One is the loneliest Number

Die einzigen Stimmen, die ich seit Tagen gehört habe, sind die in meinem Kopf, sie flüstern leise „er ist fort“ und ich denke – wieder. Mein Blick schweift aus dem Fenster über die Lichter meiner Stadt und hinunter zu dem abgetretenen Fleck vor meiner Haustür, dort hat er oft gestanden, geklingelt, gewunken und in die Sprechanlage gelacht, bevor ich ihn hineingelassen habe. Nun steht er nicht mehr dort, steht da niemand mehr, weil es kein scheiß Film ist, den ich von hier oben betrachte, sondern mein Leben. In dem eben niemand mit Rosen vor meiner Tür steht, sondern meine traurig-müde Feststellung, dass es besser für uns sei, einander nicht mehr zu sehen, klaglos und ohne Nachfragen akzeptiert wird.

Was hätten Rosen gebracht, jetzt, wo die Lüge zwischen uns Platz genommen hat. (Foto:  Gerhard Hermes/pixelio.de)

Was hätten Rosen gebracht, jetzt, wo die Lüge zwischen uns Platz genommen hat. (Foto: Gerhard Hermes/pixelio.de)

„Als ob“, kichern hämisch die Stimmen in meinem Ohr, brennend dringen ihre Zungen über die kleine Muschel in meine Seele ein und schreien: „Alleine seid ihr ja nie gewesen!“ „Nein“, stimmte ich leise zu. Da waren immer Fremde bei uns. Mal ist es die Andere gewesen, die den Platz zwischen uns größer gemacht und dabei meine Luft weggeatmet hat, weil da nur Luft war für zwei. Ein andermal der Rest der Welt, der ihn auch nicht glücklich machen kann, so wie niemand, nicht einmal er selbst, weil es nicht in ihm ist, nie war – oder er es verloren hat; was macht das noch für einen Unterschied. Dann wieder hat die alte Hure Vertrautheit sich zu uns gesellt, die nie etwas wegatmet von der Luft, die uns Zweien zur Verfügung steht, sondern sie anzündet, damit wir uns erwärmen können an ihr, an uns, einander, näherrücken, er zu mir, ich zu ihm, Trost finden in einer Umarmung, von der wir wissen, sie wird zerbrechen am Licht des herbeieilenden Tages – und uns doch willig ihr ergeben, immer wieder, klammern gegen das Verlieren.

Schließlich hat uns die Angst besucht, ihre kleine Schwester Zweifel fest an der Hand hinter sich her zerrend und alles kaputt gemacht, was da gepflanzt und in ängstlicher Liebe bewacht worden ist. Und immer war es er, der Wache gehalten hat in den Nächten des Angst-Besuches, dabei nicht aufmerksam genug gewesen ist, sondern abgeschweift mit seinen Gedanken, in eine Welt, die ihn lockte, mit ihren falschen Versprechungen. So ist es wieder kalt geworden in unserer Höhle, ungemütlich, weil die Welt hineingebrochen kam, uns zu erschrecken. Nun also die Lüge – und da ist es still geworden zwischen uns. Er redet noch und bittet um Vergebung, doch ich kann seine Worte nicht hören, denn die Lüge hat mich getrennt von ihm, alle Verbindungen abgekappt, so sehe ich nur die Bewegung seiner Lippen, aber verstehe nicht ihren Klang. Zu groß die Angst, es könnten mehr Unwahrheiten folgen und das beleidigen, was war, bevor ich ging, als dass ich seinen Worten noch Gehör schenken könnte. Unten, im Herzhof, liegt unsere Liebe, die nie sein durfte, doch das ist nicht neu, dort haben wir sie schon vor langer Zeit versteckt, auch vor uns selbst. Jetzt schaufelt der Winter eine zweite Grube im Pfeifen des Windes, in der wird unsere Freundschaft beerdigt. Die Andacht ist heute, er wird nicht kommen. Ich habe ihn von der Gästeliste gestrichen.

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