Die Woche am Bruchweg (4/20): Der Vertrauenslehrer

Die wöchentliche Medienrunde mit dem Coach dienstags im Container der Presseabteilung hat bei Mainz 05 gute Tradition. Für die Journalist*innen sind Trainerwechsel in dieser intimen Runde besonders spürbar, schließlich hat jeder seine eigene Art, solche Termine anzugehen. In den ersten Wochen blieb Beierlorzer wenig Zeit für diesen Termin – verständlich. Nicht nur, dass er sich schnell an den Club gewöhnen musste, auch durch englische Woche und nahende Winterpause waren die Stunden knapp. Nun, zurück aus dem Trainingslager und das erste Spiel des Jahres im Rücken, zeigt er sich gelöst und mit spürbarer Lust am Austausch.

Ansprache: Beierlorzer erklärt den Spielern seinen Plan.

„Ein bisschen wie früher in der Schule: Block vergessen“, scherzt er, als ein Hörfunkjournalist sich ein Blatt vom Zeitungskollegen borgt. Die Analogie zu seinem Lehrerjob zieht er später ein zweites Mal, als er bereits so tief in der Analyse des Spiels steckt, dass er sich fühlt wie im Leistungskurs Sport. „Da würde ich das jetzt unterkringeln, weil es so ein schönes Wort ist“, bewertet er den Begriff Sauerstoffschuld. Ganz korrekt sei der aber nicht – da geht es gerade um Sondereinheiten von Mateta und Ji, die im aeroben Bereich zulegen sollen. Letztlich gehe es darum, die Spieler auf eine schnellere Regeneration hin zu trainieren.

Auf dem Platz war es zuvor ruhiger zugegangen als gewohnt, besonders die Kommandos der Spieler untereinander waren selten. Beierlorzer gibt Anweisungen auf Deutsch, übersetzt wird von einem zum anderen und dann bewegt Niko Bungert sich fast unbemerkt über den Platz und flüstert den französischsprachigen Kickern zu, was der Coach gesagt hat. Der gibt lachend zu Protokoll, bestimmte Begriffe wüssten sie ohnehin binnen kürzester Zeit. Auch was er von ihnen möchte, sei ihnen klar, sagt Beierlorzer, der lobende Worte für die Truppe findet. Viel von seiner Spielidee sieht er gut umgesetzt, man müsse nun „die entscheidenden Dinge richtigmachen.“ Da gehe es oft um Kleinigkeiten.

Von der Sonne verwöhnte Trainingseinheit neben dem Bruchweg.

Die verflixten Details also. Sie machen am Ende eben den Unterschied. Konsequenter verteidigen, in der Kompaktheit. Das habe sein Team auch schon besser gemacht, als zuletzt gegen Freiburg. Wie die „uns die Umschaltmomente genommen haben“, davon spricht er anerkennend. Der Franke ist einer, den das Spiel bis in diese Details interessiert. Wenn er über die Gegner redet, zählt er Freiburgs Spieler und die der Gladbacher in ihren möglichen Formationen ebenso flüssig auf, wie die eigenen, erklärt Stärken und Schwächen und wie sie damit umgehen wollen. Eine Idee könnte sein, für den gesperrten Kunde einen Innenverteidiger als zweiten Sechser auflaufen zu lassen. Sofern er denn mit zwei Sechsern spielt.

Welches System er im Kopf hat, das verrät er ebenso wenig wie den Namen des potentiellen IVs für die Position. „Sonst schreibt ihr das ja.“ Er lacht. Und analysiert schon wieder. Insgesamt sei ihm die Ballverlustquote zu hoch. Manchmal wünsche er sich mehr Mut, die Spieler, so sein Plädoyer, sollen einfach mal machen, es probieren. Die Gegentore fallen ihm zu einfach. „Vor dem Zweinull passiert ja nicht ein Fehler, da passieren fünf, sechs.“ Wie er das ändern will? „Am besten entscheidet man sich immer für das Richtige.“ So einfach ist das.

Move it, move it – die Spieler bei der Trainingseinheit. (Fotos: WP)

Nun sollte aber niemand den Fehler machen, seinen lockeren Umgangston als Leichtfertigkeit misszuverstehen. Spiele zu verlieren, das ist nichts, woran Beierlorzer sich gewöhnt. Fast scheint es an diesem Mittag, als sei der Trainer relativ entspannt, weil er die sich durchaus wiederholenden Fehler erst seit einigen Spieltagen erlebt – nicht schon die ganze Saison, wie alle anderen im Raum. Er strahlt den absoluten Glauben aus, die Niederlage am Samstag werfe seine Mannschaft in der Entwicklung nicht zurück. Und das ist ja gut so.

Man kann sich Beierlorzer richtig vorstellen im Einzelgespräch mit Spielern. Die nun von ihm selbst gezogenen Parallelen zu der Zeit als Lehrer, seine ruhige Art, Dinge zu erklären, zu analysieren, die eingestreuten Scherze und die demonstrative Zuversicht, das sind Bausteine, die ihn fast wie einen Vertrauenslehrer wirken lassen. Gleichzeitig hat er bereits gezeigt, dass er konkrete Erwartungen hat und auch deutlich werden kann, wenn er das Gefühl kriegt, seine Spieler setzen die nicht um.

Sein Credo, man dürfe in er Niederlage nicht kleiner werden und im Erfolg nicht größer, ist gerade für diese junge Truppe durchaus passend. Mit der Mischung aus Vertrauen und deutlichen Worten kommt er bei den Spielern bislang offenbar gut an. Am Samstag gegen Gladbach haben sie erneut die Chance, auch in den Details zu zeigen, dass sie seinen Weg verstehen und mitgehen möchten.

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