltung nicht zu kurz kommt. Und so kamen wir auf den quasi Kunstnamen STORYATELLA, (der in seiner Betonung bitte italienisch auszusprechen ist, wie Mortadella oder Stracciatella), bevor wir uns womöglich Der Geschichtenerzähler oder Potsdamer Platzhirsch oder Enigma-g oder Die skandalöhsen Märchenonkelz oder Testin’ Testosteron oder VOX VULGO DEI oder Leuchtschrift, Dreckschleuder, Doppelpackschreiber oder Der schreibende Bono Bo nennen wollten!
Ihr nennt die STORYATELLA ein Berliner Kurzgeschichtenheft, der Untertitel lautet „Das Leben schreibt das Beste – aber nicht alles!“ Worauf achtet ihr bei der Auswahl der Storys und welche Geschichten passen nicht ins Heft?
Die Storys kommen aus dem prallen Leben, sind aber von diesem nicht 1:1 „abgeschrieben“, sondern eben literarisch verdichtet. Ich mag am liebsten Storys, die mich gnadenlos mitnehmen an die Orte und in die Welten, an und in denen sie spielen. Wobei ich kein Freund von Thriller & Co bin, deren tiefster Sinn darin besteht, möglichst „thrillig“ zu sein. Ich will die Liebe zum Leben darin spüren können, und sei die Welt, in der sie spielen, noch so brutal oder trostlos. Kurzum: Wir suchen Texte, bei denen wir sagen: „Whow!“
Liest eure Zeitschrift sich eigentlich tatsächlich in Berlin besonders gut? Ist sie nur für Berliner? Oder soll ihr Name eher einen Berliner Charakter ausdrücken?
Sämtliche STORYATELLA-AutorInnen der ersten Stunde lebten in Berlin, als sie zu STORYATELLA-AutorInnen wurden. Maggy Bartscher, eine unserer großartigsten Autorinnen, zog irgendwann ins Ruhrgebiet – und schrieb weiter für uns. Leider verstarb sie vor zwei Jahren, um Jahrzehnte zu früh… Im Moment lebt einer unserer Stamm-Autoren im Hohen Fläming, ein andere in meiner Geburtsstadt Jena… Es kommt so, wie es kommt. Das Wichtigste ist die Story, und die soll bitte, bitte aus dem Leben kommen. Das ist im Bauch einer Großstadt wie Berlin natürlich besonders prall, aber das ist nicht der Punkt. Sorry für die Wiederholung: Die Story muss mich umhauen. Andreas, meine Liebe, Oliver und etliche von uns leben in Berlin – der Stadt, die wir lieben. Aber das ist unsere Sache…
Wie kommen die Texte in der Regel ins Magazin: Sprecht ihr gezielt Kollegen an oder erreichen euch die Geschichten von ganz alleine?
Sofern ich irgend kann, gehe ich auch auf Lesungen, auf denen ich nicht selbst lese. Höre ich da oder auf unserer Lesebühne eine Story, die mich umhaut, gehe ich sofort hin und sage: „Whow, das hat mich umgehauen! Ich gebe eine Kurzgeschichtenzeitschrift heraus, hier ist ‘ne Karte mit unserer Webseite. Wenn Du Lust drauf hast, würde ich diese Story gern in unserer nächsten Ausgabe abdrucken!“ Mittlerweile bekomme ich viele „unverlangt eingesandte“ Beiträge, mitunter bereits gedruckte Romane oder Gedichtsammlungen… Und manchmal auch eine Story, bei der es mir so geht wie ich gerade eben erzählte…
Welche Tipps habt ihr für Autoren, die nun überlegen, mal etwas von sich zu schicken?
Besorgt Euch eine STORYATELLA – und schaut, ob ihr da drin mal zu lesen sein wollt.
Irgendwo habe ich gelesen, ihr wollt mit eurem Magazin auch anschreiben gegen das Einerlei der Berliner Lesebühnen. Seht ihr deren Entwicklung kritisch?
Nee. Es gibt in Berlin ein paar Lesebühnen, die seit vielen Jahren sehr erfolgreich sind. Die Surfpoeten, Reformbühne Heim & Welt, Liebe statt Drogen, Chaussee der Enthusiasten… Zumeist sehr starke Performance! Wir sind ein wenig literarischer und weniger Comedy, was ich keinerlei wertend meine, sondern janz sachlich. Ich war mal Schauspieler, und das lasse ich bei meinen Vorträgen gern mal kieken, aber das ist nicht das typische unserer Auftritte. Unsere jährliche Premiere im ZEBRANO-Theater, dem vielleicht steilsten kleinen Theater der Welt, ist stets – zumindest von unserem Anspruch her – eine jute Show, aber auch die ist eher literarisch, denn in Richtung Comedy. Ich war mal bei der Reformbühne Heim & Welt als Gast eingeladen. Zusammen mit Ivo Lotion, einem Barden, der regelmäßig auf den juten, alten Lesebühnen zu hören ist. Seine Songs gefielen mir derart, dass ich ihn spontan fragte, ob er nicht bei unserer nächsten Premiere auftreten will. Wollte er. Kurzum: Da gibt’s keine Kluft. Was mich eher nervt, sind die zahllosen Nachahmer jener wirklich erstklassigen Lesebühnen. Das endet dann oft in reichlich sinnloser Schenkelklopf-Dallerei, aber viel kann ich dazu nicht sagen, da ich an einem solchen Abend nicht allzu lange zu den Gästen gehöre… Ach ja, den Ahne, einen der Alt-Stars der Berliner Vorlese-Szene, hab ich sehr gern, obgleich er in Sachen Berliner Fußball die Weinroten verehrt und ich Unioner bin, aber das ist schon wieder ‘ne andere Story…
Die STORYATELLA erscheint im eigens dafür gegründeten Storyapulpa Verlag. Wie viel Pulp steckt in euren Geschichten?
Lies selbst – und sag es mir, ok? Ganz ehrlich, ich bin kein Freund von Genre-Klischees jedweder Art. Aber, liebe Mara, dein Urteil würde mich wirklich sehr interessieren.
Ein eigener Verlag bedeutet auch ein Investment. Wie finanziert ihr die STORYATELLA? Welche Rolle spielen Werbeanzeigen, und verdient ihr mit dem Magazin Geld?
Klar verdiene ich mit STORYATELLA Geld. Etwa 100 Euro im Jahr ;-) Aber darum geht’s bei diesem ehrenamtlichen Halbtag-Herzensjob auch nicht. Ich bin stolz und glücklich, dass wir in Kürze Ausgabe 14 an den Start bringen. Und das nach einmaliger Investition von 1.000 Euro aus meiner Tasche. Seitdem trägt sich unser Baby selbst, wie das so schön heißt. Diejenigen, die bei uns eine Werbung schalten, sind allesamt Leute mit halbwegs laufenden Geschäften, die uns damit unterstützen wollen – und sich zudem freuen, wenn die neue Ausgabe in ihrem Briefkasten liegt. Eigentlich sind das viel eher Sponsoren als Werbepartner.
Finanzierbarkeit ist im Literaturbetrieb ohnehin ein schwieriges Thema. An dem Heft arbeiten neben dir und deinem Mitherausgeber auch Grafiker und Lektoren. Sind das bezahlte Angestellte – oder muss ein gelegentliche Freibier reichen?
Alle, die an STORYATELLA mitarbeiten, tun dies aus ihrem Herzen heraus. So halte ich es, und genau so hält es Andreas, der die Grafik verantwortet und sich um die Bildenden KünstlerInnen kümmert. Meine Liebe, Anke Nussbücker – wir lernten uns übrigens 1999 auf einem Seminar für Prosa-Autoren kennen – ackert auch unheimlich mit, dass die jeweils neue Ausgabe erscheint. Ebenso unsere bis heute graue, aber ungemein lebenshungrige Eminenz Oliver Bauer, Katrin Schulz – und janz, janz dolle unser ebenfalls ehrenamtlich arbeitender Lektor T.A. Wegberg. Der veröffentlicht einen Roman nach dem anderen, sein neuester kommt zusammen mit meinem neuen Buch über die Fans des 1. FC Union Berlin im Herbst bei Schwarzkopf & Schwarzkopf raus. Dazu übersetzt er, arbeitet ehrenamtlich bei einem Krisendienst für Jugendliche in akuter Not – kurzum, der bräuchte seinen „Job“ hier nicht wirklich. Er ist dabei, weil er längst ein STORYATELLer ist und mit seinen Geschichten gehörig dafür sorgt, dass die Qualitätsmesslatte der von uns abgedruckten Storys recht hoch ist. Ein unglaublich feinfühliger Lektor, Kollege & Freund, einfach nicht zu bezahlen, genau wie alle, die bei uns mitmachen.
Deine Brötchen verdienst du als Autor und Biografieschreiber. Was reizt dich daran, die Lebensgeschichten anderer Menschen aufzuschreiben?
Schon immer interessierte ich mich für die Lebensgeschichten anderer Leute. Das fing an, als mir meine Oma dereinst in unseren Dämmerstündchen Geschichten aus ihrem Leben erzählte. Seit vielen Jahren ist das Aufschreiben eben solcher Geschichten einerseits Broterwerb, andererseits Erholung von meiner eigenen literarischen Arbeit. Ich muss hier keinen Stoff generieren, sondern selbigen vielmehr in die Form bringen, in der er am besten den Weg zu seinen Lesern findet. Zudem kann ich hier ein wenig meiner zweiten großen Liebe nachgehen: Ich war viele Jahre Schauspieler und liebte es, mich in die jeweilige Rolle einzufühlen, wie das dereinst der olle Stanislawski nannte. Eben das muss ich tun, um als Ghostwriter im Ton eines Anderen schreiben zu können, sprich: Das Buch schreiben, welcher es geschrieben hätte, wenn er das könnte…
Andreas B. Vornehm (Foto Paul Pape)
Über Andreas B. Vornehm war mal zu lesen, er schreibe an der längsten hard-boiled Kurz-Kulturanthropologie-SMS der Welt. Ist er inzwischen fertig geworden?
Nein. Die ist derart lang, ich glaube, im Moment steckt er mitten in Band LMXII… Aber im Ernst: Kaum einer beobachtet sich selbst und seine Umwelt derart scharf und dennoch mit Liebe, wie er. Für mich ist Andreas B. Vornehm seit vielen Jahren der beste Schriftsteller dieser Welt, den ich persönlich kenne.
Gelegentlich veranstaltet ihr auch gemeinsame Lesungen. Wie ist das Feedback der Gäste?
Unsere Premieren verlassen viele Leute mit ‘nem Lächeln in den Augen. Ein steileres Feedback kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen …
Für alle, die jetzt neugierig geworden sind: Wann erscheint die nächste Storyatella – und wo kann man sie kaufen?
Premiere ist am 24. Oktober. STORYATELLA bekommst Du auf unseren Lesungen und über unsere Webseite. Bis vor zwei Jahren versorgte ich noch einige Berliner Buchläden, auf Kommission, dafür fehlt mir mittlerweile – leider – die Zeit. Ich bin ja glücklich, dass ich, dass wir STORYATELLA Jahr für Jahr immer wieder an den Start und unter die Leute bringen. STORYATELLA ist unser literarisches Piratenboot, das sich einen feuchten Kehricht um gängige Konventionen, um U- E- und sonstwelche angeblichen literarischen Gattungen schert. STORYATELLA lebt von der Liebe derer, die es produzieren und unserer LeserInnengemeinde. Wir sind keine geschlossene Gesellschaft …
Vielen Dank für das Gespräch!
Im sechsten Teil von Nachgefragt bei… spreche ich mit Martin über den Wochenendrebell. Ihr habt ein großartiges Projekt, über das ihr mit mir reden wollt? Dann schreibt mir doch eine Mail.
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